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Pressekonferenzen von Donald Trump
Die Corona-Show

Täglich gibt der US-Präsident eine Pressekonferenz zur Entwicklung der Corona-Krise – ein Quotenhit, wie Trump selbst per Twitter erklärte. Nun wächst jedoch die Kritik an den Live-Übertragungen. Die Medien ließen zu, dass Desinformation als Nachricht erscheint, heißt es.

Von Thilo Kößler |
US-Präsident Trump zeigt während einer Pressekonferenz im Weißen Haus auf einen Journalisten.
Donald Trump während einer Pressekonferenz im Weißen Haus (imago/ White House)
Es war der Kolumnist Carles M. Blow, der selbst häufig zu Gast beim Nachrichtensender CNN ist, der den US-Fernsehanstalten dieser Tage ein vernichtendes journalistisches Urteil ausstellte: Es sei ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht, die Pressekonferenzen Donald Trumps Tag für Tag live und zur besten Sendezeit zu übertragen, schrieb er in der New York Times.
Diese Veranstaltungen seien für alle erkennbar zum politischen Kampfinstrument Donald Trumps im Präsidentschaftswahlkampf geworden – und zum Ersatz für seine Massenveranstaltungen, die der Corona-Krise zum Opfer fielen.
Ist die These von Charles M. Blow berechtigt, wonach die Pressekonferenzen Donald Trumps eine krude Mischung aus Fehlinformationen, Unwahrheiten, Prahlereien und präsidialer Selbstbeweihräucherung sind? Dass er sie als Bühne benutzt, um unhaltbare Behauptungen aufzustellen – wie z.B. jene, dass er als Präsident absolute Verfügungsgewalt über die Gouverneure habe? Beispiele aus der Pressekonferenz vom vergangenen Sonntag: Wie ist Trumps Aussage zu werten, wonach niemand so hart mit China ins Gericht gehe wie er?
Irreführende Aussagen
Tatsächlich hat Donald Trump China noch Ende Januar via Twitter für seine Bemühungen im Kampf gegen das Virus in den höchsten Tönen gelobt. Trump hebt immer wieder die Leistungen seiner Administration bei den Corona-Tests hervor. Mit 4,1 Millionen Amerikanern seien so viele Menschen getestet worden wie nirgendwo sonst auf der Welt.
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4,1 Millionen Tests – das sind etwas mehr als 1 Prozent der Bevölkerung; gepaart mit dem Faktum der noch immer bestehenden Engpässe beim Nachschub von Testgeräten ist Trumps Aussage zumindest irreführend. An Prahlerei grenzt jedoch die Behauptung, der enorme Erfolg der USA bei der Bekämpfung der Corona-Krise stelle alle anderen Länder in den Schatten.
Trumps Klagen über unfaire Behandlung
Auch die Schuldzuweisung an die Adresse der Demokraten, sie hätten die Pandemie im Gegensatz zu ihm in der Frühphase nicht thematisiert, hält einer Prüfung nicht stand: Es waren die Demokraten, die Trump schnell drängten, das geplante Hilfspaket auf zwei Billionen Dollar aufzustocken.
Eine weitere Konstante in der Dramaturgie seiner Pressekonferenzen ist die Klage Donald Trumps über kritische Nachfragen der Journalisten. Er werde unfair von den Medien behandelt, so Trump – so unfair wie kein Präsident vor ihm.
Angesichts dieser ritualisierten Selbstdarstellung Donald Trumps dürften die Pressekonferenzen des Präsidenten keinesfalls live ausgestrahlt werden, stellte Charles Blow in der New York Times jetzt nüchtern fest. Und zitierte Ted Koppel, einen Veteran unter den Anchormen: Die Kamera einfach laufen zu lassen, sei ein technischer Vorgang, habe aber nichts mit Journalismus zu tun. Die journalistische gate-keeper-Funktion aufzugeben und darauf zu verzichten, die Aussagen Donald Trumps kritisch aufzubereiten und in einen wahrheitsgemäßen Kontext zu stellen, sei nicht nur nachlässig, sondern geradezu verantwortungslos.
"Medien haben nichts dazugelernt"
Kein Fact-Checker und keine Journalistenrunde könnten im Anschluss das relativieren oder korrigieren, was Donald Trump zuvor einem Millionenpublikum mitgeteilt habe. Blow erinnert daran, dass sich die Fernsehanstalten im Wahlkampf von 2016 mit dem gierigen Blick auf Einschaltquoten zu Steigbügelhaltern Donald Trumps gemacht hätten – und kommt mit Blick auf die TV-Liveberichterstattung in der Corona-Krise zu dem vernichtenden Fazit: Die Medien haben nichts dazugelernt.