Das Selbstkontrollorgan der Presse teilte in Berlin mit, man habe die Beschwerden zur Verdachtsberichterstattung als unbegründet zurückgewiesen. "An dem veröffentlichten Verdacht, Aiwanger habe in seiner Jugend ein antisemitisches Flugblatt verfasst, bestand ein erhebliches öffentliches Interesse. Die Vorwürfe standen in eklatantem Widerspruch zu Aiwangers Ämtern als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident Bayerns", hieß es. Zwar habe der geschilderte Vorgang bereits 35 Jahre zurückgelegen und Aiwanger sei damals noch nicht volljährig gewesen. Die Vorwürfe seien jedoch so gravierend gewesen, dass darüber berichtet werden durfte, ohne seinen Persönlichkeitsschutz zu verletzen.
Keine Verletzung der Sorgfaltspflicht, keine Vorverurteilung
Der Presserat sah auch keinen Handlungsbedarf in der Frage, ob die Redaktion die Sorgfaltspflicht verletzt haben könnte, weil sie den Sachverhalt schrittweise in aufeinanderfolgenden Artikeln offenlegte. "Dieses Vorgehen war unter presseethischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, weil der Redaktion von Anfang an hinreichende Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht vorlagen."
Auch eine Vorverurteilung habe nicht vorgelegen. Die Vorwürfe seien korrekt als solche und nicht als Tatsachen bezeichnet worden. Zudem sei dem Betroffenen ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Auch seien entlastende Stimmen zu Wort gekommen.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte vor der Bayern-Wahl die Flugblatt-Affäre ins Rollen gebracht. Dabei geht es um ein antisemitisches und menschenverachtendes Flugblatt, das bei Freie-Wähler-Chef Aiwanger zu Schulzeiten gefunden worden war. Aiwanger geriet in der Affäre massiv unter Druck. Er selbst sprach von einer gezielten Kampagne gegen sich. Ministerpräsident Söder entschied sich gegen Aiwangers Entlassung aus dem Kabinett.
Den Presserat erreichten Einzelbeschwerden und er schob eine Prüfung an. Es ging bei den 18 Beschwerden unter anderem um die Frage, ob die Redaktion die Regeln der journalistischen Sorgfalt einhielt. Der Rat kann zum Beispiel Rügen aussprechen. Die betroffenen Medien sind dann angehalten, diese in ihren Zeitungen zu veröffentlichen.