Wie es im Sportjournalismus zu geht, weiß Jana Wiske aus eigener Erfahrung. Sie war einst in Nürnberg Redakteurin beim "Kicker". Heute lehrt und forscht sie zum Spannungsverhältnis Journalismus und PR an der Hochschule in Ansbach. Das Thema Pressereisen, die Sponsoren und Verbände organisieren, treibt sie besonders um. Sie wirbt dabei für ein differenziertes Bild.
"Das sind Medienhäuser, die müssen wirtschaftlich arbeiten und da ist es eben nicht möglich, einfach mal eine Reise, eine journalistische Reise nach Australien zur Formel 1 oder zum Tennis nach New York zu finanzieren. Das können sich viele Medienhäuser schlichtweg nicht leisten", sagt Wiske - und sieht noch einen Treiber: Die immer verschlossenere Welt des Spitzensports.
"Nähe ist im Sportjournalismus ganz schwer. Das heißt, man kommt kaum noch an Sportgrößen ran, ohne in irgendeiner Form vielleicht über den Sponsor zu gehen. Ja, also ich gebe Ihnen ein Beispiel: Cristiano Ronaldo - ein Interview ist so gut wie utopisch zu bekommen. Da muss man möglicherweise auf einen seiner Sponsoren zurückgreifen und ist darauf angewiesen, dass da was zur Verfügung gestellt wird."
Gibt es für solche Reisen eine Gegenleistung?
Wiske hat 20 leitende Sportjournalistinnen und Sportjournalisten befragt - von Zeitungen wie den "Nürnberger Nachrichten" und der Funke Mediengruppe über öffentlich-rechtliche und private Sender wie der ARD und Sport1 bis hin zu Nachrichtenmagazinen wie dem "Spiegel". Ihren Interviewten hat sie Anonymität zugesichert. So dürften die Ergebnisse ehrlich sein. Sie verraten deshalb aber nichts über einzelne Häuser.
80 Prozent der Befragten haben selbst schon mal an einer Pressereise teilgenommen. 55 Prozent sagen, Kolleginnen und Kollegen der eigenen Redaktion nehmen "regelmäßig" teil. Und mehr als die Hälfte sagt: Ja, Pressereisen werden wichtiger. Umso mehr drängt sich auch die Frage auf: Gibt es für solche Reisen eine Gegenleistung?
Ein aktueller Vorgang zeigt, wie schwierig so eine Konstellation sein kann: Ende Januar lädt Tommy Hilfiger, neuer Sponsor des Ski-Weltcups, Journalistinnen und Journalisten nach Kitzbühel ein. Auch ein Redakteur des "Tagesspiegels" reist mit, schreibt - tatsächlich eher kritisch - über den Event. Ein paar Tage später erscheint jedoch auch ein eher werbliches Interview mit Hilfiger selbst, auf der Modeseite und bebildert mit Models, die Hilfigers neue Ski-Kollektion präsentieren.
Transparenzhinweis vergessen
"Ich fand es auch unglücklich", räumt Anna Sauerbrey ein. Sie ist in der Chefredaktion des "Tagesspiegel" zuständig für Compliance. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns wenn, dann auf die Sportberichterstattung beschränken, weil eben da die Unabhängigkeit von Berichterstattung und Sponsor größer ist."
Geld sei keins geflossen. Allerdings habe Tommy Hilfiger eine Übernachtung in einem Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel übernommen. Einen Transparenzhinweis unter dem Hilfiger-Interview habe man leider vergessen. Der sei eigentlich Standard, sagt Sauerbrey. Die Zeitung wolle Leserinnen und Leser über Einladungen jedenfalls nicht im Unklaren lassen.
"Wenn man es macht, dann kann man sich ganz bewusst dafür entscheiden und dann muss man es eben auch transparent machen und dann in Kauf nehmen, dass die Leser die Texte besonders kritisch lesen. Das ist ja auch der Sinn der Sache. Das ist ja auch eine Kontrolle, der wir uns ganz bewusst aussetzen wollen."
Es laden vor allem Sponsoren ein
Ex-Sportjournalistin und Wissenschaftlerin Jana Wiske hat zudem festgestellt: Es laden vor allem Sponsoren ein. Sportverbände seien extrem zurückhaltend. Eine Absolventin Wiskes hat sich vor zwei Jahren umgehört. Von 65 angefragten Spitzenverbände hätten nur drei zurückgemeldet, dass sie dieses PR-Instrument überhaupt einsetzen. Welche, ist auch hier geheim.
Und wie geht es den Sportjournalistinnen und Sportjournalisten, wenn sie sich zu Recherchen einladen lassen? Wiske hat auch das abgefragt.
"Die Studie hat ergeben, dass 45 Prozent der Befragten kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie an einer Pressereise teilnehmen. Das kann daran liegen, dass sie eben in ihrer Arbeit als Journalist - beispielsweise bei einem Interview mit einer Sportgröße - nicht eingeschränkt sind."
Die Wissenschaftlerin bleibt bei diesem Punkt bewusst vage. Hier beginnt die große Grauzone im Forschungskomplex "Pressereisen von Sportjournalisten" - einem Instrument, das in vielen Redaktionen längst Alltag ist.