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Presseschau
"Die Feinde der Demokratie"

Markus Nierth ist als Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt zurückgetreten, weil die NPD gegen ihn mobilmachte. Die Kommentatoren der Tageszeitungen sind alarmiert. Weiteres Thema unserer Presseschau: der Streit um die griechischen Schulden.

    Der zurückgetretene ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz (Sachsen-Anhalt), Markus Nierth, auf einer Dorfstraße.
    Der zurückgetretene ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    "Eine Zustimmung und eine Drohung sind der griechischen Tragödie nächste Akte", so sieht es die LANDESZEITUNG aus Lüneburg und meint:
    "Die Regierung in Athen will wieder mit den verhassten 'Institutionen' Gespräche aufnehmen. Dieser überraschenden Entwicklung ging wenige Stunden zuvor eine widerliche Drohung voraus: Wenn ihr uns kein Geld gebt, schicken wir euch Flüchtlinge, polterte der griechische Verteidigungsminister Kammenos. Widerlich ist die Drohung, weil hier Flüchtlinge instrumentalisiert und zur Verhandlungsmasse degradiert werden."
    In der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG ist die Rede von einem dreisten Verhalten:
    "Verteidigungsminister Kammenos droht mit der Weiterleitung von Flüchtlingen, Finanzminister Varoufakis mit Neuwahlen. Zudem schlägt Varoufakis vor, Amateur-Steuerfahnder sollten Beweise gegen Steuersünder sammeln. Diese Ankündigungen sind unseriös. Sie führen nicht zum Ausweg aus der Krise. Ein überzeugendes Reformkonzept sieht anders aus. Daher ist es richtig, wenn die Finanzminister der Eurogruppe hart bleiben."
    Die STUTTGARTER NACHRICHTEN überlegen:
    "Mag sein, dass die Aufgabe, das Land wieder halbwegs zukunftstauglich zu machen, die politische Kraft bei weitem übersteigt. Gut möglich auch, dass man einfach den völlig falschen Ton wählt, hilfswillige, aber keineswegs naive Partner zum Entgegenkommen zu bewegen. Aber das, was sich Athen an geradezu erpresserischen Drohungen in den letzten Tagen geleistet hat, verspielt den allerletzten Kredit."
    Für die SÜDWEST PRESSE aus Ulm agiert die Koalition in Athen, als stehe sie kurz davor, die Brocken hinzuwerfen,
    "und stricke schon an der Legende, Brüssel im Allgemeinen und Berlin im Besonderen trage die Schuld am Scheitern. Dem ist nicht so."
    Die SAARBRÜCKER ZEITUNG kommentiert die Äußerungen des russischen Präsidenten Putin zur Annexion der Krim:
    "Es war immer misslich für Putin, dass er die Krim zwar heim ins russische Riesenreich geholt hatte, über seinen Anteil daran aber aus taktisch-strategischen Gründen nicht so recht reden durfte. Und so war absehbar, was jetzt geschehen ist: Die Veröffentlichung einer Heldensaga exklusiv fürs russische Fernsehen, in der Putin sich als Initiator der Krim-Aktion zu erkennen gibt. Wetten, dass es in einem Jahr über die Schlacht um den Donbass ähnliche Bekenntnisse geben wird!"
    Und nun zum Fall Tröglitz in Sachsen-Anhalt, wo der Bürgermeister nach massiven Anfeindungen durch Rechtsextreme zurückgetreten ist. Dazu heißt es in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:
    "Sicherlich muss ein Bürgermeister auch in Krisenzeiten zur Stelle sein. Dennoch: Wenn eine Situation so verfahren ist, wenn die Voraussetzungen zur Unterbringung von Flüchtlingen fehlen und wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Vertreter zu schützen, dann muss auch ein solches Signal erlaubt sein."
    Nach Meinung der NÜRNBERGER NACHRICHTEN bestärkt der Rücktritt die Fremdenfeinde:
    "Neonazis werden triumphieren - ihr Druck zeigte Wirkung. Spät, zu spät haben die Kommunal- und Landespolitiker die Brisanz des Vorgangs registriert, die nun reagieren wollen. Die Feinde der Demokratie zeigen im Osten zu ungeniert ihr Gesicht."
    Auch die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld sieht die Demokratie in Gefahr:
    "Neonazis können sich noch so bürgerlich geben und den Weg über die Parlamente suchen. Am Ende funktioniert ihre Einschüchterung und ihr Machtanspruch noch immer - wie schon 1933 - über die Straße. Ihnen die Straße preiszugeben bedeutet aufzugeben."