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Presseschau
"Eiertanz um EU-Posten ist mega-peinlich"

Die Kommentatoren der Zeitungen befassen sich mit "Postengeschacher" in der EU. "Turbo-Schulz muss seine hochfliegenden Pläne begraben", freut sich Neue Osnabrücker Zeitung. Und die "Westdeutsche Zeitung", dass es Parteien längst nicht mehr darum gehe, wer gut oder der Beste für Europa sei.

    Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen auf einem Tisch.
    Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen auf einem Tisch. (dpa / Jan Woitas)
    Nach wochenlangen Diskussionen haben zumindest die Kanzlerin und ihr Stellvertreter einen Kompromiss für die Spitzenposten in der EU gefunden. Der SPD-Europapolitiker Schulz verzichtet auf ein Amt in der EU-Kommission, dafür wird er von den deutschen Konservativen im Europaparlament unterstützt, falls er wieder Parlamentspräsident werden will.
    Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schimpft:
    "Es hat lange gedauert, bis SPD-Chef Sigmar Gabriel den Superdynamiker Martin Schulz wieder auf den Teppich geholt hat. Turbo-Schulz muss seine hochfliegenden Pläne begraben, Vizepräsident der EU-Kommission zu werden."
    "Seine fordernde, fast schon penetrante Art in der Auseinandersetzung hat ihn angreifbar gemacht", finden die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe.
    "Ging es ihm, dem ach so flammenden Europäer, tatsächlich nur um die europäische Sache? Oder doch nur um das eigene Vorankommen?"
    Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen hält dagegen. Auf die Frage: "Ist Schulz also der tragische Verlierer des Postengeschachers?", antwortet sie:
    "Nein - wenn er denn tatsächlich weiter Präsident des Europaparlaments bleibt. Denn dieses Amt, das hat Schulz in den vergangenen Jahren bewiesen, kann viel mehr sein als ein honoriger, aber letztlich einflussloser Posten. Aus dem Präsidentenstuhl heraus hat Schulz das Europaparlament ein gutes Stück näher auf Augenhöhe mit dem Rat der Staats- und Regierungschefs gebracht."
    Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf kritisiert, das "Postengeschacher" sei zur Farce geworden:
    "Den Parteien geht es eben längst nicht mehr darum, wer gut oder wer der Beste für Europa wäre und was die Wähler mit ihrer Entscheidung eigentlich bewirken wollten. Sie glänzen derzeit durch abgehobene Machtspielchen."
    "Der Einfluss der Regierungschefs in der EU schwindet keinesfalls" - das beobachtet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
    "Im Gegenteil. Selbst das Betriebsklima der Großen Koalition in Deutschland ist offenbar von Bedeutung, wenn es um die Besetzung der wichtigsten Posten in Europa geht. Mag sein, dass Politik so funktioniert. Aber so hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt."
    "Man muss den Akteuren zugutehalten, dass das europäische Geschäft ein zähes ist", wendet die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus ein.
    "Auf dieser Ebene ist es um ein Vielfaches schwieriger, Inhalte durchzusetzen, für den einen oder anderen Kandidaten Mehrheiten zu organisieren. Da wird die Jobbesetzung schnell zum Kuhhandel. Trotzdem: Der Eiertanz um den EU-Vorzeigeposten ist und bleibt mega-peinlich."
    Aber die THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG aus Weimar hat die Hoffnung nicht verloren,
    "dass der Wähler bis zum nächsten Mal schon vergessen hat, welches Ränkespiel auf eine vermeintlich klare Ansage folgte."
    Zweites Thema ist die hohe Zahl der Flüchtlinge
    Nach den Streitigkeiten in Europa schauen wir noch auf ein globales Problem - das aber genauso die EU angeht: Weltweit gibt es so viele Flüchtlinge wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das melden die Vereinten Nationen.
    Die FREIE PRESSE aus Chemnitz schreibt, dennoch:
    "Den Schrecken und das Elend wollen die meisten nicht an sich heranlassen. Die Fernsehbilder von Flüchtlingslagern haben an Macht verloren. Das Elend ist weit weg und sollte besser auch nicht näherkommen. Das Mittelmeer ist der Schutzgraben der Europäer. Das Problem interessiert uns nur dann, wenn es zu nahe gekommen ist: Wenn es also um Asylbewerber und ihre Unterkünfte oder um überforderte Kommunen geht."
    Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg blickt auf die überfüllten und unsicheren Boote, in denen Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa immer wieder ihr Leben riskieren, und meint:
    "Das Fehlen einer gemeinsamen politischen Antwort auf die unkontrollierte Einwanderung und die Todesopfer an Europas Grenzen sind das größte humane Versagen der EU."