Die Zeitung KOMMERSANT aus Moskau geht auf den russischen Hilfskonvoi ein, der ohne Genehmigung aus Kiew in die Ukraine gefahren ist. "Humanitäre Hilfe kann nur dann erfolgen, wenn der Empfänger sein Einverständnis gibt. Moskau will aus allen Kräften zeigen, dass es nicht bereit ist, nach den Regeln von Kiew zu spielen. Mehr als eine Woche lang hat sich der Kreml abwartend verhalten. Doch es geschah nichts. Und damit in der nächsten Phase - während der politischen Verhandlungen also - niemand den Eindruck bekommt, dass Moskau weiterhin duldsam agiert und auf neue Bedingungen wartet, hat der Kreml den Konvoi nach Luhansk geschickt, ohne eine Erlaubnis aus Kiew abzuwarten. Ein risikoreicher Schritt",
urteilt die russische Zeitung KOMMERSANT.
Auch die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER findet, Moskau habe eigenmächtig gehandelt.
"Natürlich ist die Lage im Krisengebiet hart, aber die russische Vorgehensweise trieft vor Zynismus. Die Hauptverantwortung für die Notlage der Menschen liegt beim Kreml, der den Aufstand angefacht und dann unterstützt hat. Vermutlich wird die russische Propagandamaschine das diplomatische Gerangel um den Konvoi noch eine Weile ausschlachten",
schreibt DAGENS NYHETER aus Stockholm und kommt zu folgendem Schluss:
"Putin möchte lieber ein zerstörtes Nachbarland als eine EU-nahe, demokratische und offene Ukraine."
Die KYIV POST aus der Ukraine verlangt, dass der Westen erheblich schärfere Sanktionen gegen Russland verhängt.
"Es geht auch darum, die Welt von einem geächteten Regime zu befreien - und zugleich von der kriminellen Ideologie von Präsident Putin. Er gehört nicht zur zivilisierten Welt. Hoffentlich trägt der heutige Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Kiew - der erste seit 2008 - dazu bei, Putin vor Augen zu halten, dass er sich ändern oder mit schärferen Konsequenzen rechnen muss. Die bisherigen Sanktionen sind nicht hart genug. Der Westen kann mehr tun. Die Staaten könnten Strafzölle auf Schlüsselexporte aus Russland verhängen, zum Beispiel auf Öl und Gas",
schlägt die KYIV POST vor, die in der ukrainischen Hauptstadt erscheint.
"Wer Angela Merkel kennt, weiß, dass von ihr keine scharfen Worte zu erwarten sind",
hält die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA dagegen.
"Ihr Aufenthalt in Kiew hat vor allem symbolischen Charakter. Merkels Besuch ist zwar eine Bestätigung, dass Berlin eindeutig auf der Seite der Ukraine steht, doch Konfliktlösungen wird man in Moskau suchen müssen. Alle warten auf Dienstag, wenn in Minsk das Gespräch zwischen den Präsidenten Poroschenko und Putin stattfinden soll. Bislang scheint Moskau ausschließlich auf militärische Mittel zu setzen. Die Krim allein genügt Putin nicht – er interessiert sich für die ganze Ukraine. Dieses Dilemma wird die Bundeskanzlerin heute in Kiew nicht lösen",
heißt es in der RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die portugiesische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon kommentiert das Vorrücken der Dschihadisten-Miliz IS.
"Der Norden des Irak und Syriens sind Schauplatz eines grausamen Völkermords. Die sunnitischen IS-Terroristen foltern, morden und vergewaltigen im Namen eines Kalifats. Der abgrundtiefe Hass der IS-Extremisten sollte Anlass zum Nachdenken darüber sein, welche Verantwortung der Westen trägt - allen voran die USA. Demokratie lässt sich nicht durch einen von den USA geführten und den Europäern unterstützten Krieg herbeizwingen. Der Westen kann diesen Krieg nicht in Eigenregie führen, sondern ist auf die regionalen Kräfte als Partner angewiesen - und das bedeutet auch die Notwendigkeit einer Annäherung an den Iran",
rät der DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon.
"Amerikaner und Europäer erkennen langsam die Dimension des Problems, das den Kampf gegen den Islamischen Staat prägt",
beobachtet LE FIGARO aus Paris.
"Die Strategen in Washington sagen bereits, man müsse auch in Syrien eingreifen, um diese Terrorgruppe aufzulösen. Obama wird gezwungen sein, seine Gegner in eine neue Hierarchie einzuordnen. Der Iran setzt seine Atompolitik fort, stützt jedoch die neue, von Washington gewollte schiitische Regierung im Irak. Und es ist nicht schlecht, wenn das syrische Regime den Kampf gegen den Islamischen Staat verstärkt. Neue Allianzen zeichnen sich ab, doch die Feinde unserer Feinde sind noch nicht unsere Freunde."
Sie hörten LE FIGARO aus Frankreich.
THE TIMES aus Großbritannien warnt vor dem syrischen Präsidenten.
"Baschar al-Assad präsentiert sich als möglicher Verbündeter des Westens im Kampf gegen die Extremisten des Islamischen Staates. Dieses Angebot des Staatschefs, der als 'Schlächter von Damaskus' bekannt ist, sollte strikt abgelehnt werden. Die USA sollten den Islamischen Staat bekämpfen, auch ohne Assads Unterstützung. Die Entwaffnung dieser Kämpfer ist zu wichtig und zu dringend, um zum Teil eines Spiels zu werden, dessen Regeln von Assad diktiert werden. Wir sollten auf keinen Fall einen Pakt mit dem Teufel schließen",
fordert die britische TIMES.
EL MUNDO aus Madrid blickt in den Gazastreifen, wo die Hamas in den vergangenen Tagen viele mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat.
"Die Hamas wird von EU und USA als Terrororganisation klassifiziert und regiert im Gazastreifen mit eiserner Hand. Wenn die Führer dieser Gruppe ernsthaft nach internationaler Unterstützung streben, müssen sie solche Massenhinrichtungen einstellen und sich wieder mit der Fatah-Bewegung zusammentun. Und sie müssen das ägyptische Vermittlungsangebot annehmen und die Friedensgespräche wieder aufnehmen",
hält die spanische Zeitung EL MUNDO für geboten.
Der Gastkommentator in der LOS ANGELES TIMES ist ein langjähriger Berater des US-Außenministeriums. Nach seinen Worten sind die Beziehungen zwischen den USA und Israel nicht gerade in bestem Zustand.
"Die Missklänge fangen ganz oben an. Der US-Präsident und der israelische Regierungschef mögen sich nicht und trauen einander nicht. Netanjahu denkt, Obama fehlten der Mumm und das Verständnis für Israels Dilemma als kleines Land in einer gefährlichen Region. Obama hält Netanjahu für einen modernen Scharlatan, der ihn beim Frieden im Nahen Osten hintergeht und die Interessen der USA nicht respektiert. Sei es der Friedensprozess oder Iran oder Gaza: es gibt tiefgreifende Differenzen, die eine enge Abstimmung sehr schwierig machen",
analysiert die LOS ANGELES TIMES.
THE GUARDIAN aus London blickt ganz allgemein auf das Krisenmanagement der Vereinten Nationen. Das Blatt bemerkt, der Sicherheitsrat reagiere deshalb oft nicht - Zitat:
"...weil er sich nicht einigen kann. Aber es gibt Wege, um diese Zwänge zu umgehen. Einer besteht darin, sich auf humanitäre Ziele zu konzentrieren, auch in Kriegsgebieten. Das kann gelegentlich auch ein Schritt dahin sein, die Kriegsparteien zu einer Einigung zu bringen. Mit Medizin und Babynahrung kann man auch ein bisschen Diplomatie einschmuggeln. Außerdem hat sich die UNO einen guten Namen darin gemacht, nach einem Krieg die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Die Menschen in Gaza wären ohne die UNRWA-Mission in noch größerer Not",
gibt der britische GUARDIAN zu bedenken.
DER STANDARD aus Wien versucht, die Konflikte und Kriege des Jahres gemeinsam zu bewerten.
"Seit diesem Sommer, in dem sich just der Erste Weltkrieg zum hundertsten Mal jährt, ist nichts mehr so, wie es scheint. Wer sind die Guten, wer die Bösen? Im arabischen Raum herrscht Chaos, vor Jahrzehnten gezogene Landesgrenzen werden nicht mehr akzeptiert, Russlands Präsident Wladimir Putin ist zu einem nicht mehr kalkulierbaren Faktor geworden.Aus dem scheinbaren Nichts tauchte eine Organisation wie der Islamische Staat auf, neben der die anderen Terrorgruppen vergleichsweise harmlos wirken. Bisherige Dogmen in der sogenannten Realpolitik gelten nicht mehr. Statt ans Ende der Geschichte scheinen wir ans Ende der Gewissheiten gelangt zu sein."
Das war DER STANDARD aus Österreich.