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Presseschau
"So lassen wir nicht mit uns umgehen"

Der oberste US-Geheimdienstler in Berlin wurde aufgefordert, das Land zu verlassen - die erste diplomatische Konsequenz aus der Späh-Affäre. Die deutschen Zeitungen kommentieren diesen Schritt positiv. Vom "Akt der Selbstachtung" ist die Rede, von einer "Denkpause" für die USA - und einem Vorwurf Merkels, der zuletzt gegenüber Putin geäußert wurde.

10.07.2014
    Tageszeitungen stecken in Frankfurt am Main an einem Zeitungsstand.
    Tageszeitungen stecken in Frankfurt am Main an einem Zeitungsstand. (Frank Rumpenhorst, dpa picture-alliance)
    Viele Stimmen hatten von der Bundesregierung eine deutliche Reaktion zu den Spionage-Aktivitäten der USA gefordert. Die kam heute: Der oberste US-Geheimdienstler in Berlin wurde aufgefordert, das Land zu verlassen.
    Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG seufzt:
    "Ein Machtwort von Kanzlerin Merkel, endlich. Die fortgesetzte Demütigung Deutschlands durch außer Kontrolle geratene US-Geheimdienste ließ sich nicht länger kleinreden. Kraftvergeudung nennt die Regierungschefin die Spitzelei der Amerikaner angesichts der echten Herausforderungen der Weltgemeinschaft. Wohl wahr. Wenn der Nahe Osten brennt, wirken die plumpen US-Schnüffeleien wie der Ausdruck einer Überheblichkeit, die an Besatzerzeiten erinnert."
    "Der Rauswurf ist auch ein Akt der Selbstachtung" - so sieht es die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg:
    "Die USA können nicht auf der einen Seite fordern, dass Deutschland mehr - auch militärische - Verantwortung in der Welt übernimmt, und gleichzeitig erwarten, dass es die Bloßstellung durch den wichtigsten Bündnispartner einfach so hinnimmt. So lassen wir nicht mit uns umgehen - diese Botschaft sollte nun in Washington angekommen sein."
    Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz sieht in der Entscheidung ein Zeichen für die Entfremdung zwischen Deutschland und den USA:
    "Das Verhältnis ist auf einen Tiefpunkt gesunken. Merkel ging sehr weit in ihrer Kritik: Die Kanzlerin ermahnte die USA, dass man nicht mehr im Kalten Krieg sei, in dem man sich misstraut habe. Einen solchen Vorwurf äußerte sie zuletzt gegenüber dem russischen Präsidenten Putin."
    Der BONNER GENERAL-ANZEIGER hat mehrere Ratschläge parat:
    "Partnerschaft auf Augenhöhe muss man auch praktizieren. Wenn dazu Klartext gehört, dann muss er gesprochen oder vermittelt werden. Die Ausweisung des Repräsentanten für die US-Geheimdienste in Deutschland gibt den USA Zeit für eine Denkpause. Sie sollten überlegen, was sie bei aller Größe und gefühlter Überlegenheit in der Partnerschaft mit Deutschland wirklich wollen."
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    Der WESER-KURIER aus Bremen befürchtet:
    "Wer seinem Gatten ohne Sprachkenntnisse in ein fremdes Land folgt, begibt sich in eine absolute Abhängigkeit. Die einfachsten Dinge wie der Einkauf werden zur Herausforderung. Sprache dient der Kommunikation, sprachlos zu sein bedeutet Ausgrenzung. Deshalb ist das Urteil weniger eine Chance als vielmehr eine Hürde für jene Türken, die nach Deutschland kommen wollen."
    "Eigentlich ist ein Sprachtest nicht verkehrt", schreibt auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder:
    "Denn mit den Grundkenntnissen, die sie in ihrem Ursprungsland erwerben müssen, ist ihr Start in der neuen Heimat leichter. Eigentlich. Denn die Erfolge halten sich sehr in Grenzen. Die Menschen harren ohne ihren Ehepartner im Ursprungsland aus, bis ihr Deutsch für den Test ausreicht. Diese Zeit hätten sie bereits nutzen können, um in Deutschland heimisch zu werden."
    Der MANNHEIMER MORGEN vermutet, dass der Test ohnehin nicht bei der Integration von Zuwanderern helfen sollte, sondern das Ziel hatte, sie möglichst einfach abzuwehren.
    "Diese Wirkung erreichte man dadurch, dass die Regelungen ohne Rücksicht auf Einzelfälle pauschal angewendet wurden. Konnte der Bewerber ein Sprachtest-Zertifikat vorlegen, durfte er kommen. Falls nicht, gab es keine Papiere."
    "Gut gemeint, aber schlecht gemacht" - ist dagegen das Fazit der NEUEN PRESSE aus Hannover.
    "Das heißt aber nicht, dass die Regierung nun ganz auf Deutschkenntnisse bei Zuwanderern verzichten soll. Verpflichtende Sprachkurse in Deutschland wären eine Lösung."