Dem Mann scheinen Zentnerlasten von den Schultern gefallen zu sein. Am Tag seines spektakulären Outings strahlt Krzysztof Charamsa über das ganze Gesicht.
"Ich kann jetzt friedlichen Herzens sagen: Ich bin ein glücklicher Priester, der stolz darauf stolz ist, homosexuell zu sein."
Doch der 43-Jährige muss seinen Priesterberuf vermutlich an den Nagel hängen. Mit dem öffentlichen Bekenntnis zu seinem Partner Edoardo bei einer Pressekonferenz in einem römischen Restaurant hat er das Zölibatsversprechen gebrochen, das er bei seiner Priesterweihe vor 18 Jahren gegeben hatte.
"Es gibt in der Vergangenheit Fälle, die ähnlich waren oder zumindest Parallelen zu lassen. Ich kann erraten, wie sich die Kirche verhalten wird. Doch heute denke ich nur daran, dass ich im Einklang bin mit dem, was meiner Meinung nach der Wille Gottes für mein Leben ist."
Charamsa hat in seiner Heimat Polen Theologie und Philosophie studiert und sich später dann in Lugano in der Schweiz spezialisiert. Er ist ein fleißiger Wissenschaftler. Zahlreiche Veröffentlichungen stammen aus seiner Feder, über die Theologie von Joseph Ratzinger oder über Maria als Vorbild des Glaubens. Der Theologe Charamsa ist keiner, der die katholische Lehre vom Kopf auf die Füße stellt. Ein Karrieretheologe könnte man sagen, der trotz seiner vergleichsweise jungen Jahre wichtige Ämter bekleidet. Professor an zwei päpstlichen Hochschulen, Experte an der Glaubenskongregation, Sekretär der internationalen Theologenkommission des Vatikan. All diese Ämter hat er nach seinem Comingout verloren. Und auch damit hat er gerechnet und sich schon auf das "Danach" vorbereitet:
"Es ist ein schwieriger, langer Weg, auf dem man aber die Hoffnung nicht verlieren darf. Ich kann diesen Weg nicht in ein Wort fassen, ich werde ihn in meinem Buch erzählen, das ich hoffentlich sobald wie möglich auf Italienisch veröffentlichen kann. Denn die Presse wartet."
Charamsa hat sich bewusst das vergangene Wochenende für sein Outing ausgesucht. Einen Tag vor der Eröffnung der Synode stellte er gleich mehrere Prinzipien der Kirche demonstrativ in Frage: Dass katholische Priester ehelos und keusch leben müssen und dass homosexuelle Partnerschaften nicht den Segen der Kirche bekommen. Das ist zu viel auf einmal für eine Organisation, die gerade dabei ist, ihr Familienbild zu reformieren. Entsprechend verschnupft reagieren die Bischöfe. Er empfinde mehr Schmerz als Überraschung, sagt ein Kardinal. Ein anderer ist überzeugt: Das Outing von Charamsa verwirrt die Gemüter und schadet dem Anliegen der Homosexuellen. Für Charamsa dürften Äußerungen wie diese nur ein weiterer Beleg dafür sein, dass die katholische Kirche ein Homophobie-Problem hat:
"Das ist keine Provokation, ich bin kein Provokateur, kein Revolutionär. Ich bin eine einfache Person, die verlangt, verstanden zu werden. Und in einem gewissen Sinne tue ich das auch aus Gewissensgründen im Namen der anderen."
Im Vatikan hätte man gewarnt sein können: Als im September die Katalanen über ihr Regionalparlament und damit über ihre Unabhängigkeit abstimmten, gab der extrem sprachbegabte Monsignore Charamsa ein Interview in Radio Catalunya. Tenor: Aus Sicht der Kirche spreche überhaupt nichts gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Und das mit der Selbstbestimmung gelte übrigens auch für die Homosexuellen. Darüber müsse die Kirche in Zukunft mal nachdenken. Krzysztof Charamsa hat ihr dafür einen weiteren Anlass geboten.