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Priesterausbildung in Nigeria
Politisch sein, ohne Politik zu machen

Einmal selbst hinter dem Altar stehen und die heilige Messe feiern. Das ist in Nigeria der Wunsch zahlreicher junger Männer, die Priester werden wollen. Doch nicht nur das ist vielen Anwärtern wichtig: Sie wollen auch soziale Missstände wie Korruption und Armut in ihrem Heimatland anprangern.

Von Katrin Gänsler |
    Die Sonntagsmesse im Bigard Memorial Seminary ist gut besucht. (Bild: Katrin Gänsler)
    Die Sonntagsmesse im Priesterseminar ist gut besucht (Katrin Gänsler )
    Die katholische Kirche, die das Zentrum des Bigard Memorial Seminary bildet, ist bis auf wenige Plätze voll besetzt. Auf den schlichten Holzbänken sitzen mehr als 400 junge Männer, die den zweistündigen Sonntagsgottesdienst genau verfolgen. Alle singen mit. Viele machen sich Notizen. Einmal selbst hinter dem Altar zu stehen und die Messe zu feiern, das ist das Ziel der Priesteranwärter. Bigard, wie das Seminar von allen nur genannt wird, ist dafür der bekannteste und älteste Ort in ganz Nigeria. Eröffnet wurde es 1924. Hier in Enugu einen Studienplatz zu bekommen, das war für Anwuchie Augustine Ikenna etwas ganz Besonderes.
    Anwuchie Augustine Ikenna lächelt in die Kamera. (Bild: Katrin Gänsler)
    Anwuchie Augustine Ikenna sagt: "Die einzige, die mich voll unterstützt hat, war meine Mutter" (Katrin Gänsler )
    "Ich war sehr überwältigt", erinnert sich der hochgewachsene 32-jährige Mann nach dem Gottesdienst und lächelt. Nach zwölfjährigem Studium steckt er mitten in den Abschlussprüfungen und wird - wenn alles gut läuft - Ende des Jahres zum Priester geweiht. Der Weg dorthin war jedoch nicht einfach. Nigerianer beschreiben sich zwar gerne als religiös und Gespräche über Religion und Glauben gehören zum Alltag. Dennoch brauchte es lange, bis Ikenna seine Eltern und acht Geschwister überzeugen konnte:
    "Einige wollten, dass ich an der Universität studiere. Ein paar meiner Schwestern sagten: Priester willst du werden? Mach' lieber etwas Sinnvolles. Vielleicht wirst du Arzt. Die einzige, die mich voll unterstützt hat, war meine Mutter."
    "Die Igbos sind sehr religiös"
    Dabei ist die katholische Kirche vor allem im Südosten Nigerias stark vertreten. Mit der britischen Kolonialherrschaft kamen irische Missionare in die Region und bauten zahlreiche Schulen. Bei den Igbos, der größten ethnischen Gruppe in der Region, fand das Anklang. Deswegen ist es bis heute kein Problem, Anwärter für das Priesteramt zu finden, sagt Obiora Ike. Der Leiter des weltweiten Netzwerks Globethics mit Sitz in Genf hat selbst in Bigard studiert und später in Bonn seine Doktorarbeit geschrieben:
    "Die Igbos sind sehr religiös. Sie sind bereit, Opfer zu bringen. Sie sind sogar bereit, katholische Priester zu werden. Dafür verzichten sie auf Luxus und Freuden und bringen stattdessen die frohe Botschaft."
    Obiora Ike strahlt zuversichtlich (Bild: Katrin Gänsler)
    Obiora Ike hat in Bonn promoviert (Katrin Gänsler )
    Das möchte auch der zukünftige Priester Anwuchie Augustine Ikenna machen und will sich nicht nur theoretisch mit dem Glauben befassen. Eins hält er dabei für besonders wichtig: Er will Missstände wie Korruption, Armut und große Ungerechtigkeit anprangern.
    "All das ist in Nigeria sehr stark verbreitet. Menschen werden ausgebeutet. Einfache Leute haben keine Chance auf Gerechtigkeit. Der einzige, der für ihre Rechte eintreten kann, ist ein Priester. Er hat selbst keine weiteren Interessen. Er fühlt sich nur der Wahrheit verpflichtet."
    "Ein Priester braucht eine politische Meinung"
    Für die werdenden Priester ist es deshalb wichtig, nicht im eigenen Saft zu schmoren. Albert Okey Ikpenwa leitet das Priesterseminar:
    "Wir bringen unsere Studenten mit Menschen zusammen, die was zu sagen haben. Auch mit politischen Schwergewichten, wie wir das in Nigeria nennen."
    Die Verflechtungen zwischen Religion und Staat sind in Nigeria schließlich eng - und häufig undurchsichtig. Anwuchie Augustine Ikenna hat sich deshalb vorgenommen, auch in Zukunft kritisch zu bleiben:
    "In Nigeria sehen wir, wie sich Politiker als religiös präsentieren. Sie sitzen gern in der ersten Reihe in der Kirche. Sie spenden Millionen, um neue Kirchen bauen zu lassen. Hinter der Kirche bringen sie ihre politischen Gegner um. Deshalb braucht ein Priester eine politische Meinung."