Wolfshagen in der Prignitz, es ist 7.15 Uhr. Nicolas Bublies hat gerade seinen vierjährigen Sohn Bela in die Kita gebracht und startet den schwarzen Kleinwagen. Nun fährt der 34jährige Nicolas Bublies zu seiner Arbeitsstelle nach Hennigsdorf bei Berlin: 130 Kilometer liegen vor ihm.
"Von Tür zu Tür sind das ungefähr zwei Stunden. Also vier Stunden bin ich am Tag unterwegs. Ganz schön viel Zeit. Aber man weiß die dann auch zu nutzen."
Nicolas Bublies ist Marketing-Manager. Sein Auto ist schon in die Jahre gekommen. Aber für die fünf Kilometer bis zum nächsten Bahnhof reicht es noch. In Groß Pankow steigt Nicolas Bublies in den Zug.
Es ist kein ICE, sondern nur der Prignitz-Express, der RE 6. Zum Glück, sagt Nicolas Bublies.
"Na der große Vorteil, dass es kein ICE ist, dass ich zum Beispiel kein WLAN habe. Das bedeutet, ich kann mich voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren. Ich arbeite offline, das ist sehr schön, weil ich da nicht abgelenkt werde. Und kann mich sehr gut auf die Arbeit vorbereiten."
Weiße Flecken ohne Mobilfunk-Empfang
Offline und konzentriert arbeiten. Für Nicolas Bublies während der Zugfahrt ein Vorteil. Ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt, im Rathaus von Groß Pankow, sieht man das ganz anders.
"Gemeinde Groß Pankow, Radloff, guten Tag"
Was Bürgermeister Marco Radloff oft zu hören bekommt: Klagen von Bürgern – weil sie immer offline sind. Etwa die Hälfte der 39 Orte in der Gemeinde Groß Pankow zählen zu den weißen Flecken ohne Mobilfunk-Empfang.
"Das ist definitiv ein Standortnachteil. Zudem kommt die derzeit noch mangelnde Breitbandversorgung. Also für Unternehmen – ein Standortnachteil und für Bürger einfach ein Nachteil in der Daseinsvorsorge."
In Wolfshagen, wo Nicolas Bublies noch in einem zweistöckigen Mietshaus wohnt, gibt es zwar auch kaum Mobilfunk-Empfang, dafür aber schnelles Internet. So kann Nicolas Bublies auch mal einen Tag in der Woche von zu Hause aus arbeiten. Trotzdem kommt er jede Woche locker auf 1000 Kilometer, die er unterwegs ist, vier Stunden Fahrzeit. 2.000 Euro kostet die Jahreskarte für die Bahn. Pendeln ist anstrengend. Aber Niclas Bublies nimmt es in Kauf, denn einen vergleichbaren ebenso gut bezahlten Job in der Prignitz zu finden, das wäre sehr schwer.
"Das Geld muss natürlich auch stimmen. Ich habe eine Familie, die ich unterstützen möchte. Man will irgendwann mal ein eigenes Haus - das sind halt so Pläne, die man in meinem Alter hat und da muss man gucken, dass man beruflich auf festen Beinen steht."
Viele wollen eigentlich zurückkehren
Während die einen noch pendeln, haben viele andere, die einst in der Prignitz lebten, längst woanders ihren Mittelpunkt gefunden. Obwohl sie beteuern, dass sie eigentlich gern wiederkommen würden. Zurück bleiben die Älteren – wie Thomas Brandt, der frühere Bürgermeister von Groß Pankow. 54 Jahre alt, seit über 40 Jahren lebt er in der Prignitz.
"Meiner Tochter geht es genau so. Die hat eine gute Hochschulausbildung absolviert und ist momentan in Hamburg. Ich weiß aber, dass sie und auch Leute aus ihrem Freundeskreis gern zurückkommen würden, in ihre Heimatdörfer, wenn hier die adäquaten Verdienstmöglichkeiten vorhanden wären."
Bis Hennigsdorf braucht der Prignitz – Express anderthalb Stunden. Eine recht komfortable Verbindung. Und das Wichtigste: es gibt sie noch. Eine andere Bahnlinie sollte schon eingestellt werden – die Linie Neustadt-Dosse - Kyritz – Pritzwalk. Denn wenn der Region die Menschen abhandenkommen, fehlt es irgendwann an Fahrgästen. Lautstarke Bürgerproteste führten schließlich zu einem Kompromiss bei der Finanzierung – mit Kommunen, Verkehrsverbund und dem Land Brandenburg, berichtet die Kyritzer Bürgermeisterin Nora Görke.
"Sodass die Strecke für die jetzt kommenden zehn Jahre gesichert ist. Und ich sehe, dass viele diesen Zug zunehmend benutzen. Die meisten fahren eben von Kyritz nach Berlin zur Arbeit."
Dennoch: der Kampf um die Bahnlinie hat die Region verunsichert.
"Und ist das erst mal in der Welt, ist es schwierig, das vergessen zu machen und zu sagen, na die Bahn fährt doch."
Zwanzig vor neun ist Nicolas Bublies am Abend wieder zu Hause in Wolfshagen. Söhnchen Bela ist längst im Bett, der Abend fast gelaufen.
Nicolas Frau Saskia, die in der Kreisstadt Perleberg als Apothekerin arbeitet, wünscht sich für die Familie und ihren Mann vor allem eines:
"Dass er irgendwann hoffentlich hier einen Job in der Prignitz hat, das hoffe ich für ihn."