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Kommentar: Prigoschins Drohung
Wagner-Chef will Verantwortung abwälzen

Der Chef der Wagner-Söldner hat dem Kreml wegen mangelnder Munition mit Rückzug aus Bachmut gedroht. Prigoschins Wutrede dürfe man nicht für bare Münze nehmen, kommentiert Florian Kellermann. Er wolle als Sieger aus dem Krieg hervorgehen.

Ein Kommentar von Florian Kellermann | 05.05.2023
Ein Mann in Armeekleidung mit einem wutentbrannten Gesicht und kahlem Kopf gestikuliert wild.
Die Auftritte von Jewgenij Prigoschin, Chef der Wagner-Söldner, zeigten: Die russischen Streitkräfte stecken in großen Schwierigkeiten, kommentiert Florian Kellermann. (AFP / HANDOUT)
Die wiederholten Auftritte von Jewgenij Prigoschin zeigen: Die russischen Streitkräfte stecken in großen Schwierigkeiten. Das sieht man vor allem am jüngsten Video des Chefs der russischen Wagner-Gruppe. Mit einer dramatischen Geste zeigt Prigoschin auf am Boden liegende Leichen – angeblich Gefallene seiner Söldner-Armee. 

Wutrede darf man nicht für bare Münze nehmen

Er beschimpft den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und den Chef des Generalstabs Walerij Gerasimow, er schimpft und flucht und verlangt mehr Munition. Wenn er ausreichend Munition hätte, würden bei Weitem nicht so viele seiner Soldaten sterben, so Prigoschin. Und er droht: Das Verteidigungsministerium müsse seine Truppe besser versorgen, sonst zieht er bis zum 10. Mai aus der umkämpften Stadt Bachmut ab.
Die Einzelheiten aus dieser Wutrede darf man nicht für bare Münze nehmen. Prigoschin wird der ukrainischen Armeeführung kaum öffentlich mitteilen, wann er sich aus Bachmut zurückzieht. Sehr wahrscheinlich wird die Wagner-Gruppe ihre Positionen gar nicht eigenmächtig aufgeben. Denn das würde der russische Präsident Wladimir Putin zweifellos als Verrat auslegen und Prigoschin niemals verzeihen.

Prigoschin will als Sieger aus diesem Krieg hervorgehen

Was allerdings klar aus diesem jüngsten Video spricht: Der Versuch, die Verantwortung dafür, dass die russischen Streitkräfte so wenig Erfolg haben, auf andere abzuwälzen. Das gilt womöglich auch schon vorausschauend für die ukrainische Gegenoffensive, die offenbar gerade anläuft. Russland stehe am Rand einer Katastrophe, warnte Prigoschin schon vor einigen Tagen mit Blick auf die ukrainischen Vorbereitungen.
Egal, wie die ukrainische Gegenoffensive verläuft: Prigoschin will als Sieger aus diesem Krieg hervorgehen. Er hat viele Anhänger gewonnen, vor allem in nationalistischen Kreisen, durch seine – wenn auch kleinen – militärischen Erfolge im Donezbecken. Dass er dafür Abertausende Menschen in den Tod geschickt hat, dass er massenhaft Kriegsverbrechen begehen lässt, stört diese Kreise nicht.

Popularität in politisches Gewicht ummünzen

Seine Popularität will Prigoschin in politisches Gewicht ummünzen und eine ultrarechte Anti-Establishment-Partei schaffen. Eine Partei, die die russische Gesellschaft auf Militarismus und Nationalismus einschwört, auf Jahre hinaus.
Das kann Prigoschin nur gelingen, wenn Präsident Putin auch zukünftig seine schützende Hand über ihn hält. Putin könnte an so einer besonders radikalen politischen Kraft durchaus Interesse haben, wenn er seinen Kurs von einem autoritären Staat hin zu einer Diktatur weiter fortsetzen will.