Menschenmassen drängeln mit rollenden Einkaufskörben durch die Gänge scheinbar wahllos horten sie Kleidung. Es ist kurz nach 10 Uhr am Samstagmorgen vor Primark am Alexanderplatz in Berlin. Katharina ist gerade fertig mit ihrem Einkauf. Eigentlich wollte die Geografiestudentin nur Socken und Unterwäsche kaufen - jetzt ist es doch ein bisschen mehr geworden. "Wenn man dann sieht, die Tasche, die ist total toll - ich glaube meine hat jetzt fünf Euro gekostet, dann denkt man sich, das ist noch in Ordnung für den Geldbeutel am Ende des Monats."
In Ordnung für den eigenen Geldbeutel - aber bei dem Preis möglicherweise nicht für die Näherin in Asien, die die Tasche hergestellt hat. Zwar findet Katharina Nachhaltigkeit wichtig, ihr kleines Budget und der Wunsch nach modischen Klamotten wiegen an diesem Samstagmorgen aber mehr. Außerdem hat sie das Gefühl, bei anderen Geschäften im Niedrigpreissegment - etwa bei H&M oder Zara - sehe es mit der Qualität und den Produktionsbedingungen auch nicht viel besser aus. "Deswegen kaufe ich auch nicht so viele Klamotten ein, also die Sachen habe ich dann auch wirklich ein, zwei, drei Jahre."
Es geht um das "Viel für das Geld bekommen"
Katharina ist nicht allein mit ihrem Zwiespalt. Vielen ihrer Altersgenossen geht es ähnlich. Natalie Wäsch, Absolventin der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, hat in ihrer Masterarbeit das Einkaufsverhalten von 170 Primark-Kunden analysiert. Mit dem Ergebnis: Mehr als ein Drittel der Befragten waren Schüler oder Studenten, über 65 Prozent hatten sich schon einmal damit beschäftigt, unter welchen Arbeitsbedingungen ihre Kleidung hergestellt wird. Allerdings gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie sich "nicht davon beeinflussen lassen und obwohl relativ günstige Kleidung gekauft wird, haben die meisten ein ziemlich großes Shopping-Budget, also einfach dieses ‚viel fürs Geld bekommen'."
78 Euro im Monat - so viel gaben die Befragten im Durchschnitt fürs Shoppen aus. Den Verbrauchern - durchschnittlich 22 Jahre alt und zu knapp 90 Prozent weiblich - geht es also nicht in erster Linie darum, wenig auszugeben, sondern vor allem viel für ihr Geld zu erhalten. Und diesen Kundenwunsch bedienen Fast-Fashion Stores - mit immer neuen Kollektionen und oder genannten Youtube-Hauls, Videos, in denen trendig gekleidete Mädchen die "Beute" ihrer Streifzüge präsentieren.
"Es sah leider zu gut aus"
Trotz negativer Berichterstattung gelinge es den Unternehmen daher stetig Gewinne zu erwirtschaften, sagt Richard Pibernik, Professor für Logistik und Quantitative Methoden in Würzburg.
"Die Arbeitsbedingungen einer Näherin in Bangladesch, das ist so abstrakt beim Kleidungskauf, die Leute schaffen, das einfach zu verdrängen. Und in dieser abstrakten Welt spielen auch die ganzen Medienberichte und Aktivitäten, die es da gibt. Und die Unternehmen bedienen das auch ganz clever, indem sie grad so das Nötigste tun, um die Kunden in Sicherheit zu wiegen."
Primark beispielsweise verweist auf seinen Verhaltenskodex und unterschrieb 2014 das Greenpeace-Detox-Committment für giftfreie Mode. Diese minimale Sicherheit aber spielt bei der Kauf-Entscheidung anscheinend keine große Rolle, so Natalie Wäsch: Bestehe ein nur geringes Risiko auf negative Konsequenzen, gebe es keinen Grund, das Verhalten zu ändern - weder für die Konsumenten, noch für die Unternehmen. So wie bei Lena aus Rostock. Die 17-jährige Schülerin ist mit ihren Klassenkameraden unterwegs. Für 34 Euro hat sie "eine Tasche gekauft und eine Strickjacke und einen Parka. Ich bin mir echt nicht sicher, ob ich das so cool finde, dass ich bei Primark einkaufen war - wegen der Arbeitsbedingungen und so. Dann sah es aber leider zu gut aus und ich habe einen zu schwachen Willen."