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Primetime für die Klimakrise
Aktivisten fordern neues Format vor der „Tagesschau“

„Klima vor acht" statt "Börse vor acht": Das fordert eine Initiative. Sie will die Klimakrise in die beste Sendezeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bringen und hat dafür via Crowdfunding bereits 20.000 Euro gesammelt.

Von Annika Schneider |
5.06.2020, Hamburg: Eine Aktivistin der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion (XR) steht während eines Protests mit einer Flagge vor dem Eingang zum Norddeutschen Rundfunk (NDR), an dessen Mauer ein Banner mit der Aufschrift «Klimakrise in die Medien! Zeigt das Ausmaß der ökologischen Krise» hängt. Mit einer Blockade vor der Einfahrt zum NDR-Gelände in Hamburg-Lokstedt haben die Umweltaktivisten den Sender aufgefordert, in seiner Berichterstattung den Begriff Klimawandel durch Klimakrise zu ersetzen. Foto: Christian Charisius/dpa
Die Umweltschutzbewegung "Extinction Rebellion" demonstriert vor dem NDR. (picture alliance/Christian Charisius/dpa)
Bei vielen gehört der Gong der "Tagesschau" noch immer zum Abendprogramm. Knapp fünf Millionen Menschen sahen diese Woche die "Tagesschau" im Ersten. Viele schalten ein paar Minuten früher ein. Und genau auf diesen prominenten Sendeplatz hat es die Initiative "Klima vor acht" abgesehen: Direkt vor den Hauptnachrichten will sie ein tägliches Info-Format zur Klimakrise einführen. Norman Schumann ist einer der Initiatoren des Projekts:
"Wir sind der Meinung, dass die Klimakrise alle Menschen interessieren sollte, und alle Menschen sollten darüber informiert werden. Also das Klima sollte in die Primetime kommen und sollte Teil der Primetime werden. Damit auch viele Menschen verstehen, was diese Klimakrise überhaupt ist, weil das ist so ein riesiges, komplexes Thema. Und es ist, glaube ich, auch viel Halbwissen im Umlauf."
Crowdfunding-Ziel in wenigen Stunden erreicht
Die Idee ist nicht neu. Erst im Juni besetzte die Klimaschutzgruppe Extinction Rebellion eine Zufahrt zum NDR, um mehr mediale Aufmerksamkeit für ihre Themen zu fordern. Nun wird es konkret: Bei einem Crowdfunding für "Klima vor acht" kamen in dreieinhalb Stunden 20.000 Euro zusammen.
"Das zeigt natürlich eindeutig, dass dieses Thema absolut relevant ist. Wir haben da offenkundig einen Nerv getroffen. Und diese Leute möchten diese veränderte Berichterstattung. Möchten, dass diese Themen wie Klima und Umwelt tatsächlich auch eine zentrale Position bei den Rundfunkanstalten bekommen," sagt Schumann.
Medienethiker über Klimaberichterstattung
In der Berichterstattung über Klimawandel würden oft individuelle Lösungen in den Vordergrund gestellt, sagte der Medienethiker Alexander Filipovic im Dlf. Einordnende Informationen gebe es zwar – diese würden aber selten prominent platziert.
ARD-Redakteur: Schon jetzt "sehr viel Klimaberichterstattung"
Mit dem Geld sollen nun sechs Pilotfolgen produziert werden: kurze Episoden von drei bis fünf Minuten, die über die Klimakrise informieren – und das lösungsorientiert. Die Produktion soll so hochwertig sein, dass sie in der ARD laufen könnte. Ob das klappt? Darüber entscheidet unter anderem Christoph Schmidt, geschäftsführender Redakteur für das ARD-Vorabendprogramm.
"Wenn Sie mich jetzt privat fragen, finde ich natürlich den Einsatz für Klimaschutz immer sinnvoll und richtig. Beruflich versteh ich aber den Ansatz der Kolleginnen und Kollegen nicht so ganz, weil wir schon sehr, sehr viel Klimaberichterstattung in unserer Viertelstunde vor acht haben."
Kein unabhängiger Journalismus
Auf den Programmplätzen direkt vor der "Tagesschau" laufen aktuell die Sendungen "Börse vor acht", "Wissen vor acht" und "Wetter vor acht" – und in allen dreien sei der Klimaschutz elementarer Bestandteil, sagt Christoph Schmidt. Er sei für Gespräche immer offen, findet aber auch:
"Auch wenn Klimaschutz vielleicht ein hehres und richtiges Ziel ist: Es ist trotzdem erstmal eine parteiische Interessengruppe, und wenn jede Interessengruppe sagt: 'Ich mache mal meinen Piloten und mache meinen Beitrag so, wie ich ihn mache', und wir räumen dann Sendeplätze dafür frei, damit habe ich als unabhängiger Journalist ein großes Problem."
Expertin sieht "großes Problembewusstsein"
Der Initiative "Klima vor acht" geht es auch nicht darum, dass Programm zu kapern. Die Ehrenamtlichen fordern grundsätzlich mehr mediale Aufmerksamkeit für die Klimakrise – vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wer sich durch die Mediatheken von ARD und ZDF klickt, findet schon jetzt viele Klimaschutz-Themen, von Service-Beiträgen über investigative Dokus bis hin zu Talkshows. Auch Hannah Schmid-Petri, Professorin für Wissenschaftskommunikation in Passau, sieht kein Defizit bei der Klimaberichterstattung.
"Also ich glaube schon, dass wir da in Deutschland schon relativ weit sind, dass es auch in der Bevölkerung ein wirklich sehr großes Problembewusstsein für den Klimawandel gibt, dass eigentlich große Teile der Bevölkerung sehr gut informiert sind. Was halt eben noch nicht heißt, dass dann auch alle ihr Verhalten ändern oder dass dann auch vielleicht auf politischer Ebene so viel passiert."
Eine Frau tippt mit dem Finger an einen Globus der sich dreht
Korrespondenten berichten über: Klimawandel
In Paris, Tel Aviv oder Nairobi zeigt sich der Klimawandel auf ganz unterschiedliche Weise. Unsere Korrespondenten berichten darüber, welche Rolle das Thema in der öffentlichen Debatte vor Ort einnimmt und wie darüber gesprochen wird.
Konstruktiver berichten
Gerade deswegen begrüßt die Expertin die Initiative "Klima vor acht". Denn bisher habe der Fokus der Berichterstattung vor allem auf den negativen Folgen des Klimawandels gelegen – was dem Einzelnen wiederum das Gefühl gebe, nichts bewirken zu können.
"Man muss auch sagen, dass das ein Thema ist, wie viele Wissenschaftsthemen, was natürlich auch sehr schwierig zu vermitteln ist. Und ich glaube, da zielt die Initiative wirklich in eine sehr gute Richtung, weil ja ihr Anliegen auch ist, wirklich konkrete Lösungsansätze oder mögliche Antworten eben darzustellen. Und ich glaube, das ist ein sehr gutes Anliegen, weil das eben idealerweise dazu führt, dass wir eben erkennen oder mehr Leute erkennen, wie der Klimawandel wirklich mit unserem Alltag zusammenhängt und was wir eben auch ganz konkret dagegen unternehmen können."