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Primum mobile

Kosmologie. – Das Mittelalter mit seinem Dichterfürsten Dante Alighieri liegt uns ziemlich fern. Dennoch gibt es offenbar mehr Berührungspunkte mit der "Göttlichen Komödie" als wir glauben. Der Astronom Bruno Binggeli zeigt sie uns in seinem neuesten Buch, einer kurzweiligen Mischung aus moderner und mittelalterlicher Kosmologie.

Von Dagmar Röhrlich | 04.03.2007
    Der Basler Astronom Bruno Binggeli wartet darauf, dass eine Photoplatte entwickelt wird. Er ist auf der Suche nach einer Supernova am südlichen Sternenhimmel. Weil es dauert, ehe das Bild fertig ist, beginnt er im Lesesaal der Südsternwarte in Chile über Dante Alighieri nachzudenken, über die Göttliche Komödie. Daraus entwickelt Binggeli ein faszinierendes, ungewöhnliches Buch auf, das eine Brücke schlägt zwischen der modernen Kosmologie und dem mittelalterlichen Weltbild Dantes.

    Die These Binggelis ist nun eigentlich atemberaubend: Er zeigt Ähnlichkeiten im Denken zwischen dem mittelalterlichen Weltbild eines Dante Alighieri und dem Big Bang der neuesten Kosmologie auf. Das aktuelle Urknall-Weltbild ließe sich besser mit mittelalterlichen Vorstellungen vergleichen als mit dem unendlichen Weltall der Neuzeit nach Giordano Bruno bis ins neunzehnte Jahrhundert. So legen beide, Dante und die moderne Astrophysik, letzte Schalen um den Kosmos. Im Mittelalter war es das Primum Mobile, das die Welt in Gang hält. In der modernen Kosmologie liegt dieser Horizont fünfzehn Milliarden Lichtjahre entfernt, und es ist der Moment, als nach dem Big Bang das Universum zum ersten Mal durchsichtig wurde.

    Wir leben in einer endlichen Weltblase, schreibt Binggeli, und dies verbinde die Astrophysik mit dem Weltbild der Scholastiker. Dieses Buch ist eine wunderbare Mischung von Literatur, Philosophie, Geschichte und Kosmologie, alles sehr griffig und mit leichter Hand erklärt. Es ist ein Astronomiebuch der etwas anderen Art, eine Teestunde, in der sich Dante und Big Bang begegnen. Absolut lesenswert.

    Bruno Binggeli: Primum mobile. Dantes Jenseitsreise und die moderne Kosmologie
    ISBN: 978-3-250-10502-2
    Ammann Verlag, 528 Seiten, 29,90 Euro