Christoph Schmitz: Elegante und innovative Arbeiten habe er geschaffen, unkonventionelle Materialien kreativ verwendet, und das alles auf eine so besondere Art und Weise, dass er dafür jetzt mit dem weltweit bekannten und begehrten Pritzker-Architekturpreis ausgezeichnet wurde. Die Rede ist vom japanischen Architekten Shigeru Ban.
Das Centre Pompidou in Metz hat Shigeru Ban entworfen, den Japanischen Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover, die katholische Kirche Takatori in Kobe und den Sitz des Schweizer Uhrenkonzerns Swatch in Tokio, um nur einige wenige Arbeiten zu nennen.
Shigeru Ban ist nebenbei auch Professor für Kunst und Design in Kyoto und Ehrendoktor der TU München. Im Juni soll ihm der mit 100.000 Dollar dotierte amerikanische Pritzker-Preis überreicht werden.
Wie würden Sie die künstlerische Handschrift von Shigeru Ban beschreiben? Das habe ich den Architekturpublizisten Ulf Meyer gefragt.
Ulf Meyer: Shigeru Ban ist außerhalb Japans speziell für die Verwendung von Papier und Pappe bekannt. Aber es ist tatsächlich so, dass er zwei Handschriften hat, wenn man das so benennen will. Viele seiner Werke verwenden keine Papier- und Pappkonstruktionen, sondern speziell in Japan baut er auch sehr viel mit Stahl, meist weiße Gebäude, die also nicht dieses typische Bild, was wir vielleicht von Ban'scher Architektur haben, widerspiegelt.
Schmitz: Welche Formen haben diese Gebäude?
Meyer: Mit der Verwendung von Pappröhren, für die Shigeru Ban besonders bekannt geworden ist, geht eine bestimmte architektonische Ausdrucksweise einher, eine gewisse Tektonik. Oft verwendet Shigeru Ban diese Hallen in Domen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Japanische Pavillon auf der Weltausstellung in Hannover im Jahr 2000 gewesen. Manche Hörer können sich vielleicht noch an dieses besondere Gebäude erinnern, das komplett aus Pappröhren gebaut wurde und die Form einer langgestreckten Kuppel hatte.
Schmitz: Sie haben die Pappe als besonderes Material schon angesprochen. Das Papier, das hebt auch die Pritzker-Preisjury hervor. Welche Materialien verwendet er außerdem, oder ist die Pappe sozusagen sein Markenzeichen?
Meyer: Nicht zwingend. Viele Gebäude in Japan, meist kleinere Gebäude, Wohnhäuser, oder auch ein Studio für einen Fotografen oder eine Zahnarztpraxis, kommen ohne die Verwendung von Papier und Pappe aus. Das sind meist Stahlgebäude mit Stahlskelettbauten, die mit verschiedenen Materialien ausgefacht werden können.
Ein besonderes Markenzeichen dieser Gebäudegattung, dieses Teils seines Oeuvres ist es, dass er auch sehr gerne Pflanzen in der Architektur verwendet, sogenannte Green Walls. Ein gutes Beispiel dafür ist das sogenannte Nicolas Hayek Center, in Tokios Einkaufszentrum, der sogenannten Ginza gelegen, und da kann man so eine lebende grüne Vegetationswand erleben. Tatsächlich ist das Gebäude so geplant, dass man in Glasfahrstühlen an dieser grünen Wand entlanggleiten kann.
Schmitz: Wie ist das eigentlich mit der Pappe? Hält die denn der Witterung stand?
Meyer: Nicht ohne Tricks, und da ist vielleicht Shigeru Ban der Architekt unserer Zeit, der dieses Material nicht nur wiederentdeckt hat. Sie wissen sicher, es gibt in Japan diese Tradition der sogenannten Shoji-Wand, also der Reispapier-Wand. Darauf rekurriert seine Architektur. Aber solche Pappröhren sind nicht ohne Weiteres in der zeitgenössischen Architektur, wo wir höhere Anforderungen an thermischen Komfort zum Beispiel haben, zu verwenden. Deswegen hat Shigeru Ban in verschiedenen Testserien die Belastbarkeit des Materials geprüft und verbessert und natürlich auch die Widerstandsfähigkeit gegen zum Beispiel eindringende Feuchtigkeit durch verschiedene Lackierungen und Behandlungen.
Schmitz: Interessant ist ja auch, dass Shigeru Ban sich besonders für Menschen in Katastrophengebieten einsetzt, Opfern von Naturkatastrophen, von Erdbeben, und Konzepte für sichere Häuser in Erdbebengebieten entwickelt und gebaut hat. Was hat es damit auf sich?
Meyer: Tatsächlich ist es so, dass eines der ersten bekannten Werke, mit dem Shigeru Ban auch weltbekannt wurde, eine kleine Kirche ist, in der Hafenstadt Kobe in Japan gelegen, mit einem ovalen Grundriss und ganz aus großen Pappröhren bestehend. Da hat er zum ersten Mal ausprobiert und vorgemacht, nicht nur wie das technisch funktioniert, sondern auch welche umwerfende elegante ästhetische Wirkung er damit erzielen kann.
Schmitz: Ein Gebäude, das aber auch erdbebensicher ist. Darum ging es.
Meyer: Die Lebensdauer dieser Gebäude ist unbestimmt. Er sagt immer in seinem eigenen Scharm, der Nutzer selbst solle bestimmen, wie lange die Gebäude stehen. Sie sind vielleicht in manchen Fällen nur auf einige Jahre hin konzipiert worden. Ich denke jetzt auch an die Gebäude, die er in Italien, in der Türkei und in anderen Teilen der Welt, die auch von Naturkatastrophen oder Bürgerkriegen heimgesucht wurden, gebaut hat. Und er sagt, wenn Ihnen das Gebäude gefällt, dann können Sie es ja noch länger behalten, und tatsächlich ist es so, dass die Gebäude oft länger stehen, als vielleicht ursprünglich geplant oder als unbedingt nötig, weil die örtlichen Nutzer die Architektur schätzen lernen.
Schmitz: Herr Meyer, war Shigeru Ban eine gute Wahl für den Pritzker-Preis, oder warten Sie auf die Prämierung eines anderen Architekten, die längst die Ehrung verdient hätte?
Meyer: Shigeru Ban ist sicher eine gute Wahl gewesen, sicher ein weltweit von den Kollegen und auch von der Öffentlichkeit sehr geschätzter Architekt, der Innovation in der Architektur möglich gemacht hat. Natürlich: Wenn man jetzt sich die Liste der Preisträger des Pritzker-Preises, der auch der Nobelpreis der Architektur genannt wird, der letzten Jahre anschaut, dann merkt man, dass es jetzt eine starke japanische Welle scheinbar gerade gibt. Als Laie, als Beobachter fragt man sich vielleicht, ob jetzt mit Ban die japanische Phase vielleicht einstweilen in den nächsten Jahren beendet sein wird.
Schmitz: Ulf Meyer über den Pritzker-Preisträger Shigeru Ban.
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