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Private Krankenversicherungen
Versicherte klagen gegen Beitragserhöhungen

Versicherte müssen bei ihrer privaten Krankenversicherer oft hohe Prämienerhöhungen verkraften, manchmal von über 100 Prozent. Dagegen klagen nun einige Versicherte. Sie greifen dabei vor allem das Treuhändersystem an, mit dem sich die Versicherer die Erhöhungen genehmigen lassen.

Von Daniela Siebert |
    Unterschrift und Stempel "Krankenversicherung" auf einem Blatt Papier, auf dem der Stempel mit der Aufschrift "Krankenversicherung" liegt
    Versicherte klagen gegen private Krankenversicherungen wegen hoher Prämienerhöhungen. (imago stock&people / McPhoto)
    Rund sechs Jahre lang war Gabriel Adelmann bei der Axa versichert. Jährliche Beitragserhöhungen um die zehn Prozent waren dort Routine. Irgendwann aber hatte Adelmann das Gefühl, das Preis-Leistungsverhältnis sei völlig aus der Balance geraten und er ging zum Anwalt.

    "Das war vor drei oder vier Jahren, da war die Prämienerhöhung wieder da, gleichzeitig die abgelehnte Übernahme der Zahnarztrechnung. Das war für mich der Anlass, jetzt mal zu prüfen, wie sich das zusammensetzt."
    Der Berliner Rechtsanwalt Knut Pilz vertritt Gabriel Adelmann und zahlreiche weitere Mandanten. Die Beitragserhöhungen hätten in den letzten Jahren erheblich zugenommen, sagt er, sodass sich viele privat Versicherte fragen würden:
    "Muss ich das hinnehmen oder nicht? In den letzten Jahren haben wir auch Mandanten, die über 100 Prozent Prämienerhöhung in einem Jahr hinnehmen müssen und 30 Prozent, 40 Prozent - das ist hier keine Seltenheit."
    Über 50 Urteile zugunsten der Kläger
    Über 50 Urteile zugunsten der Kläger hat Pilz bereits erstritten. Allerdings ist bislang keines dieser Urteile rechtskräftig, da die privaten Krankenversicherer jeweils die nächste Gerichtsinstanz angerufen haben.
    Private Krankenversicherer können ihre Beitragssätze nicht willkürlich festsetzen: Es gibt Regeln dafür, außerdem müssen diese Beitragserhöhungen von einem unabhängigen Treuhänder bestätigt werden. Stichprobenartig prüft zudem die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, diese Tarife.
    Anwalt Pilz stützt seine Klagen auf zwei Ansatzpunkte: zum einen auf die Funktion der Treuhänder. Zum anderen darauf, wie die Beitragserhöhung begründet wurde. Am häufigsten hat bislang die Kritik an der Arbeit der Treuhänder vor Gericht überzeugt:
    "In den Verfahren, die wir betreiben, gehen die meisten Gerichte davon aus, dass diese Treuhänder eben nicht unabhängig waren, weil sie viel mehr im Lager des Versicherers stehen als im Lager des Versicherungsnehmers. Und das führt dann zur Unwirksamkeit der Erhöhung. Da geht es um Fragen: Wieviel Geld dürfen die von einem Versicherer überhaupt dafür erhalten, wie lange dürfen sie dort beschäftigt sein, und dürfen sie überhaupt weitere Aufgaben wahrnehmen für den Versicherer? Und da haben sich manche Versicherer einfach nicht an das Gesetz gehalten – nach unserer Auffassung."
    Nur etwa 15 Treuhänder in ganz Deutschland
    Bundesweit gehen nur etwa 15 Personen, von der BaFin überprüft, dieser Treuhänder-Tätigkeit nach. Für alle privaten Versicherungen. Derzeit sind das 45, mit zahllosen verschiedenen Tarifen. Dass die Beitragserhöhungen von den Krankenkassen nicht immer korrekt begründet werden, spielt auch immer wieder eine Rolle bei den Klagen:
    "Das bedeutet, dass eben auch der Versicherungsnehmer anhand des Schreibens mit der Prämienerhöhung sich jedenfalls laienhaft überschlägig prüfen kann: Ist das plausibel diese Prämienerhöhung oder hat das vielleicht ganz andere Gründe, warum die Prämie erhöht wird? Auch hier haben schon mehrere Gerichte gesagt, dass da die Versicherer diesen Anforderungen nicht nachgekommen sind."
    Die Klagen wenden sich gegen verschiedenste private Krankenversicherungen, darunter auch Große wie die Axa und die DKV. Beim Verband der Privaten Krankenversicherung sieht man die Entwicklung mit Sorge, beschwichtigt aber zugleich. Pressesprecher Stefan Reker:
    "Ich halte die Vorwürfe für unbegründet. In keinem einzigen Prozess, in keiner einzigen Klage ist bisher behauptet worden, die Beitragserhöhungen seien falsch kalkuliert, sie seien unberechtigt, oder die Zahlen stimmten nicht. Sondern es geht nur um formale Fragen dabei."
    Mit der jetzigen Treuhänder-Lösung sei auch die Branche nicht glücklich, so Reker. Auch weil es nur so wenige von ihnen gebe und die auch oft noch im fortgeschrittenen Lebensalter. Für ein grundsätzlich besseres Kontrollsystem könne im Übrigen nur der Gesetzgeber sorgen. Reker gesteht zu, dass manche Begründungen für die Beitragserhöhungen verständlicher formuliert sein könnten. Andererseits:
    "Es gibt ein Urteil eines Oberlandesgerichtes, was das höchste Urteil ist, das bisher überhaupt ergangen ist, die haben diese Klage zurückgewiesen, haben gesagt: Die Begründung der Beitragsanpassung war formal auch ausreichend."
    Urteil des BGH wird mit Spannung erwartet
    Mit Spannung schauen die privaten Krankenversicherer und die klagenden Versicherungsnehmer derzeit nach Karlsruhe. Dort will sich - in den nächsten Wochen - der Bundesgerichtshof erstmals mit solch einem Streitfall befassen. Die Erwartungen sind hoch:
    "Wir als Branche hoffen zuversichtlich darauf, dass unsere Rechtsposition sich da durchsetzt, dass die Beitragserhöhung formal korrekt war, weil der Treuhänder eben unabhängig war."
    Und beim Kontrahenten Rechtsanwalt Pilz:
    "Ich persönlich gehe davon aus, dass er uns da folgen wird. Und es dann zu einer Unwirksamkeit dieser Prämienerhöhung bei vielen Versicherern kommen wird."
    Auch der Ombudsmann für die privat Krankenversicherten wartet auf das Urteil des BGH. Er teilt Ratsuchenden derzeit nur mit, dass "bedauerlicherweise den Beitragserhöhungen aktuell nicht entgegengewirkt" werden könne. Immerhin verweist er die Versicherten auch auf die Option in kostengünstigere Tarife zu wechseln. Denn die Klagen gegen die Beitragserhöhungen haben keine aufschiebende Wirkung. Im Erfolgsfall können sie jedoch für bis zu zehn Jahre zu Beitragsrückerstattungen führen.
    Gabriel Adelmann übrigens hat in der ersten Instanz vor dem Berliner Landgericht gegen die Axa gewonnen.