Die Frau ist klein und schmächtig, Anfang vierzig und lebt in einer zwei Zimmer- Wohnung mitten in Berlin. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Briefe. Die Frau öffnet sie längst nicht mehr, die meisten Rechnungen in den Briefen kann sie ohnehin nicht bezahlen. Seit sie erwachsen ist, ziehen sich Schulden wie ein roter Faden durch ihr Leben.
"Ich bin mit 18 schon ausgezogen in die erste eignen Wohnung, dann mussten Möbel her. Da hatte ich damals ausgelernt und schon 1600 DM noch netto verdient. Dann bot einem die Bank großzügig an, Sie dürfen die dreifache Linie überziehen, die ich für Möbel und Gedöns dann voll ausgeschöpft habe, irgendwann verlor ich dann meinen Job. Da rutschte man dann langsam aber sicher schön rein."
Sechs Jahre lang keine neuen Schulden
Der einzige Weg, die Schulden jemals wieder loszuwerden, ist der Schritt in die Verbraucherinsolvenz, die sogenannte Privatinsolvenz. Sechs Jahre lang dürfen keine neuen Schulden gemacht werden, Vermögen und Einkommen müssen bis zu einer bestimmten Pfändungsgrenze abgetreten werden. Nach Ablauf der sechs Jahre – der sogenannten Wohlverhaltensphase - wird die Restschuld erlassen. Nach der neuen Regelung können Schuldner diese Zeit in bestimmten Fällen verkürzen: Auf fünf Jahre, wenn wenigstens der Insolvenzverwalter und die Gerichtskosten bezahlt werden können. Und in Ausnahmefällen sogar auf drei Jahre, sagt Kerstin Altendorf vom Bankenverband:
"Wenn alles gut geht und man z.B. durch einen neuen Job oder eine Erbschaft soviel Geld zusammenkriegt, dass man innerhalb von drei Jahren 35 Prozent der aufgelaufenen Schulden plus der Verfahrenskosten bezahlen kann, dann ist man innerhalb von drei Jahren tatsächlich auch raus. Das muss sich in der Praxis weisen, ob und wie viele Menschen das betrifft."
Allzu viele werden von den neuen Regeln aber wohl nicht profitieren, fürchtet man bei der Verbraucherzentrale Berlin. 31.000 Euro Schulden haben die Klienten dort im Durchschnitt, über die Hälfte lebt von Hartz4, sagt Claudia Both von der Schuldner- und Insolvenzberatung:
"Die größte Zahl unserer Klienten haben wirklich nichts zur Verfügung, dass sie irgendwie abtreten könnten und keine Möglichkeiten. Das ist die Mehrheit."
Hauptgründe: Arbeitslosigkeit, Scheidung, Trennung
Hauptgrund für die Überschuldung ist Arbeitslosigkeit, gefolgt von Scheidung und Trennung, Krankheit und gescheiterter Selbstständigkeit. Frank Schachs Firma war nach dem Hochwasser pleite gegangen. Er haftete privat, über die zukünftig mögliche Verkürzung des Insolvenzverfahrens kann er nur lachen:
"Es hätte mir nichts genützt und dementsprechend hätte ich das gar nicht zurückzahlen können. Wenn Du pleite bist, dann bist Du pleite."
Die Banken als üblicherweise die größten Gläubiger sehen die neue Regelung dagegen erstmal positiver. Betroffen seien schließlich auch viele Alleinerziehende, meint Kerstin Altendorf vom Bankenverband:
"Das sind aber vielfach gut ausgebildete Frauen. Wenn die dann einen vernünftigen Kitaplatz finden und einen Teilzeitarbeitsplatz finden – und im Moment ist die Arbeitsmarktlage ja ganz gut, dann kommen die relativ schnell hoffentlich auch wieder in Gehaltsbereiche wo man das sukzessive dann auch abbauen kann."
Neu ist außerdem die Möglichkeit, mit einem Insolvenzplanverfahren auch während des gerichtlichen Insolvenzverfahrens mit den Gläubigern eine neue individuelle Regelung zu finden. Diese kann alles beinhalten, von einem teilweisen Schuldenerlass bis zu geänderten Rückzahlplänen und Fristen.. Für die Schuldner kann das ein Vorteil sein. Allerdings lassen sich nicht alle Schulden mit einem Insolvenzverfahren loswerden. Schon bisher waren Geldstrafen und Ordnungsgelder von der Restschuldbefreiung ausgenommen, erklärt Eva Bell von der Berliner Verbraucherzentrale:
"Da kommen jetzt neu dazu, die Unterhaltsschulden und die Steuerschulden. Früher eben nach Durchlaufen des Insolvenzverfahrens waren die Schulden weg, die Steuer und Unterhaltsschulden, jetzt sind die weiterhin noch da."
Ein Urteil zur zweiten Stufe der Insolvenzrechtsreform wollen sowohl Banken als auch Verbraucherzentralen erst abgeben, wenn erste Erfahrungen aus der Praxis vorliegen. Ab 1. Juli treten die neuen Regelungen in Kraft