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Privatisierung der Fluggesellschaft TAP
Portugal vor Zerreißprobe

Die portugiesische Fluggesellschaft TAP soll in den kommenden Wochen privatisiert werden. Knapp zwei Drittel des TAP-Kapitals sollen in private Hände wandern. Aber die Pläne der konservativen Regierung stoßen in Teilen der Bevölkerung - und sogar der Justiz - auf Unverständnis und Protest.

Von Tilo Wagner | 05.06.2015
    Airbus A320-214 der portugiesischen Fluggesellschaft TAP
    Für viele Portugiesen ist die TAP mehr als nur ein Staatskonzern. (dpa / picture alliance / Mario Cruz)
    Mahnwachen, Streiks, Demonstrationen - in Portugal wehrt sich seit Monaten ein Teil der Bevölkerung gegen die Privatisierung der staatlichen Fluggesellschaft TAP. Für viele Portugiesen ist die TAP mehr als nur ein Staatskonzern. Nach dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreiches in den 1970er Jahren soll die TAP damals über 200.000 Menschen aus Afrika nach Portugal ausgeflogen haben. Die Piloten wurden zu Helden einer ganzen Generation.
    Widerstand kommt aus der Mitte der Gesellschaft
    Deshalb kommt der Widerstand gegen die Privatisierung aus der Mitte der Gesellschaft. Der bekannte portugiesische Filmregisseur António-Pedro Vasconcelos ist der Initiator einer Bürgerbewegung, die den Verkauf der Airline aufhalten will:
    "Die Regierung steht am Ende ihrer Legislaturperiode, ihr fehlt der Rückhalt für diese Entscheidung. Die TAP ist ein strategisch enorm wichtiger Konzern für Portugal. Für die vielen Millionen Portugiesen, die im Ausland oder auf den Inseln im Atlantik leben. Die TAP verbindet uns mit Brasilien und der ganzen portugiesischsprachigen Welt, sie ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Wirtschaft, sie beschäftigt sehr viele Portugiesen und sie zahlt hier sehr viel Geld in die Sozialversicherung ein. Die Regierung scheint alle diese Punkte auch für wichtig zu halten – und trotzdem soll die TAP verkauft werden. Das verstehen wir nicht."
    Privatisierungsprozess zieht sich seit drei Jahren hin
    Die Bürgerbewegung erhält auch Unterstützung von den Mitarbeitern der TAP. Anfang Mai streikten die Piloten der Fluggesellschaft zehn Tage lang und verhärtete damit auch die Fronten zwischen Regierung und Gewerkschaften. Der Privatisierungsprozess zieht sich seit drei Jahren hin und der Konflikt hat sich auch auf die Geschäftszahlen der Fluggesellschaft ausgewirkt. Obwohl der portugiesische Tourismusverband im vergangenen Jahr ein neues Rekordjahr feierte, schrieb die TAP wieder einmal rote Zahlen. João César das Neves, Wirtschaftsprofessor an der Katholischen Universität in Lissabon, vermutet hinter einem Teil der Protestbewegung vor allem persönliche Interessen:
    "Die Regierung verkauft die TAP, damit sie irgendwie an Einnahmen kommt. Sie will die Steuern nicht weiter erhöhen und nicht an anderer Stelle sparen, also braucht sie das Geld aus der Privatisierung. Die TAP ist ein wertvolles Unternehmen, doch sie war lange Zeit sehr ineffizient, weil sie ein Staatsbetrieb war. Das wird bei einem privaten Besitzer nun sicher anders werden.
    Wenn die Mitarbeiter der TAP aber gegen die Privatisierung sind, dann zeigt es, dass sie gerne in ihrem vom Staat geschützten Betrieb arbeiten und nun fürchten, dass sie ihre Vorteile verlieren werden. Aber das heißt auch, dass es gesamtwirtschaftlich negativ ist, vom Staat geschützt zu werden. Denn hier wurden Steuergelder, auch aus den ärmsten Teilen der Bevölkerung, benutzt, um die Privilegien einer bestimmten Gruppe zu schützen. Das macht gerade bei einer Fluggesellschaft keinen Sinn."
    Diesen Konflikt zwischen öffentlichen und Partikularinteressen gab es auch bei anderen Privatisierungen im Zuge der Krise, etwa beim Verkauf einer ehemals staatlichen Schiffswerft im Norden Portugals. Die Bürgerbewegung konnte jetzt vor der portugiesischen Justiz einen Zwischenerfolg feiern: Das Oberverwaltungsgericht in Lissabon erließ eine einstweilige Verfügung, der Privatisierungsprozess musste vorerst ausgesetzt werden.
    Die konservative Regierung hat jedoch Widerspruch eingelegt und hofft, wie bei einer ähnlichen Entscheidung Anfang Mai, Recht zu bekommen und das Verkaufsgeschäft planmäßig in den kommenden Wochen abzuwickeln.
    In diesen Stunden läuft für die beiden möglichen privaten Käufer die Frist ab, ihr Angebot noch einmal nachzubessern. Die Entscheidung, wer die 61 Prozent der portugiesischen Airline vom Staat übernehmen wird, fällt zwischen zwei Investoren aus Südamerika: Der brasilianisch-kolumbianische Geschäftsmann Germán Efromovich, der unter anderem die Fluggesellschaft Avianca besitzt, sowie der US-stämmige Brasilianer David Neeleman, Gründer von JetBlue und von Brasiliens drittgrößter Airline Azul.