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Privatisierung der Wasserversorgung

Lange: Heute ist der internationale Tag der Umwelt. Er ist von der UNO mit dem Ziel ausgerufen, das Bewusstsein für die natürlichen Lebensgrundlagen zu schärfen. Im Mittelpunkt steht heute die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Ein Drittel der Menschen hat von diesem wichtigsten aller Lebensmittel nicht genug. In nicht allzu ferner Zukunft könnte Wasser noch kostbarer als Öl werden. Nun sind knappe Güter immer ein begehrtes Wirtschaftsgut, in Zeiten der Globalisierung zumal. So gibt es durchaus Bestrebungen, auch die Wasserversorgungsnetze in die Liberalisierung des Welthandels einzubeziehen. Über Risiken und Nebenwirkungen sprechen wir nun mit Thomas Fritz. Er ist bei Attac, dem Netzwerk der Globalisierungskritiker. Er ist Beobachter jener Verhandlungen, in denen es unter anderem um die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen geht. Dazu gehört, wie gesagt, auch die Wasserversorgung. Guten Morgen, Herr Fritz!

    Fritz: Guten Morgen!

    Lange: Herr Fritz, Wasser als knappe Ware unter der Kontrolle einiger Konzerne, die wie die Ölmultis den Markt und die Preis kontrollieren. Wie realistisch ist dieses Szenario?

    Fritz: Dieses Szenario ist außergewöhnlich realistisch, weil wir momentan schon eine Situation haben, wo de facto drei Konzerne weltweit den Wassermarkt dominieren. Das sind vor allem die französischen Unternehmen, Vivendi und Suez, und das deutsche Unternehmen RWE. Die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke AG sind eben mittlerweile der drittgrößte Wasserkonzern in der Welt.

    Lange: Sind das Konzerne, an denen die öffentliche Hand gar nicht mehr beteiligt ist?

    Fritz: Das sind Konzerne, an denen die öffentliche Hand schon einmal beteiligt gewesen ist. Diese sind aber teilprivatisiert worden und nutzen momentan bestimmte öffentliche Vergünstigungen, nämlich ihre Monopolstellung, um eben auch in das internationale Geschäft einsteigen zu können.

    Lange: Wieweit sind diese Verhandlungen, die unter dem Kürzel GATS laufen, gediehen?

    Fritz: Die GATS-Verhandlungen laufen momentan noch. Der Abschluss dieser Verhandlungen ist für das Jahr 2005 anvisiert. Es geht unter anderem darum, dass eben die genannten transnationalen Konzerne, wozu eben auch RWE gehört, einen leichteren Zugriff auf die Wasserwerke in aller Welt bekommen.

    Lange: Nun sagen die Befürworter der Marktöffnung, Konkurrenz auch auf diesem Sektor sorge für größere Effizienz und letztlich für niedrigere Preise. Ist das so ohne weiteres von der Hand zu weisen?

    Fritz: Dieses Argument wird in der Theorie immer gerne angeführt. Allerdings zeigt die Praxis dann, dass Gebührensteigerungen auch nach der Privatisierung immer wieder an der Tagesordnung sind. Man darf ja nicht vergessen, dass private Unternehmen anderen Richtlinien und Gesetzmäßigkeiten folgen als öffentliche Unternehmen. Private Unternehmen sind einfach genötigt, eben auch Profite erwirtschaften zu müssen. Das ist das Prinzip der Kostendeckung, das da relevant ist. Daraufhin kommt es dann oftmals nach ein paar Jahren nach der Privatisierung zu teilweise drastischen Gebührensteigerungen von mehr als 100 Prozent.

    Lange: Nun sagen die Befürworter dieser Marktöffnung, dass viele Länder gar nicht finanziell in der Lage seien, Versorgungsnetze dieses Ausmaßes zu unterhalten, geschweige denn neue zu bauen. Dafür müsse man privates Kapital mobilisieren. Das sei auch da, und das könnte man nutzbringend einsetzen. Die Eisenbahnen sind auch einmal privat gebaut worden. Was ist dagegen zu sagen?

    Fritz: Es ist richtig, dass es einen gigantischen Investitionsbedarf gibt, um die Menschheit mit Wasser zu versorgen und um überall in der Welt Abwässer zu reinigen. Man geht davon aus, dass da Investitionen von 180 Milliarden Dollar pro Jahr nötig wären. Allerdings muss man sehen, dass vor allem private Unternehmen gar kein Interesse haben, überall in der Welt in die Trinkwasserversorgung zu investieren. Vor allem in den Entwicklungsländern, wo das Argument immer gebracht wird, dass Investitionen nötig sind, ist es so, dass private Unternehmen äußerst zurückhaltend sind, dort zu investieren. Wir sehen nämlich oftmals nicht, dass in diesen armen Ländern überhaupt genügend Gewinne gemacht werden können, die für sie eben notwendig sind. Insofern kommt es immer wieder dazu, dass bei diesen Privatisierungsprozessen de facto ganz viele öffentliche Mittel, das heißt Entwicklungshilfegelder, öffentliche Bürgschaften, fließen, so dass die privaten Unternehmen oftmals nur ganz wenig selbst investieren und in Wirklichkeit die ganzen Mittel bei der Privatisierung dann doch von der öffentlichen Hand kommen.

    Lange: Nun hört sich das alles nach Breiten an, die von uns aus weit sind. Jetzt gibt es einige Kommunen bei uns, die sich fast so etwas wie eine legale Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten. In Köln zum Beispiel ist geplant, die Wasserversorgung für 99 Jahre an einen US-Investor zu verkaufen und zurück zu mieten. Für die US-Firma gibt es dann US-Gewinne, die dann zur Hälfte wieder zurückfließen. Klingt zu simpel, als dass es da keine Risiken geben könnte.

    Fritz: Das, was Sie ansprechen, sind die sogenannten Cross-Border-Leasinggeschäfte, also Leasinggeschäfte, die über Grenzen getätigt werden. Das Risiko besteht im wesentlichen darin, dass ein öffentliches Versorgungsunternehmen praktisch zwei Eigentümer hat.

    Lange: Geht das überhaupt?

    Fritz: Man würde meinen, dass so etwas rechtlich nicht möglich ist. Das ist aber notwendig, um überhaupt in den USA diese Steuervergünstigungen geltend machen zu können. Der US-amerikanische Investor bekommt diese Steuererleichterung von Seiten des US-amerikanischen Finanzamtes zurück erstattet. Diese Steuererleichterungen fließen dann zu einem gewissen kleineren Teil auch zugunsten der Kommunen, die sich eben auf ein solches Leasinggeschäft einlassen. Sollte es jedoch zu Streitigkeiten kommen, stellt sich die Frage, wer der Eigentümer ist und wer haftbar zu machen ist. Das könnte beispielsweise wichtige Instandhaltungsinvestitionen betreffen. 80 Prozent der Investitionen gehen normalerweise in die Pflege von Rohrnetzen. Solche Streitigkeiten sind also äußerst riskant. In diesem Fall ist das so, weil man zwei Eigentümer hat. Ein weiteres Risiko ist, dass diese Geschäfte im Grunde genommen illegal sind, weil tatsächlich ja keine Investition in Deutschland getätigt wurde, weil die Wasserversorgungsunternehmen komplett von den deutschen Kommunen wieder zurückgemietet werden. Im Grunde ist dieses also ein Betrug am US-amerikanischen Steuerzahler. Alle diese Geschäfte, und es sind sehr viele in den deutschen Kommunen, könnten über kurz oder lang tatsächlich auffliegen und werden dann illegal.

    Lange: Haben Sie den Eindruck, dass diejenigen, die solche Geschäfte verantworten, wirklich wissen, worauf sie sich einlassen?

    Fritz: Wir müssen immer wieder feststellen, dass diese Kommunalvertreter, die sich auf diese Geschäfte einlassen, überhaupt keine Ahnung haben, welche Risiken mit den Geschäften einhergehen. Sie informieren sich oftmals auch gar nicht über die Risiken dieser Geschäfte. Das ist sehr bedauerlich. Da fliegt dann irgendein Kämmerer einer deutschen Kommune nach New York und bekommt dann eben Tausende von Seiten von Verträgen vorgelegt. Er entscheidet dann gemeinsam mit den anderen Ratsmitgliedern darüber, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen. Viele andere Ratsvertreter nehmen nicht einmal Einblick in diese Verträge. Insofern wissen sie meistens überhaupt nicht, worum es geht.

    Lange: Nun machen ja die Bürger vieles mit, gerade auch in Zeiten knapper Kassen. Aber haben Sie den Eindruck, dass es bei der Wasserversorgung vielleicht doch aufhört?

    Fritz: Das ist genau unser Eindruck, dass eben in vielen Kommunen die Bürgerinnen und Bürger wach werden und sich gerade beim Thema Wasser fragen, ob es richtig ist, sich auf solche riskanten Geschäfte einzulassen und ob es richtig ist, hier zu privatisieren, weil Wasser eben ein Vertrauensgut ist. Man möchte eben nicht, dass ein Gut, das man selber tagtäglich konsumiert und auf das man angewiesen ist, kommerzialisiert wird.

    Lange: Vielen Dank, Herr Fritz!

    Link: Attac zum Gipfel von Evian und zur Wasserversorgung

    Link: Interview als RealAudio