"Wenn wir von Rechtsstaat reden und hohe Qualität hier in Deutschland gewährleisten wollen, dann bedeutet das, dass Sie qualifizierte Leute haben und es bedeutet letztendlich, dass der Staat seiner Verpflichtung nachkommt. Nämlich, die Kernaufgabe innere Sicherheit auch zu gewährleisten. Es kann ja nicht sein, dass der Staat sich von seiner Kernaufgabe verabschiedet und Bürgerinnen und Bürger, jedenfalls die, die das können, durch private Sicherheitsdienste sich ihre Sicherheit leisten."
Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kurz GdP. Die Gewährleistung von Sicherheit gehört zu den Kernaufgaben des Staates, bei dem das Gewaltmonopol liegt. Der Staat soll die Bürger vor Terror und Kriminalität schützen. Und er darf als einziger in die Grundrechte seiner Bürger eingreifen. Sicherheit ist aber längst auch ein käufliches Gut. Private Sicherheitsdienste – da sind sich Politiker, Wissenschaftler und Polizisten einig – gehören inzwischen zur Sicherheitsarchitektur Deutschlands dazu. Allein die Zahlen belegen das:
"1990, da waren es 56.000 Mitarbeiter, und jetzt sind es 233.000. Das ist ein rasanter Anstieg, wenn man demgegenüber mal die Zahlen der Polizeibeamten sieht - 265.000 - dann nähren wir uns hier schon einer Parität sozusagen an."
"1990, da waren es 56.000 Mitarbeiter, und jetzt sind es 233.000. Das ist ein rasanter Anstieg, wenn man demgegenüber mal die Zahlen der Polizeibeamten sieht - 265.000 - dann nähren wir uns hier schon einer Parität sozusagen an."
Polizeigewerkschaft klagt über Überbelastung
Ludger Stienen, ehemaliger Polizist, ehemaliger Leiter eines Sicherheitsdiensts einer kerntechnischen Anlage, heute Professor für Security and Safty Engeneering an der Hochschule Furtwangen. Private Sicherheitsdienstleister stellen heutzutage nicht nur Kaufhausdetektiv und Nachtwächter. Ihr Personal läuft Streife in Innenstädten, bewacht Parks und Einkaufszentren. Private Sicherheitsdienste sind also immer mehr im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum tätig. Zunehmend auch in sensiblen Bereichen, dort wo Terrorgefahr besteht.
"Flughäfen, Fluggesellschaften, Kernkraftwerke, Häfen, die Bahnsicherheit, die Sicherung von Asylbewerberheimen. Hinzu kommen Großveranstaltungen, Fußballspiele, Bundesligaspiele, Konzerte. Also, das ist eine zunehmende Aufgabenvielfalt, die sich in den letzten Jahren eingestellt hat."
"Flughäfen, Fluggesellschaften, Kernkraftwerke, Häfen, die Bahnsicherheit, die Sicherung von Asylbewerberheimen. Hinzu kommen Großveranstaltungen, Fußballspiele, Bundesligaspiele, Konzerte. Also, das ist eine zunehmende Aufgabenvielfalt, die sich in den letzten Jahren eingestellt hat."
Bei der Polizei ist die Personalentwicklung hingegen rückläufig: 16.000 Stellen wurden nach GdP-Angaben seit Ende der Neunziger gestrichen. Haben die privaten Konjunktur, weil sich der Staat immer mehr von seiner Hoheitsaufgabe verabschiedet? Oliver Malchow:
"Fakt ist, dass Polizei im Rahmen von Terrorbekämpfung, im Rahmen von Events im öffentlichen Raum immer mehr Aufgaben bekommen hat, es hat überhaupt gar keine Einschränkung gegeben oder ein Rückschrauben von Aufgaben. Ermittlungsverfahren sind heute viel umfangreicher zu führen als das noch vor Jahren war, weil der Rechtsstaat eben höher Anforderungen stellt."
Einsatz von "Niedriglohnpolizei" in der Diskussion
Fußballspiele, Grenzsicherung, PEGIDA-Demonstrationen, die Bewachung von Asylbewerberheimen – die Polizeigewerkschaften klagen schon lange über Überbelastung. Gleichzeitig wird ein "Präsenzdefizit" der Polizei beklagt: Auf der Straße, auf Streife, im ganz normalen Alltag seien die Polizeibeamten zu wenig sichtbar.
"Wir haben in den großen Städten wahrscheinlich mehr private Sicherheitsdienste, mehr Revierfahrzeuge, auch so heißen die bei uns, nachts auf den Straßen - als die Polizei", stellt Harald Olschok fest. Er ist Geschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, kurz BDSW. Mehr Beamte zurück auf die Straße? Zuletzt wurde über eine sogenannte Wachpolizei diskutiert. Eine Art Niedriglohnpolizei für einfache Tätigkeiten, um die polizeiliche Präsenz in der Öffentlichkeit kostengünstig zu steigern: kurze Ausbildung, geringerer Lohn, weniger Befugnisse.
"Wir haben in den großen Städten wahrscheinlich mehr private Sicherheitsdienste, mehr Revierfahrzeuge, auch so heißen die bei uns, nachts auf den Straßen - als die Polizei", stellt Harald Olschok fest. Er ist Geschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, kurz BDSW. Mehr Beamte zurück auf die Straße? Zuletzt wurde über eine sogenannte Wachpolizei diskutiert. Eine Art Niedriglohnpolizei für einfache Tätigkeiten, um die polizeiliche Präsenz in der Öffentlichkeit kostengünstig zu steigern: kurze Ausbildung, geringerer Lohn, weniger Befugnisse.
In Berlin bewachen Wachpolizisten schon seit Jahren Regierungsgebäude, Sachsen bildet sie im Schnellverfahren aus – beispielsweise, um Asylbewerberheime zu beschützen und Strafgefangene zu bewachen. Doch genügt ein zwölfwöchiger Kurs, um hoheitliche Aufgaben wahrnehmen zu können - inklusive Schusswaffengebrauch? Der GdP-Vorsitzende ist skeptisch:
"Es ist nicht richtig, irgendeinen Dusel in eine Uniform zu stecken und die innere Sicherheit ist gewährleistet. Wir haben hier ein anderes Niveau. Wir sprechen für eine Bürgerpolizei, die rechtsstaatlich handelt, die sich selber zurücknehmen kann, aber im entscheidenden Fall auch zupacken kann, um Recht durchzusetzen."
"Es ist nicht richtig, irgendeinen Dusel in eine Uniform zu stecken und die innere Sicherheit ist gewährleistet. Wir haben hier ein anderes Niveau. Wir sprechen für eine Bürgerpolizei, die rechtsstaatlich handelt, die sich selber zurücknehmen kann, aber im entscheidenden Fall auch zupacken kann, um Recht durchzusetzen."
Grünen-Politikerin: Aufgaben der Polizei müssen auf den Prüfstand
Und auch für Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, selbst 20 Jahre im Polizeidienst tätig, ist die Wachpolizei keine Lösung:
"Einfach, weil man natürlich durch eine Wachpolizei, die eine Polizeiuniform trägt, dem Bürger suggeriert, dass da ein fertig ausgebildeter, hoch qualifizierter Polizist in dieser Uniform steckt. Und das ist de facto nicht so, deswegen ist das für mich Etikettenschwindel."
"Einfach, weil man natürlich durch eine Wachpolizei, die eine Polizeiuniform trägt, dem Bürger suggeriert, dass da ein fertig ausgebildeter, hoch qualifizierter Polizist in dieser Uniform steckt. Und das ist de facto nicht so, deswegen ist das für mich Etikettenschwindel."
Doch der Polizeiapparat ist teuer. In einigen Bundesländern gibt es nur noch den gehobenen und höheren Dienst. Wer Polizist ist, war an der Fachhochschule. Der Vertreter der privaten Sicherheitswirtschaft wittert deshalb Chancen für seine Branche:
"Müssen alle Aufgaben, die heute von studierten Polizisten wahrgenommen werden, unbedingt von Polizisten wahrgenommen werden? Kann ich das nicht fremd vergeben?"
Die Aufgaben der Polizei müssen auf den Prüfstand, sagt Oppositionspolitikerin Mihalic. Zumindest da, wo das Gewaltmonopol nicht betroffen sei:
"Nehmen sie mal die Begleitung von Großraum- und Schwertransporten beispielsweise. Natürlich wird das heute von Polizeibeamten wahrgenommen, stundenlang mit gelbem Blinklicht hinter einem Schwertransport herzufahren. Es gibt aber auch private Anbieter, die das sehr, sehr gut könnten, und warum sollen sie denn diese Aufgabe nicht wahrnehmen?"
Vorhaben des Bundes: Private Unternehmen mit hoheitlichen Aufgaben beleihen
Nach über zehnjähriger Debatte in den Ländern hat der Bundestag Anfang Juli eine erste Rechtsgrundlage geschaffen, private Unternehmen mit dieser hoheitlichen Aufgabe zu beleihen; beleihen, wie es im Fachjargon heißt. Doch die grundsätzliche Frage bleibt: Was ist eine private, was eine öffentliche Aufgabe? GdP-Vorsitzender Oliver Malchow:
"Wir sind klar für die Trennung zwischen privaten Sicherheitsdiensten und der Polizei. Im privaten Raum sind private Sicherheitsdienste notwendig und machen da auch einen ordentlichen Job, sag ich mal so. Aber das ist überhaupt nicht vergleichbar mit qualifizierter Polizeiarbeit im öffentlichen Raum."
Eine klare Trennung der Zuständigkeiten, die auch der BDSW unterstützt. Doch wo endet der öffentliche Raum, wo beginnt der private? Geht es an dieses Detail, herrscht weniger Einigkeit:
"Es kann nicht sein, dass Städte an Private ganze Straßenzüge verpachten, und die dann sich auf ihr Hausrecht berufen können und Polizei außen vor ist. So kann es nicht sein."
"Wir sind klar für die Trennung zwischen privaten Sicherheitsdiensten und der Polizei. Im privaten Raum sind private Sicherheitsdienste notwendig und machen da auch einen ordentlichen Job, sag ich mal so. Aber das ist überhaupt nicht vergleichbar mit qualifizierter Polizeiarbeit im öffentlichen Raum."
Eine klare Trennung der Zuständigkeiten, die auch der BDSW unterstützt. Doch wo endet der öffentliche Raum, wo beginnt der private? Geht es an dieses Detail, herrscht weniger Einigkeit:
"Es kann nicht sein, dass Städte an Private ganze Straßenzüge verpachten, und die dann sich auf ihr Hausrecht berufen können und Polizei außen vor ist. So kann es nicht sein."
Die Grenzen verschwimmen. Und damit wird die Frage, wie gut und wie rechtsstaatskonform die private Sicherheitsbranche für Sicherheit sorgt, eine relevante Frage. Welche Qualifikation haben die privaten Dienstleister?
Sicherheitsbranche als klassischer Niedriglohnsektor
"Wenn man sich selbstständig machen möchte im privaten Sicherheitsgewerbe, dann reicht es derzeit aus, 80 Stunden Unterricht ohne Prüfung zu absolvieren, sonst wird nicht viel verlangt. Wir haben also sehr geringe Markteintrittsbarrieren für Selbstständige, aber auch für die Sicherheitsmitarbeiter, die brauchen lediglich eine Schulung bei der IHK, die einen Umfang von 40 Stunden umfasst, und dann ist man in der Sicherheitsbranche drin und kann da tätig werden.
Und diese Entwicklung hat dazu geführt, dass wir sehr viele Unternehmen haben, die sehr niedrigpreisig anbieten, schlechte Leistung entsprechend anbieten, die wenig Anforderungen an die Mitarbeiter stellen, die wenig Fortbildung und Weiterqualifizierung ihren Mitarbeitern anbieten und daher viele schwarze Schafe sich im Laufe der Zeit eingestellt haben. Wir haben das im Rahmen der Entwicklung der Asylbewerberheime gesehen."
Ende September 2014 zeigte ein Video die Misshandlung und Demütigung von Asylbewerbern in einer Notunterkunft in Nordrhein-Westfalen. Die mutmaßlichen Täter: Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Ähnliche Vorwürfe in anderen Städten gaben den Anstoß zu einer Gesetzesänderung.
"Wenn wir europaweit gucken, stellen wir fest, in Deutschland sind die Vorschriften mit am geringsten, was die Ausbildung angeht der Leute, aber auch, was ihre Sicherheitsüberprüfung angeht."
Sicherheitsdienst als Sicherheitsrisiko?
CDU-Wirtschaftspolitikerin Kristina Schröder. Was auf den ersten Blick überrascht: Der Zugang zur privaten Sicherheitsbranche ist in der Gewerbeordnung geregelt, wird also im Bereich der Wirtschafts-, nicht der Innenpolitik verantwortet. Die ehemalige Familienministerin verhandelt die Novelle federführend für die Unionsfraktion im Bundestag – mit Fokus auf die Zuverlässigkeit:
"Das hat mich als Bundestagsabgeordnete in diesem Gesetz besonders bewegt, wie bekommen wir es hin, um zum Beispiel möglichst unwahrscheinlich zu machen, dass beispielsweise Terroristen gezielt in private Sicherheitsunternehmen eingeschleust werden, um dann dort bei Großveranstaltungen Terrorakte zu verüben."
"Das hat mich als Bundestagsabgeordnete in diesem Gesetz besonders bewegt, wie bekommen wir es hin, um zum Beispiel möglichst unwahrscheinlich zu machen, dass beispielsweise Terroristen gezielt in private Sicherheitsunternehmen eingeschleust werden, um dann dort bei Großveranstaltungen Terrorakte zu verüben."
Der Sicherheitsdienst als Sicherheitsrisiko? In Zukunft sollen, heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung, alle Mitarbeiter durch Polizei und Verfassungsschutz überprüft werden. Bemerkenswert: Nicht nur der Opposition, sondern auch dem Branchenverband geht der Entwurf nicht weit genug. BDSW-Geschäftsführer Harald Olschok:
"Was der Staat macht, ist, dass er zu kurz greift. Er setzt an einem Element nur an, an der Frage der Zuverlässigkeit. Aber die Missstände, die wir zum Teil haben, sind nicht nur auf die Zuverlässigkeit zurückzuführen, häufig auch die Billigvergabe der öffentlichen Auftraggeber, und auch die Qualifizierung."
"Was der Staat macht, ist, dass er zu kurz greift. Er setzt an einem Element nur an, an der Frage der Zuverlässigkeit. Aber die Missstände, die wir zum Teil haben, sind nicht nur auf die Zuverlässigkeit zurückzuführen, häufig auch die Billigvergabe der öffentlichen Auftraggeber, und auch die Qualifizierung."
Verbindliche Qualitätsstandards müssen Kostenfragen weichen
Die Anforderungen aber werden im Gesetzentwurf nur minimal angehoben: Wer ein Unternehmen gründen will, muss eine sogenannte Sachkundeprüfung bei der Handelskammer ablegen, auch leitendes Personal bei Großveranstaltungen und in Flüchtlingsheimen soll sich überprüfen lassen. Einfache Mitarbeiter jedoch sitzen weiterhin nur eine 40-stündige Ausbildung ohne abschließende Prüfung "ab", so die Kritik.
"Sachkundeprüfung, das sind die drei Gruppen, noch mal zusammengefasst: Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum."
Im sechsten Stock der privaten Fachschule Protektor in Hamburg bereitet Rechtsanwalt Richard Arnold 25 angehende Wachleute auf die Sachkundeprüfung vor. Die meisten sind zwischen 25 und 55 Jahre alt. Viele schickt das Jobcenter.
"So, Verständnisfrage: Jemand ist Sicherheitsmitarbeiter im Fußballstadion, soll dort entsprechend für Ruhe und Ordnung sorgen. Benötigt diese Person Sachkunde, Unterrichtung oder gar nichts? – Sachkunde – Dann sagen Sie mir doch mal, ob Fußballstadion a) ist: eine Diskothek? – Tendenz nein - Ist das ein Laden? Tendenz nein. Ist das ein Hausrechtsbereich mit tatsächlich öffentlichem Verkehr? - Ja. – Nein, der Zugang zum Stadion ist gekoppelt an den Erwerb einer Eintrittskarte. Und damit ist es kein Hausrechtsbereich mit tatsächlich öffentlichem Verkehr, weil dieser Hausrechtsbereich ja nicht jedem zur Benutzung offen steht. Konsequenz: Unterrichtung 40 Stunden."
"Sachkundeprüfung, das sind die drei Gruppen, noch mal zusammengefasst: Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum."
Im sechsten Stock der privaten Fachschule Protektor in Hamburg bereitet Rechtsanwalt Richard Arnold 25 angehende Wachleute auf die Sachkundeprüfung vor. Die meisten sind zwischen 25 und 55 Jahre alt. Viele schickt das Jobcenter.
"So, Verständnisfrage: Jemand ist Sicherheitsmitarbeiter im Fußballstadion, soll dort entsprechend für Ruhe und Ordnung sorgen. Benötigt diese Person Sachkunde, Unterrichtung oder gar nichts? – Sachkunde – Dann sagen Sie mir doch mal, ob Fußballstadion a) ist: eine Diskothek? – Tendenz nein - Ist das ein Laden? Tendenz nein. Ist das ein Hausrechtsbereich mit tatsächlich öffentlichem Verkehr? - Ja. – Nein, der Zugang zum Stadion ist gekoppelt an den Erwerb einer Eintrittskarte. Und damit ist es kein Hausrechtsbereich mit tatsächlich öffentlichem Verkehr, weil dieser Hausrechtsbereich ja nicht jedem zur Benutzung offen steht. Konsequenz: Unterrichtung 40 Stunden."
Vier Wochen Unterricht zu den Themen Recht, Umgang mit Menschen und Sicherheitstechnik. Dann 72 Multiple-Choice-Fragen und eine mündliche Prüfung. Bundesweit schwankt die Durchfallquote zwischen 23 und 80 Prozent.
Die Branche ist ein klassischer Niedriglohnsektor: lange Arbeitszeiten, viel Wochenend- und Nachtarbeit, Bereitschaftszeiten. Schulleiter Frank Schimmel, der im BDSW dem Fachausschuss Ausbildung vorsitzt, wünscht sich verbindliche Qualitätsstandards. Die würden aus Kostengründen aber viel zu selten eingefordert:
"Das ist bedauerlicherweise auch bei der öffentlichen Hand immer wieder der Fall, dass zwar sehr komplexe Ausschreibungen erfolgen, aber ganz unten dann der eine Satz steht: Ausschlaggebend für den Zuschlag ist der Preis. Und da im Sicherheitsgewerbe in der Regel die höchsten Kosten durch den Personaleinsatz entstehen, ist das natürlich die Stellschraube, und höher qualifizierte Mitarbeiter kosten mehr Geld als wenn ich jemanden habe, der nur 40 Stunden macht."
"Das ist bedauerlicherweise auch bei der öffentlichen Hand immer wieder der Fall, dass zwar sehr komplexe Ausschreibungen erfolgen, aber ganz unten dann der eine Satz steht: Ausschlaggebend für den Zuschlag ist der Preis. Und da im Sicherheitsgewerbe in der Regel die höchsten Kosten durch den Personaleinsatz entstehen, ist das natürlich die Stellschraube, und höher qualifizierte Mitarbeiter kosten mehr Geld als wenn ich jemanden habe, der nur 40 Stunden macht."
Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum verwischen immer mehr
"Du hast Hausverbot."
Freitagnacht, ein Minimarkt im Hamburger Hauptbahnhof. Vor der Ladentür Dennis: Blondes, raspelkurzes Haar, Pulli, Bundeswehrhose, alles in Schwarz. Am Hals ein großflächiges Tattoo, ein Totenkopf auf dem Adamsapfel.
"Das war jetzt eine Dame, die hat Hausverbot. Die hat geklaut."
"Das war jetzt eine Dame, die hat Hausverbot. Die hat geklaut."
Ein Ausweis an einem roten Band sowie eine schwarze Weste mit weißem Aufdruck weisen ihn als Sicherheitsdienstmitarbeiter der VDB Nord aus. Doch Dennis ist nur optisch ein Klischee. Anders als viele seiner Branchenkollegen ist der 23-Jährige sehr gut qualifiziert, hat eine dreijährige Ausbildung als Fachkraft für Schutz und Sicherheit und arbeitet freundlich und zurückhaltend:
"Es ist halt so ein Irrglaube allgemein, dass Sicherheitsdienste irgendwas Spezielles sind. Wir sind so wie jeder andere, wir haben nur Jedermannsrechte wie jeder andere, hier habe ich halt noch das Hausrecht übertragen bekommen, aber sonst haben wir das Recht wie jeder andere. Das heißt, wir dürfen jetzt nicht irgendwen einfach so anpacken, sondern einfach nur im Rahmen der Notwehr, zum Beispiel wenn ich angegriffen werde, darf ich jemanden anpacken, wie jeder andere auch."
Sicherheitsdienstleister haben - abgesehen von wenigen Ausnahmen - keine Sonderrechte. Sie bewachen und kontrollieren auf Grundlage des Hausrechts und des sogenannten Jedermannsrechts. Beides nicht unproblematisch. Um den Zugang zu bestimmten Orten kontrollieren zu können, verwischen die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum immer mehr.
Eingreifen von Security-Mitarbeitern steht auf rechtlich wackeligen Füßen
Bahnhöfe, Einkaufszentren, Parks sind inzwischen rein rechtlich gesehen Privatgelände mit Hausrecht. Verweisen die Sicherheitsleute eine Person aus dem Bahnhof, dem Einkaufszentrum, oder halten sie einen Ladendieb fest, tun sie das auf der Grundlage der Jedermannsrechte:
"Die eigentlich vorgesehen sind für den normalen, überraschten Bürger, der in eine solche Situation hineinkommt. Und das Sicherheitsgewerbe hat keine eigenen Befugnisse, also hat genau die gleichen Rechte und Befugnisse wie Sie und ich auch, und operiert dann auf Grundlage der Jedermannsrechte. Nicht ganz umstritten, weil das Ausnahmerechte sind. Die Ausnahme wird hier zur Regel."
"Die eigentlich vorgesehen sind für den normalen, überraschten Bürger, der in eine solche Situation hineinkommt. Und das Sicherheitsgewerbe hat keine eigenen Befugnisse, also hat genau die gleichen Rechte und Befugnisse wie Sie und ich auch, und operiert dann auf Grundlage der Jedermannsrechte. Nicht ganz umstritten, weil das Ausnahmerechte sind. Die Ausnahme wird hier zur Regel."
Sagt Wissenschaftler Stienen. Das Eingreifen von Security-Mitarbeitern steht also immer auf rechtlich wackeligen Füßen. Doch andererseits: Was würde es bedeuten, wenn die Sicherheitsbranche eigene Rechte, spezielle Befugnisse bekommen würde?
"Ich glaube, dass private Sicherheitsdienstleister eben keine speziellen Befugnisse bekommen sollten, eben weil dann die Abgrenzung zu hoheitlichen Aufgaben und staatlichen Sicherheitsbehörden nur noch schwieriger wird, und es wird dann auch zunehmend intransparenter für die Bürgerinnen und Bürger. Jeder Aufgabenbereich, wo das Jedermannsrecht nicht mehr ausreicht, der sollte dann sowieso von staatlichen Sicherheitsbehörden und auch von Polizeivollzugsbeamten wahrgenommen werden."
"Ich glaube, dass private Sicherheitsdienstleister eben keine speziellen Befugnisse bekommen sollten, eben weil dann die Abgrenzung zu hoheitlichen Aufgaben und staatlichen Sicherheitsbehörden nur noch schwieriger wird, und es wird dann auch zunehmend intransparenter für die Bürgerinnen und Bürger. Jeder Aufgabenbereich, wo das Jedermannsrecht nicht mehr ausreicht, der sollte dann sowieso von staatlichen Sicherheitsbehörden und auch von Polizeivollzugsbeamten wahrgenommen werden."
"Sicherheitshinweis – Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt. Securtity Advice ..."
EU stellt immer wieder Sicherheitsmängel an deutschen Flughäfen fest
Es gibt aber sehr wohl Ausnahmen: An den meisten Flughäfen haben private Anbieter die Kontrolle von Passagieren und Gepäck übernommen. Diese Anbieter bekommen für diese Aufgabe Hoheitsrechte "beliehen" – wie es heißt. Sie führen im Auftrag der Bundespolizei hoheitliche Aufgaben aus – wie beispielsweise die Suche nach Waffen oder Sprengstoff. Das Personal wird von der Bundespolizei geschult, die Löhne sind höher als in der Branche üblich.
Trotzdem, die sogenannte Beleihung bleibt ein heikles Thema: Eine Anfrage des Deutschlandfunks, sich vor Ort am Flughafen Hamburg die Kontrollen anzuschauen, wurde von der Pressestelle zur Bundespolizei und dort von Etage zu Etage nach oben gereicht. Am Ende kam die Absage mit der Begründung: Die Bundespolizei möchte sich nicht an der "sensiblen Diskussion" beteiligen. Die "Sensibilität" der Diskussion? Die EU hat zuletzt immer wieder Sicherheitsmängel an deutschen Flughäfen festgestellt. Am Flughafen Köln/Bonn bemängelt die Gewerkschaft Verdi seit einem Jahr fehlendes Personal:
"Wir haben hier Sicherheitskräfte, die sind dafür abgestellt, Terrorabwehr zu machen. Und wenn man dann sich die Arbeitsbedingungen ansieht, wir reden hier von einem Bereich, da muss man höchst konzentriert sein. Und wenn ich dann teilweise jetzt wie am Flughafen Köln/Bonn fünf bis sechs Stunden Fluggäste kontrollieren muss, ohne Pause zu haben, dann ist das schon ein Konzentrationsproblem. Und dann passieren auch Fehler, die nicht passieren dürfen in diesem Bereich."
Sicherheitsdienste schützen auch Atomkraftwerke
Sagt Özay Tarim von Verdi NRW. Die Bundespolizei räumt auf Nachfrage Personalengpässe beim privaten Dienstleister ein, verweist auf gestiegene Fluggastzahlen, die Pausenzeiten würden eingehalten. Die Sicherheitsbedenken jedoch werden zurückgewiesen. Tarim hat mit den Beteiligten gesprochen und sagt, die Verantwortung für festgestellte Mängel würden zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Dienstleistern hin und her geschoben. Er sieht die Vergabepraxis als Schwachpunkt:
"Ich hab das Gefühl eher, dass es 60 Prozent um den Preis geht und vielleicht 40 Prozent, vielleicht 30 Prozent um Qualität geht. Das ist ein fataler Fehler, weil wir reden hier von Sicherheitsaufgaben, da darf es nicht um billig, billig, billig gehen, hier muss die hoheitliche Aufgabe auch wirklich in gute Hände."
"Ich hab das Gefühl eher, dass es 60 Prozent um den Preis geht und vielleicht 40 Prozent, vielleicht 30 Prozent um Qualität geht. Das ist ein fataler Fehler, weil wir reden hier von Sicherheitsaufgaben, da darf es nicht um billig, billig, billig gehen, hier muss die hoheitliche Aufgabe auch wirklich in gute Hände."
Das gilt auch bei sogenannter kritischer Infrastruktur - allen voran Atomkraftwerken: Die privaten Betreiber der Meiler werden per Gesetz zu "Eigensicherung" verpflichtet, enge Vorschriften, ohne aber spezielle Befugnisse zu bekommen. Ludger Stienen, der früher den Schutz einer kerntechnischen Forschungseinrichtung verantwortet hat, sieht vor allem die gesetzliche Forderung nach "hinhaltendem Widerstand" kritisch:
"Sie müssen zur Aufrechterhaltung dieser Schutzziele bereit sein, dann auch von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Und sie müssen sich dazu auch unterschriftlich verpflichten. Damit verbunden sind aber keine zusätzlichen Rechte, das heißt also, die greifen auch wieder ganz normal auf diese sogenannten Jedermannsrechte zurück. Und diese Mitarbeiter dazu zu verpflichten, dass als regelmäßige Grundlage zu verwenden, das ist meiner Ansicht nach grenzwertig. Das geht dann schon sehr stark in den Bereich hoheitlicher Tätigkeit hinein."
Immer mehr Bereiche werden kontrolliert und überwacht
Grenzfälle und Graubereiche, für die, meint Professor Stienen von der Hochschule Furtwangen, die öffentliche Hand selbst gesorgt habe:
"Alle Beispiele, die wir jetzt angesprochen haben, Asylbewerberheime, Luftsicherheit, Kernenergie, sind Entwicklungen, die vom Staat ausgegangen sind, vom Bund und Ländern und nicht vom Sicherheitsgewerbe. Also Motor dieser Entwicklung ist der Staat, der versucht, gewisse Aufgaben, die zusätzlich hinzugekommen sind, abzudecken mit den privaten Sicherheitsdienst."
"Alle Beispiele, die wir jetzt angesprochen haben, Asylbewerberheime, Luftsicherheit, Kernenergie, sind Entwicklungen, die vom Staat ausgegangen sind, vom Bund und Ländern und nicht vom Sicherheitsgewerbe. Also Motor dieser Entwicklung ist der Staat, der versucht, gewisse Aufgaben, die zusätzlich hinzugekommen sind, abzudecken mit den privaten Sicherheitsdienst."
Wird Polizeiarbeit privatisiert? Zieht sich der Staat zurück? Nicht wirklich, sind sich fast alle Experten einig. Die Polizei habe nicht weniger Aufgaben. Vielmehr würden immer mehr Bereiche kontrolliert und überwacht.
"Wir haben also da eine Vermischung, eine Ergänzung an den Rändern im Bereich der schlicht hoheitlichen Tätigkeiten, im Bereich der Tätigkeiten mit wenig Grundrechtseingriffen. Einen Rückzug des Staates, Bedeutungsverlust der Polizei also, kann ich nicht erkennen."
"Wir haben also da eine Vermischung, eine Ergänzung an den Rändern im Bereich der schlicht hoheitlichen Tätigkeiten, im Bereich der Tätigkeiten mit wenig Grundrechtseingriffen. Einen Rückzug des Staates, Bedeutungsverlust der Polizei also, kann ich nicht erkennen."
An den Rändern, also im Graubereich des öffentlichen Raums, im privatisierten Bahnhof, in der Shoppingmall. Letztendlich heißt das: Ob Polizei oder privat, es nehmen deutlich mehr Menschen Sicherheitsaufgaben wahr als vor zehn oder zwanzig Jahren.