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Privatkonzerte
"Musik in wildfremden Wohnzimmern birgt einen Kitzel"

Mitte bis Ende der 90er-Jahre wurden in Berlin Wohnungen zu Klubs umfunktioniert: Wohnzimmer-Konzerte nannte man das, die Musik Wohnzimmer-Pop. Der Sänger und Gitarrist Eric Pfeil spricht im Deutschlandfunk über das Revival der Bewegung und das erste Wohnzimmer-Live-Album der Musikgeschichte.

Eric Pfeil im Gespräch mit Anja Buchmann |
    Der deutsche Autor, Musiker und Songschreiber Eric Pfeil
    Sorgt für das Revival der Wohnzimmerkonzerte: der deutsche Autor, Musiker und Songschreiber Eric Pfeil (Deutschlandradio / Kerstin Janse)
    Buchmann: Herr Pfeil, wie war Ihr letztes Wohnzimmerkonzert? Ich habe gelesen, es gab im Anschluss sogar eine Whisky-Verköstigung?
    Pfeil: Der Alkohol fließt tatsächlich bislang in Strömen, da kann ich den Leuten gar nichts vorwerfen. Der Übergang war fließend. Irgendwann standen wir mit Whisky-Gläsern in der Hand in der Gegend rum.
    Buchmann: Aber abgesehen vom Alkohol, wie war’s?
    Pfeil: Gut! Weil das doch bislang von einer großen Herzlichkeit geprägt ist, was natürlich so ein bisschen das Privileg von solchen Wohnzimmersachen ist. Da hat man selten jemanden im Raum stehen, der der Sache nicht irgendwie dann doch gewogen ist. Ist sehr angenehm bisher.
    Was ist, wenn der Boden knirscht und der Nachbar klopft?
    Buchmann: Es ist ja nun nicht wirklich was Neues mit den Wohnzimmerkonzerten. Ich sagte es, in den 90ern in Berlin. Es gibt in Köln auch so eine Veranstaltungsreihe "Musik in den Häusern der Stadt", zum Teil auch in Wohnzimmern. Auch die Toten Hosen machen immer wieder gerne Wohnzimmerkonzerte. Die haben, glaube ich, Ende Dezember auch sogar zu neuen Wohnzimmerbewerbungen aufgerufen. Warum gehen Sie persönlich ins Wohnzimmer, was war Ihr Grund?
    Pfeil: Ach, ich bin tatsächlich von Hause aus gar nicht so ein großer Freund dieser Wohnzimmerkonzerte, weil, das erzählt natürlich auch so ein bisschen die Geschichte davon, dass die Leute nicht mehr so viel ausgehen: Also geht der Musiker zu den Leuten nach Hause. Das ist insofern sehr zweischneidig. Ich habe mit den paar wenigen Wohnzimmerkonzerten, die ich bislang gemacht habe, sehr gute Erfahrungen gemacht und habe mir dann einfach gedacht: Hm, diese Wohnzimmerkonzerte sind ja eine Sache, aber es birgt ja so einen gewissen Kitzel, wenn man bei der Sache tatsächlich ein Album aufnimmt - wenn man wirklich in wildfremden Wohnungen einfällt und jeden Abend gucken muss: Wie sind hier die Bedingungen, welcher Boden knirscht, welcher Nachbar klopft jeden Moment an die Tür? Und man sitzt aber da und nimmt ein Live-Album auf, also, von dem Reiz lebt das für mich.
    "Die Musiker kommen halt jetzt nach Hause"
    Buchmann: Sehen Sie – Sie haben es jetzt gerade so ein bisschen angemerkt, so auch diesen Rückzug ins Private, dieses gerne als Cocooning bezeichnete Phänomen, was es ja schon seit etwa den 80er-Jahren gibt, aber immer wieder auftaucht. Sehen Sie das auch gerade als so eine kleine Bewegung und entsprechen der dann eben auch mit Ihren Wohnzimmerkonzerten?
    Pfeil: Also, ich möchte der Bewegung eigentlich nur sehr ungern entsprechen, weil ich das sehr bedauerlich finde, wenn es so ist. Ich praktiziere das selber nicht, ich gehe sehr viel aus, auch im hohen Alter von 47.
    Buchmann: Tatsächlich.
    Pfeil: Ja. Und ich glaube, das machen auch nach wie vor noch viele Leute. Aber es ist ein bisschen die Fortschreibung dieses Musikkonsumentenverhaltens und der damit einhergehenden Krise. Man kauft nicht mehr so viel, das Zeug ist überall da und die Musiker kommen halt jetzt nach Hause. Eine Zweischneidigkeit hat das auf jeden Fall - es ist nicht nur toll. Es gibt ja Leute, die solche Wohnzimmerkonzerte professionell organisieren, die einfach sagen: Es hat einfach einen Reiz, wenn ein Musiker im Wohnzimmer steht. Den hat es auch zweifelsohne. Wer das je mitgemacht oder erlebt hat, der weiß, wovon ich da rede.
    Livemusik ohne "das Nadelöhr der Geschmackskontrolle"
    Buchmann: Und hinzukommt sicherlich auch – ich weiß nicht, ob das noch mit in Ihrem Hinterkopf war – dass sich Musik, die mit irgendwelchen Inszenierungen, auch kleinen Inszenierungen verbunden ist wie eben zum Beispiel ein Wohnzimmerkonzert, auch eine engere Bindung an die sogenannte crowd bringt. Ist das auch was, was im Hinterkopf war?
    Pfeil: Na ja, es schafft natürlich erst mal eine immense Aufmerksamkeit, wenn man sagt, ich mache eine Tour, die geht nur durch Wohnzimmer, erster Schritt. Gut, das machen viele. Zweiter Schritt: Wir sind so bekloppt und nehmen dabei ein Live-Album auf und ich spiele wirklich jeden Abend nur neue Stücke, die noch nicht durch das Nadelöhr der Geschmackskontrolle gelaufen sind. Sondern ich sitze wirklich vor den Leuten, kann jederzeit meinen Text vergessen, nehme aber währenddessen ein Live-Album auf. Es wird gehustet, es wird geredet, es wird dazwischengerufen, ich ändere spontan Texte. Ich mache auch so sehr mäandernde Ansagen, die so durch die Gegend schweifen, Leute kommen rein, man baut spontan Chöre ein. Also, das birgt so einige Reize, die eine normale Tournee nicht hat. Und klar, das schafft natürlich eine Aufmerksamkeit, wenn man darüber spricht.
    "13 Wohnzimmer" mit verschiedenen Raumklängen
    Buchmann: Ist das tontechnisch auch herausfordernd?
    Pfeil: Oh ja!
    Buchmann: Also, zum Beispiel viel Teppich, viele Möbel, dann sehr dumpf oder …
    Pfeil: Ganz genau.
    Buchmann: … sehr, sehr karg möbliert oder sehr hallig, wie auch immer?
    Pfeil: Wir haben in Münster gespielt und das war sehr teppichdominiert, das schluckt dann sehr viel. Am nächsten Tag haben wir in Bremen gespielt, da knirschte das nur so vor Holz und gab so einen ganz tollen Raumklang. Das Album wird dann "13 Wohnzimmer" heißen, wie die Tour, und von jedem Abend wird es ein Song aufs Album schaffen: Es wird 13 verschiedene Räume abbilden und man hört diese Räume. Ich habe mir die ersten Aufnahmen angehört, das ist irre, was man da wirklich hört von einem Raum.
    Die Wohnzimmerkonzert-Tour läuft noch bis März
    Buchmann: Das nächste Konzert wird morgen (3.2.2017) in Köln sein, irgendwo, wo genau, werden Sie wahrscheinlich nicht verraten, weil das Ganze eine geschlossene Gesellschaft ist…
    Pfeil: Ja, weil es tatsächlich voll ist. Also, es gibt einige Konzerte, wo man noch reinkommt, in Berlin, Stuttgart, Dresden, da ist es kein Problem, auch das letzte Konzert in Köln, da kommt man noch rein, das Abschlusskonzert Anfang April. Morgen ist Köln tatsächlich voll.
    Buchmann: Herzlichen Dank!
    Pfeil: Ich danke!
    Buchmann: Der Musiker Eric Pfeil ist gerade auf Wohnzimmerkonzert-Tour, daraus entsteht dann sein nächstes Live-Album mit neuen Songs. Das nächste Konzert ist morgen in Köln (3.2.2017), dann wird er noch auf Tour sein in Aachen, Hameln, Berlin, Hamburg, München, Oberammergau, Lindau, Stuttgart, Dresden und dann noch mal in Köln.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.