Bettina Klein: Bodenoffensive oder Feuerpause – mit dieser Überschrift haben die Kollegen in der Region gestern Nachmittag noch ihre Angebote für die Spätsendungen versehen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten, diesen beiden Polen bewegten sich die Szenarien. Doch am ganz frühen Abend war dann eigentlich klar: es soll eine Feuerpause, eine Waffenruhe geben, alle gingen davon aus. Doch spätestens heute Nacht und am frühen Morgen stellte sich heraus: keine Feuerpause, kein Waffenstillstand.
Mitgehört hat der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Stinner.
Rainer Stinner: Guten Morgen!
Klein: Gestern Abend große Hoffnung auf allen Seiten, wir haben es gerade gehört. Aber alles war vergeblich, so groß ist der Einfluss weder der USA, noch Deutschlands in der Region. Was ist Ihre Reaktion?
Stinner: Ja das ist in der Tat so. Es keimte ja tatsächlich gestern Abend Hoffnung auf, aber im Laufe des späteren Abends war schon klar, dass diese Hoffnung ein weiteres Mal nicht erfüllt wird. Das ist wohl so, das müssen wir konstatieren. Dennoch ist es richtig, dass sich der Westen und auch Deutschland und unser Außenminister intensiv einschaltet, um zu versuchen, hier zu moderieren. Der Einfluss ist überschaubar, das ist keine Frage, hat auch die heutige Nacht gezeigt. Aber es ist richtig, dass wir deutlich machen, dass wir ein großes eigenes Interesse daran haben, diesen Konflikt zu entschärfen.
Klein: Ist denn für Sie, Herr Stinner, inzwischen deutlich geworden, was Außenminister Westerwelle eigentlich genau erreichen konnte bei seinem Besuch in Israel und Ägypten?
Stinner: Nun, er ist ja zwischen den einzelnen Seiten gestern sehr viel hin- und hergependelt und hat sicherlich mit dazu beigetragen – in welchem Umfang weiß ich jetzt nicht -, dass überhaupt die Chance bestand, ein solches Übereinkommen zu schließen, was dann nicht zu Stande gekommen ist, weil man sich wohl endgültig, wie es auch in Ihrem Bericht jetzt sehr deutlich herauskam, auf die Einzelheiten nicht einigen konnte. Daran hat er teilgenommen. Inwieweit er jetzt an einzelnen Formulierungen teilgenommen hat, kann ich natürlich nicht sagen. Das weiß ich jetzt natürlich nicht.
Klein: Wir haben es gerade gehört: es ist noch nicht hundertprozentig klar, woran es jetzt gescheitert ist, woran es gelegen hat, dass die von allen Seiten erwartete und von Ägypten ja schon halb verkündete Feuerpause doch nicht erreicht werden konnte. Es klang etwas an im Bericht von Torsten Teichmann aus Tel Aviv, dass möglicherweise es Kräfte auf der israelischen Seite gegeben hat, die dies verhindert hätten. Wir werden das noch abwarten müssen. Aber es klang auch an in einem Bericht, dass Ägypten sich eben doch zu nahe an der Hamas bewegt aus Sicht Israels. Ist das der diplomatische Grundkonflikt, um den es im Augenblick eigentlich geht – da sind wir wieder bei der Rolle Ägyptens – und dass das nicht ganz klar einzuschätzen ist, wohin da die Reise geht?
Stinner: Ja. Ich glaube, dass das tatsächlich eine Veränderung der Situation ist, die Rolle Ägyptens heute, in der heutigen Zeit, zu der Rolle Ägyptens unter Mubarak. Die ägyptische Regierung, die ägyptische Muslim-Bruderschaft hat sich sehr deutlich an die Seite der Hamas gestellt und nimmt damit Partei, und von daher ist es natürlich schwieriger, dass Ägypten tatsächlich als neutraler Vermittler angesehen werden kann. Ich habe mich ehrlich gesagt etwas gewundert, dass man so weit gekommen ist gestern unter Vermittlung Ägyptens, denn in der Tat sind die Aussagen Ägyptens sehr, sehr eindeutig pro Hamas. Der ägyptische Premierminister hat den Gazastreifen besucht und die Hamas gestärkt. Das ist sicherlich eine veränderte Situation. Aber es steht natürlich jetzt auch durchaus das Image Ägyptens in der Region auf dem Spiel, und das ist etwas, was die Sache noch kompliziert, weil natürlich Ägypten darauf achten muss, dass Ägypten selber als ernst zu nehmender Spieler oder Akteur besser gesagt in dieser Region wahrgenommen wird.
Klein: Aber auch die USA setzen ja weiterhin auf Ägypten als Vermittler in der Region und die Frage, die sich ja gestellt hat, war: Diese Solidarisierung mit der Hamas, die ja zuerst einmal erfolgt ist, kann es möglicherweise auch ein Vorteil sein? Welche Art von Gratwanderung ist da nötig, um am Ende eben doch Israel mit ins Boot zu holen?
Stinner: Ja, Sie haben das völlig richtig angesprochen. Es ist eine ganz enge Gratwanderung. Das gilt ja für einige Staaten ganz genauso. Wenn man konstatieren muss, dass Ägypten sich sehr pro Hamas positioniert, dann muss man natürlich auch konstatieren, dass die Vereinigten Staaten sich seit Jahren sehr stark pro Israel positionieren, und von daher sind die Vermittlungsmöglichkeiten beider Akteure durchaus eingeschränkt. Aber vielleicht gelingt es ja in Kombination von beiden, dass wir hier einen Schritt weiter kommen. Das muss jedenfalls unsere Hoffnung sein.
Klein: Was glauben Sie, da Sie auch angesprochen haben, die Deutschen sollten ihren Einfluss nicht zurücknehmen, obwohl der überschaubar bleibt? Sehen Sie einen ersten Schritt, den Sie für unumgänglich halten, um jetzt zumindest zu einer Feuerpause zu kommen?
Stinner: Nun, es geht ja darum, dass man sich auf die Bedingungen einigt, und so wie ich das verstanden habe durch die Berichterstattung seit gestern Abend, ist wohl eine Bedingung der Hamas gewesen, dass Israel sich verpflichtet, in Zukunft in keiner Weise mehr militärisch im Gazastreifen einzugreifen. Das kann natürlich nach meinem Dafürhalten Israel nicht generell zusagen. Wenn nämlich weiterhin Beschuss aus dem Gazastreifen kommt, dann wird Israel sich das Recht nicht nehmen lassen können, meines Erachtens, auch dagegen militärisch vorzugehen. Das scheint hier ein Knackpunkt zu sein. Inwieweit der heute überwunden werden kann durch die Einschaltung von Außenministerin Clinton, wird man heute sehen.
Klein: Das ist die Ausgangslage, die wir schon seit sehr, sehr langer Zeit haben, Herr Stinner. Also an den Grundsatzfragen hat sich ja seit Jahrzehnten nichts geändert.
Stinner: So ist es. Es ist auch so, dass an den Grundsatzfragen des Konfliktes sich seit Jahrzehnten nichts geändert hat. Es ist auch tatsächlich so – und das ist anscheinend die Tragik der Geschichte -, dass bei den Lösungsmöglichkeiten des Großkonfliktes Israel-Palästina eigentlich seit Jahrzehnten die möglichen Lösungen auf dem Tisch liegen. Das gilt sowohl für die Grenze zwischen Palästina und Israel, das gilt zweitens für die Frage des Rückkehrrechtes der Flüchtlinge und das gilt drittens für den Status Jerusalems. Dort gibt es seit vielen, vielen Jahren Vorschläge von Lösungen und ich erinnere an die Genfer Initiative von 2004, wo im Detail eine mögliche Lösung aufgeschrieben worden ist. Also an möglichen Lösungen fehlt es nicht, es fehlt an politischem Willen auf beiden Seiten und am Vertrauen, solche Lösungen tatsächlich durchzusetzen.
Klein: Herr Stinner, schauen wir noch auf einen anderen Player in der Region und damit auch noch auf einen etwas anderen Zusammenhang. Die Türkei hat Israels Vorgehen in Gaza eine terroristische Attacke genannt und Israel ein terroristisches System. Ich sage mal, das ist nicht ganz dasselbe, wie die deutsche Regierung das zum Beispiel sieht, die sich ja sehr stark an die Seite der israelischen Regierung gestellt hat. Jetzt geht es darum, dass die Türkei bei der NATO die Unterstützung durch Patriot-Raketen unter anderem auch mit deutschen Bundeswehrsoldaten anfordert, anfordern will. Müssen solche Meinungsverschiedenheiten bei der Beurteilung einer so wichtigen und so heiklen Situation drin sein, oder birgt das eben auch eine Gefahr, wenn die Türkei jetzt militärisch unterstützt wird?
Stinner: Nein, das sehe ich in dem Zusammenhang nicht. Aber ich sehe den Konflikt, den Sie aufgezeigt haben, sehr deutlich genauso, die unterschiedliche Einschätzung der Türkei und von uns, was die Situation Israel-Palästina angeht. Aber ich würde die Verbindung hier nicht herstellen wollen, denn die Türkei als NATO-Partner, als verlässlicher NATO-Partner bis in diese Tage hinein – wenn ich an die Hilfe beim Abzug aus Afghanistan denke, die die Türkei leistet -, hat uns darum gebeten, zum Schutz des eigenen Territoriums Unterstützung zu leisten. Es geht ausschließlich – das möchte ich hier nochmals ausdrücklich betonen -, ausschließlich darum, die territoriale Integrität der Türkei zu schützen. Es geht unter keinen Umständen darum, dass da durch deutsche Patriot-Raketen eingegriffen wird in den syrisch-türkischen Konflikt (Herr Stinner meint den syrischen Bürgerkrieg und bat um Korrektur, d. Online-Red.)
Klein: Ist denn, Herr Stinner, jetzt sicher, dass es in dieser Frage einen Bundestagsbeschluss geben wird, wie Ihre Partei das ja unter anderem – auch die Oppositionsparteien haben es getan – gefordert hat?
Dass sich Ägypten "sehr deutlich an die Seite der Hamas gestellt" hat, erschwere die Vermittlungsbemühungen, sagt Rainer Stinner. Ein weiterer "Knackpunkt" sei die Forderung der Hamas, "dass Israel sich verpflichtet, in keiner Weise mehr militärisch im Gazastreifen einzugreifen", so der verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Stinner: Ich gehe davon aus – wir haben uns dort sehr deutlich positioniert -, meine Einschätzung ist und meine Forderung beruht sehr stark auf dem Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2008, in dem ganz klar geschrieben worden ist, falls eine militärische Aktion zu erwarten ist, eventuell zu erwarten ist, muss mandatiert werden. Das ist hier gegeben. Wir würden die Patriots runterschicken, um die Türkei zu schützen. Das heißt, das schließt eben ein, dass eventuell, wenn Beschuss erfolgt, auch militärisch eingegriffen wird. Und von daher ist für mich aus dem Kontext dieses Urteils von 2008 eine Mandatierung auch in diesem Fall notwendig.
Klein: Bei Ihrem Koalitionspartner, der CDU, war das ja zunächst mal zumindest gar nicht so klar, dass ein Bundestagsmandat zwingend erforderlich wäre. Sie erwarten dort also ganz definitiv ein Umdenken?
Stinner: Nein. Ich will das nicht überdramatisieren. Dass man in solchen Vorsituationen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, unterschiedliche Varianten durchspielt, das ist ganz normal. Aber ich glaube, wir werden uns trotzdem unproblematisch einigen.
Klein: Gibt es schon Anhaltspunkte für den Zeitplan, was diese Entscheidung jetzt angeht?
Stinner: Nein, den gibt es noch nicht, weil wir endgültig jetzt erst mal auch die Planung abwarten müssen. Nach meinen Informationen ist die Dauer der Verlegemöglichkeit, wann man da sein kann, dauert zehn Tage. Davor muss der Beschluss gefasst werden, müssen vorbereitende Arbeiten tätig werden. Aber wenn der Beschluss jetzt schnell gefasst werden sollte, dann kann ich davon ausgehen, dass jedenfalls auch in diesem Jahr noch eine Stationierung erfolgen kann.
Klein: Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Stinner, heute Morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Stinner.
Stinner: Danke schön! Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Stinner.
Rainer Stinner: Guten Morgen!
Klein: Gestern Abend große Hoffnung auf allen Seiten, wir haben es gerade gehört. Aber alles war vergeblich, so groß ist der Einfluss weder der USA, noch Deutschlands in der Region. Was ist Ihre Reaktion?
Stinner: Ja das ist in der Tat so. Es keimte ja tatsächlich gestern Abend Hoffnung auf, aber im Laufe des späteren Abends war schon klar, dass diese Hoffnung ein weiteres Mal nicht erfüllt wird. Das ist wohl so, das müssen wir konstatieren. Dennoch ist es richtig, dass sich der Westen und auch Deutschland und unser Außenminister intensiv einschaltet, um zu versuchen, hier zu moderieren. Der Einfluss ist überschaubar, das ist keine Frage, hat auch die heutige Nacht gezeigt. Aber es ist richtig, dass wir deutlich machen, dass wir ein großes eigenes Interesse daran haben, diesen Konflikt zu entschärfen.
Klein: Ist denn für Sie, Herr Stinner, inzwischen deutlich geworden, was Außenminister Westerwelle eigentlich genau erreichen konnte bei seinem Besuch in Israel und Ägypten?
Stinner: Nun, er ist ja zwischen den einzelnen Seiten gestern sehr viel hin- und hergependelt und hat sicherlich mit dazu beigetragen – in welchem Umfang weiß ich jetzt nicht -, dass überhaupt die Chance bestand, ein solches Übereinkommen zu schließen, was dann nicht zu Stande gekommen ist, weil man sich wohl endgültig, wie es auch in Ihrem Bericht jetzt sehr deutlich herauskam, auf die Einzelheiten nicht einigen konnte. Daran hat er teilgenommen. Inwieweit er jetzt an einzelnen Formulierungen teilgenommen hat, kann ich natürlich nicht sagen. Das weiß ich jetzt natürlich nicht.
Klein: Wir haben es gerade gehört: es ist noch nicht hundertprozentig klar, woran es jetzt gescheitert ist, woran es gelegen hat, dass die von allen Seiten erwartete und von Ägypten ja schon halb verkündete Feuerpause doch nicht erreicht werden konnte. Es klang etwas an im Bericht von Torsten Teichmann aus Tel Aviv, dass möglicherweise es Kräfte auf der israelischen Seite gegeben hat, die dies verhindert hätten. Wir werden das noch abwarten müssen. Aber es klang auch an in einem Bericht, dass Ägypten sich eben doch zu nahe an der Hamas bewegt aus Sicht Israels. Ist das der diplomatische Grundkonflikt, um den es im Augenblick eigentlich geht – da sind wir wieder bei der Rolle Ägyptens – und dass das nicht ganz klar einzuschätzen ist, wohin da die Reise geht?
Stinner: Ja. Ich glaube, dass das tatsächlich eine Veränderung der Situation ist, die Rolle Ägyptens heute, in der heutigen Zeit, zu der Rolle Ägyptens unter Mubarak. Die ägyptische Regierung, die ägyptische Muslim-Bruderschaft hat sich sehr deutlich an die Seite der Hamas gestellt und nimmt damit Partei, und von daher ist es natürlich schwieriger, dass Ägypten tatsächlich als neutraler Vermittler angesehen werden kann. Ich habe mich ehrlich gesagt etwas gewundert, dass man so weit gekommen ist gestern unter Vermittlung Ägyptens, denn in der Tat sind die Aussagen Ägyptens sehr, sehr eindeutig pro Hamas. Der ägyptische Premierminister hat den Gazastreifen besucht und die Hamas gestärkt. Das ist sicherlich eine veränderte Situation. Aber es steht natürlich jetzt auch durchaus das Image Ägyptens in der Region auf dem Spiel, und das ist etwas, was die Sache noch kompliziert, weil natürlich Ägypten darauf achten muss, dass Ägypten selber als ernst zu nehmender Spieler oder Akteur besser gesagt in dieser Region wahrgenommen wird.
Klein: Aber auch die USA setzen ja weiterhin auf Ägypten als Vermittler in der Region und die Frage, die sich ja gestellt hat, war: Diese Solidarisierung mit der Hamas, die ja zuerst einmal erfolgt ist, kann es möglicherweise auch ein Vorteil sein? Welche Art von Gratwanderung ist da nötig, um am Ende eben doch Israel mit ins Boot zu holen?
Stinner: Ja, Sie haben das völlig richtig angesprochen. Es ist eine ganz enge Gratwanderung. Das gilt ja für einige Staaten ganz genauso. Wenn man konstatieren muss, dass Ägypten sich sehr pro Hamas positioniert, dann muss man natürlich auch konstatieren, dass die Vereinigten Staaten sich seit Jahren sehr stark pro Israel positionieren, und von daher sind die Vermittlungsmöglichkeiten beider Akteure durchaus eingeschränkt. Aber vielleicht gelingt es ja in Kombination von beiden, dass wir hier einen Schritt weiter kommen. Das muss jedenfalls unsere Hoffnung sein.
Klein: Was glauben Sie, da Sie auch angesprochen haben, die Deutschen sollten ihren Einfluss nicht zurücknehmen, obwohl der überschaubar bleibt? Sehen Sie einen ersten Schritt, den Sie für unumgänglich halten, um jetzt zumindest zu einer Feuerpause zu kommen?
Stinner: Nun, es geht ja darum, dass man sich auf die Bedingungen einigt, und so wie ich das verstanden habe durch die Berichterstattung seit gestern Abend, ist wohl eine Bedingung der Hamas gewesen, dass Israel sich verpflichtet, in Zukunft in keiner Weise mehr militärisch im Gazastreifen einzugreifen. Das kann natürlich nach meinem Dafürhalten Israel nicht generell zusagen. Wenn nämlich weiterhin Beschuss aus dem Gazastreifen kommt, dann wird Israel sich das Recht nicht nehmen lassen können, meines Erachtens, auch dagegen militärisch vorzugehen. Das scheint hier ein Knackpunkt zu sein. Inwieweit der heute überwunden werden kann durch die Einschaltung von Außenministerin Clinton, wird man heute sehen.
Klein: Das ist die Ausgangslage, die wir schon seit sehr, sehr langer Zeit haben, Herr Stinner. Also an den Grundsatzfragen hat sich ja seit Jahrzehnten nichts geändert.
Stinner: So ist es. Es ist auch so, dass an den Grundsatzfragen des Konfliktes sich seit Jahrzehnten nichts geändert hat. Es ist auch tatsächlich so – und das ist anscheinend die Tragik der Geschichte -, dass bei den Lösungsmöglichkeiten des Großkonfliktes Israel-Palästina eigentlich seit Jahrzehnten die möglichen Lösungen auf dem Tisch liegen. Das gilt sowohl für die Grenze zwischen Palästina und Israel, das gilt zweitens für die Frage des Rückkehrrechtes der Flüchtlinge und das gilt drittens für den Status Jerusalems. Dort gibt es seit vielen, vielen Jahren Vorschläge von Lösungen und ich erinnere an die Genfer Initiative von 2004, wo im Detail eine mögliche Lösung aufgeschrieben worden ist. Also an möglichen Lösungen fehlt es nicht, es fehlt an politischem Willen auf beiden Seiten und am Vertrauen, solche Lösungen tatsächlich durchzusetzen.
Klein: Herr Stinner, schauen wir noch auf einen anderen Player in der Region und damit auch noch auf einen etwas anderen Zusammenhang. Die Türkei hat Israels Vorgehen in Gaza eine terroristische Attacke genannt und Israel ein terroristisches System. Ich sage mal, das ist nicht ganz dasselbe, wie die deutsche Regierung das zum Beispiel sieht, die sich ja sehr stark an die Seite der israelischen Regierung gestellt hat. Jetzt geht es darum, dass die Türkei bei der NATO die Unterstützung durch Patriot-Raketen unter anderem auch mit deutschen Bundeswehrsoldaten anfordert, anfordern will. Müssen solche Meinungsverschiedenheiten bei der Beurteilung einer so wichtigen und so heiklen Situation drin sein, oder birgt das eben auch eine Gefahr, wenn die Türkei jetzt militärisch unterstützt wird?
Stinner: Nein, das sehe ich in dem Zusammenhang nicht. Aber ich sehe den Konflikt, den Sie aufgezeigt haben, sehr deutlich genauso, die unterschiedliche Einschätzung der Türkei und von uns, was die Situation Israel-Palästina angeht. Aber ich würde die Verbindung hier nicht herstellen wollen, denn die Türkei als NATO-Partner, als verlässlicher NATO-Partner bis in diese Tage hinein – wenn ich an die Hilfe beim Abzug aus Afghanistan denke, die die Türkei leistet -, hat uns darum gebeten, zum Schutz des eigenen Territoriums Unterstützung zu leisten. Es geht ausschließlich – das möchte ich hier nochmals ausdrücklich betonen -, ausschließlich darum, die territoriale Integrität der Türkei zu schützen. Es geht unter keinen Umständen darum, dass da durch deutsche Patriot-Raketen eingegriffen wird in den syrisch-türkischen Konflikt (Herr Stinner meint den syrischen Bürgerkrieg und bat um Korrektur, d. Online-Red.)
Klein: Ist denn, Herr Stinner, jetzt sicher, dass es in dieser Frage einen Bundestagsbeschluss geben wird, wie Ihre Partei das ja unter anderem – auch die Oppositionsparteien haben es getan – gefordert hat?
Dass sich Ägypten "sehr deutlich an die Seite der Hamas gestellt" hat, erschwere die Vermittlungsbemühungen, sagt Rainer Stinner. Ein weiterer "Knackpunkt" sei die Forderung der Hamas, "dass Israel sich verpflichtet, in keiner Weise mehr militärisch im Gazastreifen einzugreifen", so der verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Stinner: Ich gehe davon aus – wir haben uns dort sehr deutlich positioniert -, meine Einschätzung ist und meine Forderung beruht sehr stark auf dem Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2008, in dem ganz klar geschrieben worden ist, falls eine militärische Aktion zu erwarten ist, eventuell zu erwarten ist, muss mandatiert werden. Das ist hier gegeben. Wir würden die Patriots runterschicken, um die Türkei zu schützen. Das heißt, das schließt eben ein, dass eventuell, wenn Beschuss erfolgt, auch militärisch eingegriffen wird. Und von daher ist für mich aus dem Kontext dieses Urteils von 2008 eine Mandatierung auch in diesem Fall notwendig.
Klein: Bei Ihrem Koalitionspartner, der CDU, war das ja zunächst mal zumindest gar nicht so klar, dass ein Bundestagsmandat zwingend erforderlich wäre. Sie erwarten dort also ganz definitiv ein Umdenken?
Stinner: Nein. Ich will das nicht überdramatisieren. Dass man in solchen Vorsituationen, bevor es zu einer Entscheidung kommt, unterschiedliche Varianten durchspielt, das ist ganz normal. Aber ich glaube, wir werden uns trotzdem unproblematisch einigen.
Klein: Gibt es schon Anhaltspunkte für den Zeitplan, was diese Entscheidung jetzt angeht?
Stinner: Nein, den gibt es noch nicht, weil wir endgültig jetzt erst mal auch die Planung abwarten müssen. Nach meinen Informationen ist die Dauer der Verlegemöglichkeit, wann man da sein kann, dauert zehn Tage. Davor muss der Beschluss gefasst werden, müssen vorbereitende Arbeiten tätig werden. Aber wenn der Beschluss jetzt schnell gefasst werden sollte, dann kann ich davon ausgehen, dass jedenfalls auch in diesem Jahr noch eine Stationierung erfolgen kann.
Klein: Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Stinner, heute Morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Stinner.
Stinner: Danke schön! Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.