Tausende pro-palästinensische Demonstranten haben in mehreren deutschen Städten gegen Israels Vorgehen im Nahostkonflikt protestiert. Teilweise kam es zu Ausschreitungen.
Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik, Seniorprofessor am Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg, meint, dass es vielen Teilnehmenden nicht darum geht, Solidarität mit bombardierten Palästinensern in Gaza zu zeigen, sondern, "dass sie ein Ventil suchen, um schieren Judenhass an den Tag zu legen."
Brumlik: Judentum und Politik des Staats Israel werden gleichgesetzt
Einen Grund für den Judenhass erklärt Brumlik auch mit der Zuwanderung aus Syrien. Dort sei es offenbar über Jahrzehnte so gewesen, "dass Judentum und der Staat Israel miteinander – beziehungsweise, Judentum, der Staat Israel und die jeweiligen Politiken des Staates Israel pauschal gleichgesetzt worden sind."
Legitim sei hingegen die Kritik der Demonstrierenden an der Siedlungspolitik radikaler israelischer Fundamentalisten im Westjordanland. Das werde jedoch durch den grundlegenden antisemitischen Tonfall der meisten Demonstrationen delegitimiert, meint Brumlik.
Verbände sollten sich stärker distanzieren
Er ist jedoch skeptisch, ob man die "Wertehaltung" der Menschen noch beeinflussen kann. Dass auch Jüdinnen und Juden in Deutschland für die israelische Politik verantwortlich gemacht würden, sei "schierer Antisemitismus. Das kann man nur verbieten, bestrafen und man kann natürlich versuchen, das in Bildungsinstitutionen aufzugreifen."
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte jüngst ein striktes Durchgreifen bei Angriffen auf jüdische Einrichtungen in Deutschland angekündigt. Wer antisemitischen Hass verbreite, werde die Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen, sagte Seehofer.
Es bleibe zu hoffen, dass auch die Appelle des Zentralrats der Muslime in Deutschland Wirkung zeigten, so Brumlik. Die Vergangenheit habe jedoch gezeigt, dass der Zentralrat mit Blick auf die gesamte muslimische Bevölkerung Deutschlands vergleichsweise wenig Einfluss habe. Auch andere Verbände müssten sich davon distanzieren. Mittlerweile hat auch der Islamverband Ditib Muslime dazu aufgerufen, sich von "hasserfüllten Menschenansammlungen fernzuhalten".