Katrin Michaelsen: Oliver Neuroth, in Spanien ist die Homo-Ehe seit 2005 erlaubt. Welche Argumente gab es damals für die Einführung?
Oliver Neuroth: Da ging es vor allem um soziale Gleichstellung. Lesben- und Schwulenverbände hier in Spanien hatten jahrelang gefordert, dass die Homo-Ehe kommt und dass eben homosexuelle Paare dieselben Rechte haben wie heterosexuelle Paare. Vor allem hier in der Hauptstadt in Madrid gibt es eine starke Schwulenbewegung. Doch von den konservativen Regierungen in der Vergangenheit wurde die Forderung immer abgeschmettert und da waren selbst die Kämpfer für die Homo-Ehe etwas überrascht, als dann der sozialistische Ministerpräsident Zapatero 2005 dieses Projekt wirklich angegangen ist, und recht schnell nach Beginn seiner Amtszeit. Für ihn und seine Partei war das Hauptargument ebenfalls, homosexuelle Paare sollen gleichberechtigt sein, Spanien müsse erkennen, dass es nicht mehr nur Mann und Frau als Partnerschaft gibt, sondern eben auch Mann und Mann oder Frau und Frau, und dass diese nicht benachteiligt werden dürfen.
Michaelsen: Florian Kellermann in Warschau, finden solche Argumente in Polen Anklang?
Florian Kellermann: Ganz und gar nicht. In Polen gibt es ja noch nicht mal irgendeinen rechtlichen Status für gleichgeschlechtliche Paare, geschweige denn eine Gleichstellung, also eine Art von Ehe. Unter der Vorgängerregierung, die bis 2015 im Amt war, gab es einige Versuche, zumindest so einen rechtlichen Status herbeizuführen, das ist aber immer wieder im Parlament gescheitert. Und unter der amtierenden Regierung, den Rechtskonservativen, gibt es noch nicht mal eine Diskussion über das Ganze. Die Hälfte der Polen sagt bei Umfragen, na ja, eine Art von notariellem Vertrag oder etwas Ähnliches könnte es schon geben für gleichgeschlechtliche Paare, dass sie zumindest einige Rechte haben, aber für eine Ehe sind also nur die wenigsten Polen, gerade etwas mehr als ein Viertel. Und da gibt es also keine Aussicht, keine Chance.
Michaelsen: Wie sieht es mit der Rolle der katholischen Kirche aus in Polen?
"Selbst die liberalen Geistlichen in Polen lassen keine Diskussion zu"
Kellermann: Die katholische Kirche spielt hier schon eine wichtige Rolle. 40 Prozent der Polen gehen regelmäßig in die Kirche und gerade die konservativeren Geistlichen predigen auch immer wieder über solche weltanschaulichen Themen wie Abtreibung, auch Homo-Ehe, und grenzen also sich da auch deutlich dann ab von westlicheren europäischen Ländern und sagen: So soll es bei uns auf keinen Fall werden. Aber auch die liberaleren Geistlichen in Polen lassen da, auch wenn sie nicht so häufig darüber sprechen, keine Diskussion zu. Sie sind auch klar gegen eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren.
Michaelsen: Oliver Neuroth in Madrid: Wie sieht es mit dem Widerstand der katholischen Kirche aus? War der in Spanien zunächst ähnlich groß wie in Polen?
Neuroth: Ja, der Widerstand der katholischen Kirche war in Spanien riesig, nachdem dieses Gesetz in Kraft trat. Die Kirche hat zu Demonstrationen aufgerufen, zu denen auch viele Tausend Menschen kamen, die Kirche hat auch das Gesetz fortan beim Tag der Familie, der hier in Madrid auf einem zentralen Platz in der Innenstadt gefeiert wird, heftig kritisiert, es gab Live-Schalten in den Vatikan, der natürlich mitkritisierte. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, im Jahr 2006, hat dann ein erzkonservativer Bischof hier in Spanien für Schlagzeilen gesorgt, er predigte in einem Fernsehgottesdienst, der live übertragen wurde, und sagte sinngemäß: Schwule sollen in der Hölle schmoren. Das sorgt bis heute für Diskussion in der Szene und bis heute haben auch Gruppen mit erzkonservativen Ansichten Einfluss in Spanien. Eine Gruppe, Hazte Oír heißt sie, sorgte erst vor ein paar Wochen für Aufsehen, als sie mit einem Reisebus durch spanische Städte fuhr, auf den Sprüche gegen Transsexuelle abgedruckt waren. Also, es gibt weiterhin Gruppen, die ihre konservativen Ansichten mit Druck hier auf die Straße bringen wollen.
Michaelsen: Wenn wir auf das Familienbild in Spanien und in Polen schauen, Herr Neuroth, Sie vielleicht zuerst: Wie hat sich das Familienbild in Spanien verändert im Laufe der Zeit?
"Homosexualität in Spanien nicht überall selbstverständlich"
Neuroth: Das ist heute im Prinzip recht fortschrittlich. Es gibt mehrere Umfragen, die haben schon ergeben, dass heutzutage kaum ein Spanier etwas gegen die Homo-Ehe einzuwenden hat, das gilt vor allem für die Städte, dort sind die meisten Menschen sehr tolerant in Spanien. Anders ist das in den ländlichen Regionen, dort wird Homosexualität häufig noch als nicht selbstverständlich angesehen. Meine Kollegin hier im Studio, die schon seit vielen Jahren in Spanien lebt, hat mir vor Kurzem auch gesagt, dass ein schwuler Freund, der noch bei den Eltern wohnte, sie hin und wieder gefragt hat, ob sie nicht so tun könnte, als wäre sie seine Partnerin, seine Freundin, denn er traute sich nicht, den Eltern zu sagen, dass er schwul ist. Und so was hört man gerade aus ländlichen Regionen hier in Spanien häufiger.
Kellermann: Ja, da sieht man, welche Spannbreite es doch gibt in der EU. Denn in Polen sagen nur drei Prozent der Menschen, dass sie sich vorstellen können, keine Kinder bekommen zu wollen. 85 Prozent sagen, zum Glück im Leben gehört eine Familie, und für viele ist das eben die ganz traditionelle Familie aus Mann, Frau und eben Kindern. Die Polen werden auch insgesamt eher konservativer, das zeigt ihre Haltung zur Abtreibung, die in Umfrage häufiger abgefragt wird, aber auch im Wahlverhalten. Gerade die Jungen, die 18- bis 24-Jährigen treten in ihrer Mehrheit für Parteien ein, die ein gesellschaftlich sehr konservatives Bild haben, ähnlich wie der der PiS oder sogar noch ein bisschen konservativer.
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