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Problemtiere
Hybridwölfe: Schützen oder schießen?

Einfangen oder erschießen - auf einem dieser Wege will Thüringens Umweltministerium die Wolfshybriden loswerden, die schon Dutzende Schafe gerissen haben. Die Jungtiere stammen aus dem Wurf einer Wölfin, die sich mit einem Hund gepaart hatte.

Von Henry Bernhard |
    Ein Rudel Wölfe streift im Februar 2017 im Wildpark in Poing (Bayern) durch ein Gehege.
    Seit 2014 leben sie unauffällig auf einem Truppenübungsplatz - nun sind sie "Problemwölfe" (dpa-Bildfunk / Alexander Heinl)
    Der Nebenerwerbslandwirt Michael Schneider führt über eine Weide am Ortsrand von Espenfeld bei Arnstadt. 50, 60 Meter vom ersten Haus entfernt liegt etwas, das einmal ein Schaf war. Es sieht aus wie ein Fell mit Kopf und Beinen. Alles Fleisch, alle Innereien fehlen. Die Rippen umspannen einen leeren Raum. Das Fell liegt darunter wie eine Decke ausgebreitet am Boden.
    "Da hat man gründliche Arbeit getan. Sehen sie: Da fangen die da an. Die ganzen Innereien. Nur ein Stückchen Herzchen haben sie drin gelassen. Lenden – ist alles mit weg schön! Schön säuberlich fleischer-fachgerecht getrennt."
    Ein unerwartetes Problem
    Diesen Anblick mußte Michael Schneider im letzten Viertel Jahr 39 mal ertragen. 39 seiner Schafe und zwei Ziegen hat der Wolf gerissen, ein Drittel seiner Herde. Er hat einen Elektrozaun um die Herde gelegt, er hat ihn erhöht, alles so, wie es die Vorschriften des Landes vorsehen. Alles vergeblich. Vier Mal hat die Wölfin den Zaun übersprungen und zugeschlagen.
    "Wir wussten, wenn ein Wolf kommt, haben wir ein Problem. Aber wir hätten uns so ein Problem, wie es sich 2017 zugespitzt hat, nicht erwartet", sagt Arno Rudolph.
    Arno Rudolph ist ein gelassener Mann; er ist Zuchtleiter im Thüringer Schafzüchterverband und inzwischen eine Art Wolfsbeauftragter der Schäfer.
    "Es ist bemerkenswert, dass die Wölfin mit ihren Jungtieren in den letzten drei Monaten allein über 80 Tiere gerissen hat. Das ist so viel wie vor zwei bis drei Jahren zwölf oder 13 Rudel in ganz Sachsen. Und demzufolge ist auch diese Wölfin hier in Thüringen zum Problemwolf geworden."
    Seltene Wolfshybriden
    Die Wölfin lebt seit 2014 unauffällig auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr bei Ohrdruf. Sie hat sich von Wildtieren ernährt, wie es für Wölfe üblich ist. In diesem Jahr aber kam alles anders: Die Wölfin warf sechs Junge. Der Vater der sechs Wolfshybriden: ein unbekannter, freilaufender Hund. Ein seltener Vorgang, der Folgen nach sich zog, so Rudolph:
    "Und der zweite unglückliche Zustand ist, dass die Wölfin dann alleine für die Versorgung ihres Wurfes verantwortlich war. Und die Wölfin musste natürlich dann immer mehr Futter heranschaffen. Das hat sie wahrscheinlich nicht mehr mit Wildtieren geschafft. Und eines Tages hat sie das natürlich durch Überspringen von Elektronetzen, wo die Schafe eingepfercht waren, begangen. Und damit wurden die ersten Schafe gerissen in einer Größenordnung, die wir eigentlich nicht gekannt haben."
    "Welpen lernen hier das Jagen"
    "So sieht das aus, wenn Wölfe zuschlagen. Und so sehen auch Rissbilder aus. Sehen sie – ich kann ihnen das noch mal zeigen." Michael Schneider beugt sich zu dem Schafskadaver nieder. In der Haut am Hals zeigt er kleine Löcher.
    "Das sind ganz kleine Bisse. Das ist ein Biss. Und das ist der Biss hier. Welpen lernen hier das Jagen. Oder haben das jagen schon gelernt."
    Schneider und auch die anderen Schafzüchter in Thüringen fordern nun, dass die Wölfin und ihre Welpen verschwinden müssten, da sie sich offensichtlich nicht von hohen Elektrozäunen abschrecken ließen. Im Thüringer Umweltministerium ist die Entscheidung gefallen.
    "Die Hybridwölfe können da nicht bleiben, sodass wir sie aus Artenschutzgründen entnehmen", bestätigt Ministerin Anja Siegesmund nach vielen langen Sitzungen mit vielen Fachleuten. "Und im Augenblick prüfen wir zwei Varianten. Die Variante eins ist: Wir fangen sie lebend und können sie dann unterbringen, da gibt es diverse Gespräche. Oder wir müssen sie, bevor sie sich auf den Weg machen, um eigene Reviere zu bilden, dann schießen, das ist die zweite Option. Beides ist ein schwerer Weg, weil wir eben Arten- und Tierschutz miteinander in Einklang bringen wollen."
    Artenschutz geht vor
    Die Wölfin aber bleibt. Artenschutz geht vor. Die Schäfer müssten ihre Tiere nur richtig schützen, mit hohen Zäunen und Hütehunden. Mehr Geld dafür sei eventuell auch drin. Für Michael Schneider kommt das zu spät. Die Entschädigung für die gerissenen Schafe sei zu niedrig. Sie umfasst nur das tote Tier, nicht aber die Embryonen im Mutterleib der gerissenen Mutterschafe, nicht die Frühgeburten während der Hatz durch den Wolf, nicht die Unterhaltskosten für Hütehunde. Schneider reicht es jetzt.
    "Einfach aufhören! Wir haben dieses Jahr 39 Mutterschafe dem Wolf gesponsert. Plus die Lämmer, dieses Jahr beziehungsweise nächstes Jahr fehlen. Einfach aufhören. Man kann nicht nur Wolfsfutter produzieren."
    Silvester Tamás, Wolf-Verantwortlicher beim Naturschutzbund Thüringen, verweist dagegen auf längerfristige Ziele:
    "Wir müssen die Natur machen lassen. Und wir sehen dort, wo wir die Natur machen lassen, was sie am besten kann – Vielfalt erzeugen –, wenn wir Vielfalt zulassen und noch mehr Vielfalt erleben können persönlich auch, ist das eine Bereicherung, die sich noch weit über dem misst, was vielleicht an dem einen oder anderen Schaf verloren geht."