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Problemzone Förderung

Durch das Bildungspaket können 2,5 Millionen Kinder einen Zuschuss zum Mittagessen in der Schule erhalten, außerdem Gutscheine für Sportvereine oder für Musikunterricht. Die Leistungen werden unterschiedlich stark nachgefragt – Anträge für Nachhilfeunterricht sind nur wenige eingegangen.

Von Claudia van Laak |
    Eierkuchen mit Apfelmus oder Spaghetti mit Tomatensoße – die Kinder der Heinz-Brandt-Sekundarschule in Berlin-Pankow haben die Wahl. Bedürftige zahlen nur einen Euro. Das Bildungspaket macht's möglich. Die Grundidee dieses Programms: Kinder aus bedürftigen Familien sollen nicht ausgeschlossen werden, sie sollen teilnehmen können am Schulmittagessen, an Ausflügen, Klassenfahrten. Und die Versetzung soll nicht am fehlenden Geld für Nachhilfestunden scheitern.

    Der Zuschuss zum warmen Mittagessen funktioniert, bilanziert Schulleiterin Miriam Pech, die Nachhilfe leider nicht.

    "Wir müssen jetzt erst einmal die Kinder eruieren, die einen Nachhilfebedarf haben, das ist meist nicht deckungsgleich mit den Kindern, die auch anspruchsberechtigt sind, also müssen wir erst die wieder rausfinden, und dann müssen wir Gruppen bilden, um dann mit unserem Nachhilfeträger auch zu gucken, wie wir das realisieren können."

    Bis Kinder aus bedürftigen Familien umsonst Nachhilfeunterricht erhalten, müssen die Eltern ein umständliches und bürokratisches Verfahren durchlaufen. Zunächst brauchen sie ein entsprechendes Formular, das sie zum Beispiel beim Jobcenter erhalten. Auf diesem Formular muss die Schulleitung unterschreiben, dass das Kind mithilfe von Nachhilfeunterricht die – so wörtlich – "wesentlichen Lernziele erreicht". Im Grunde genommen können wir das gar nicht unterschreiben, sagt Daniela Strezinsky, stellvertretende Leiterin der Heinz-Brandt-Schule.

    "Also genau genommen nicht, man kann sagen, der Nachhilfeträger, mit dem man zusammenarbeitet, ist qualitativ hochwertig, ob das dann im Einzelfall funktioniert, kann man vorher nicht sehen."

    Mit dem von der Schulleitung unterschriebenen und abgestempelten Formular müssen die Eltern dann zum Jobcenter, dieses verlangt zum Teil noch die Kopien der letzten Zeugnisse. Und es verlangt einen gültigen Berlin-Pass – ein Dokument, mit dem die Bedürftigen belegen können, dass sie auch wirklich bedürftig sind. Dann heißt es: abwarten. In Berlin dauert es mehrere Wochen, bis die Anträge bewilligt werden. Damit niemand Leistungen aus dem Bildungspaket erschleicht, gilt der Berlin-Pass nur sechs Monate und muss immer wieder neu beantragt werden. Auch die Schulen brauchen die gültigen Berlin-Pässe, um die Anträge auf Nachhilfe unterschreiben zu können.

    "Es ist offensichtlich, dass viele nicht von alleine daran denken, und ich weiß auch nicht, ob die jedes Mal daran denken, den neuen Pass zu beantragen, verlängern zu lassen und den dann in die Schule zu bringen. Wir sind also damit beschäftigt, jedem hinterherzurennen und zu sagen, denken Sie bitte daran, das halbe Jahr ist schon wieder vorbei."

    Umständlich für die Eltern, umständlich für die Schulen, die die Umsetzung des Bildungspakets so ganz nebenbei ohne zusätzliches Personal schultern müssen. Selbst die kommerziellen Nachhilfeinstitute sind nicht zufrieden, obwohl das Bildungspaket eigentlich für sie einer Wirtschaftsförderung gleichkommt. Jan Horn ist Geschäftsführer des Lernwerks, einem in Berlin und Brandenburg tätigen privaten Nachhilfeinstitut.

    "Man muss sich vorstellen, da kommt jetzt ein Schüler, der möchte Unterricht haben. Da müssen wir Tage finden, Räume finden, einen Termin haben, Verträge schließen, das Ganze muss abgerechnet werden, der Bildungspass muss kontrolliert werden, ein Lehrer muss gefunden werden etc. und das Ganze für einen einzelnen Schüler."

    Das Lernwerk hat mittlerweile Verträge mit zehn Berliner Schulen geschlossen. Allerdings hat dort noch keine einzige durch das Bildungspaket finanzierte Nachhilfestunde stattgefunden. Jan Horn hofft, dass es in der nächsten Woche endlich losgehen kann – Eltern und Kinder hoffen dies vermutlich auch.