Können branchenfremde Firmen einfach in die Produktion von Medizintechnik einsteigen?
Nein, das ist nicht ganz so einfach. Das hängt nämlich sehr von den Produkten ab, die jetzt in der Coronakrise benötigt werden. Zum Beispiel: Atemschutzmasken. Die sind technisch nicht ganz so aufwendig herzustellen. Der bayerische Automobil-Zulieferer Zettl näht eigentlich Sitzbezüge. Jetzt sind es Schutzmasken. Aber nicht einfach so ein Stück Stoff, wie man sich das vielleicht auch selbst zuschneiden kann, was kleine Privatfirmen auch schon machen. Bei Zettl liefert der Vlies-Hersteller Sandler zu, sodass die Masken die entsprechende Qualität haben für Kliniken, Ärzte oder Pflegeheime.
Wie sieht es mit der Herstellung von Desinfektionsmitteln aus?
Desinfektionsmittel sind derzeit knapp. Deshalb stellen das zunehmend die Kliniken und die Apotheken selbst her. Die brauchen dafür aber Ethanol, das ist der wichtigste Grundstoff für Desinfektionsmittel. Und bei Ethanol gab es zuletzt Engpässe, da es strenge Vorschriften gibt, nur besonders gereinigten Alkohol zu verwenden. Diese Vorschriften werden jetzt gelockert. Aktuell helfen bekannte Firmen wie Jägermeister oder Pernod aus mit Alkohol. Der Getränkeproduzent Berentzen aus Haselünne im Emsland denkt sogar darüber nach, selbst Desinfektionsmittel herzustellen.
Können Autobauer auch Beatmungsgeräte produzieren?
Ein Beatmungsgerät ist natürlich ein viel komplexeres Produkt. Ein führender Hersteller ist hier das Lübecker Medizintechnikunternehmen Dräger - mit sehr viel Erfahrung in den vielen Anwendungen auf der Intensivstation oder für die mobilen Intensivtransporte. Diese Systeme, die kann man nicht von heute auf morgen nachbauen, das sind lebenserhaltende Geräte, die müssen auch zugelassen werden.
Was die Autobauer und vor allem auch die Zulieferer allerdings sehr gut können, das sind Komponenten und vor allem die Produktion einzelner Teile per 3D-Drucker. Da braucht man nicht in großem Stil Produktionsprozesse ändern, da reicht das entsprechende Kunststoffgranulat. Und da könnte man vielleicht daran denken, Einzelteile durch umprogrammierte 3D-Verfahren herzustellen, zum Beispiel Beatmungsventile.
Agieren die Unternehmen aus Eigeninteresse oder ist es Hilfe für die Allgemeinheit?
Das kann beides sein. Zum Beispiel stellt der Autozulieferer ZF in China Atemschutzmasken her, täglich bis zu 100.000 Stück. Dazu hat er extra eine Maschine angeschafft. Der Grund: ZF braucht diese Masken für die 14.000 Mitarbeiter in China. Das ist Vorschrift seit dem Ausbruch des Corona-Virus, dass für die Produktion Masken zu tragen sind. Die werden dann alle vier Stunden gewechselt. Und auch wenn jetzt Mode- und Hemdenhersteller wie Trigema oder Eterna Masken produzierten, steht da sicher auch das Interesse dahinter, die Produktion in der Krise zu halten.
Aber, und das sollte man vielleicht auch an dieser Stelle sagen: Es gibt ganz viele deutsche Unternehmen, die in der Krise einfach nur helfen: von den ganz Großen wie Volkswagen, BMW oder Lufthansa, die Hunderttausende Atemschutzmasken spenden, oder dem Reifenhersteller Michelin, der kostenlose Ersatzreifen für Rettungsdienste stellt, über Klosterfrau Melissengeist, jetzt Klosterfrau Healthcare, die 100.000 Liter Desinfektionsmittel spenden bis hin zu dem Bauern von nebenan, der ein paar Ballen Heu bringt – für die Tiere des um die Existenz bangenden Familien-Zirkus Altano.