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Produktionsverlagerung ins Ausland

Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten - oder zumindest Teile von ihnen - ins Ausland, vornehmlich nach Mittel- und Osteuropa. So wird landauf, landab in deutschen Medien unisono berichtet. Und zwar aus nachvollziehbaren, ökonomischen Gründen. Denn die Lohn- und Produktionskosten seien dort viel niedriger - so heißt es. Und in den ersten Jahren zahlten die Unternehmen auf ihre Gewinne so gut wie keine Steuern. Rein kaufmännisch gedacht offenbar eine feine Sache.

Von Anat Kalman |
    Doch beim genaueren Hinsehen kristallisiert sich mittlerweile ein etwas differenzierteres Bild heraus. Viele westeuropäischen Firmen haben in den letzten 15 Jahren nämlich die Erfahrung gemacht, dass Produktionen in so genannten Billiglohnländern nicht unbedingt und in jeder Hinsicht billiger sind. Und auch in Mittel- und Osteuropa selbst ist man heute nicht mehr einhellig der Meinung, dass man möglichst viele ausländische Investoren ins eigene Land locken muss. Ganz im Gegenteil. Doch der Reihe nach…

    Beispiel Slowenien: Das Land – für viele osteuropäische Wirtschaftsexperten gilt es als ökonomisches "Musterland Nummer eins" hat sein Staatseigentum nach der Wende zunächst einmal nur an seine eigenen Staatsbürger verkauft und sich erst relativ spät - ab 2001 - ausländischen Investoren geöffnet.

    "Slowenien hatte sich kurz nach der Wende ganz bewusst zurückgehalten. Wir wollten erst einmal abwarten. Wir wollten sehen, wohin all diese Privatisierungsabenteuer eigentlich führen. Gut, einige sagten uns, dass wir gegen den Globalisierungsprozess schwimmen, dass wir nationalistisch seien. Aber das war uns gleichgültig. Wir wollten unser Land vorsichtig aufbauen."

    Peter Jesovnik, der Direktor der slowenischen Industrie- und Handelskammer in Ljubljana, kann auf vierzehn Jahre erfolgreiche slowenische Wirtschaftspolitik zurückblicken. Denn Slowenien ist von den EU-Beitrittsländern heute das einzige Land, das eigene namhafte Betriebe aufweisen kann, die selbst im westlichen Ausland investieren und bedeutende Handelsgeschäfte machen. Zu ihnen zählt der Haushaltsartikelhersteller Gorenje, der Skifabrikant Elan, die pharmazeutische Firma Lek und der Autohersteller Prevent.

    Dieser Erfolg basiert auf einer Strategie, die einen eigenen Namen hat: Ökonomischer Nationalismus. Slowenische Politiker und Manager weigerten sich in den Jahren der Transformation, ausländische Investoren mit Billiglöhnen ins Land zu locken und staatliche Unternehmen zu Niedrigpreisen an westliche Firmen zu verschleudern. Hannes Hofbauer, österreichischer Wirtschaftsexperte und Osteuropakenner des Wiener Pro-Media-Verlages erklärt, warum diese Strategie sich heute so bezahlt macht.

    "Die Privatisierung ist in Slowenien mit dem so genannten "work and management-pie-out" durchgeführt worden. Das ist ein System, wo man Arbeiter, Manager, Pensionäre dieser Betriebe vorrangig und zu günstigen Preisen in einen Kapitalbesitz eingeführt hat. Die EU hat damals streng dagegen protestiert, weil das natürlich nicht konform war mit den Verhältnissen, die in der Europäischen Union festgeschrieben sind. Dass jeder überall gleich investieren darf, wenn er nur das Geld hat. Die Slowenen haben das anders gemacht, noch in der Phase des nationalen Schutzes und haben also zuwegegebracht, eine nationale Bourgeoisie zu schaffen. Und das hat sich sehr positiv ausgewirkt, würde ich meinen."

    Die Strategie des so genannten "ökonomischen Nationalismus" entsprang bei genauer Betrachtung weder rechten noch linken Wirtschaftsideologien, und er propagierte auch keinen engstirnigen Nationalismus. Auch eine gängige Polemik gegen großindustrielle Globalisierungsstrategien fehlt ihm.

    Die erfolgreiche Strategie wurde vielmehr von einer pragmatisch denkenden Managerelite durchgesetzt, die zu dem Schluss kam, dass zu viele und zu schnelle Verkäufe von Staatsbetrieben an ausländische Investoren auf jeden Fall zu vermeiden seien. Was vor allem deswegen leichter möglich war, weil Slowenien nach der Trennung von Jugoslawien nur geringfügige Schulden hatte.

    Polen und Ungarn waren dagegen hoch verschuldet. Polen wies 1990 eine Auslandsverschuldung von 48 Milliarden Dollar auf. Das pro Kopf am höchsten verschuldete Land war aber Ungarn mit einer Last von 27 Milliarden Dollar bei einer Bevölkerung von elf Millionen Menschen.

    Darum unternahm Budapest gleich nach der Wende erhebliche Anstrengungen, um so viele ausländische Unternehmen wie möglich ins Land zu locken: Billige Staatsbetriebe, zehnjährige Steuerfreiheit, Zollfreiheit, Subventionen, niedrige Löhne und billige Vorleistungen wie Energie. Großindustrielle Unternehmen wie Suzuki, IBM Audi, Philips, Siemens und der Tabakkonzern Imperial Tobacco kamen, verlagerten ihre Werke dorthin und bauten neue auf. Hannes Hofbauer hierzu:

    "Das war so eine Art Verzweiflungsakt, der dann die Privatisierung wörtlich verstanden hat. Ich nehme jetzt das Beispiel Polen, wo in den ersten Wendejahren fünf Regierungen gewechselt haben. Das waren die wichtigsten Jahre der Transformationszeit. Und wenn dann fünf Regierungen immer abwechselnd Solidarnosc und Sozialisten ein- und ausziehen in den Ämtern, kann man sich vorstellen, dass diese zumindest nichts zu sagen haben. Sondern dass im Hintergrund ein, zwei Parteien, in dem Fall die Partei von Leszek Balcerowicz gemeinsam mit ausländischen Interessierten - ich würde da für Polen sehr stark den Währungsfonds nennen - die Grundlinien der Politik vorgeben. Und die sind ja nicht gerade daran interessiert, eine nationale Bourgeoisie entstehen zu lassen."

    Die Wirtschaft Ungarns und Polens wuchs nach der Wende zunächst um rund fünf Prozent jährlich. Die Arbeitslosigkeit schrumpfte, und in der zweiten Hälfte der 90er Jahre begann zwischen ihnen ein Investitionswettlauf. 1996 überholte Polen Ungarn. 1998 wurde Tschechien das zweitwichtigste Ziel ausländischer Direktinvestitionen in Mittelosteuropa, und 2002 übernahm es sogar die Führung.

    Doch nun geht es ihnen plötzlich wie dem wohlhabenden Westen. Die Zahlen des Wiener Instituts für Internationalen Wirtschaftsvergleich zeigen deutlich: die Direktinvestitionen in den sechs neuen mittelosteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten fielen von 22 Milliarden Euro im Jahre 2002 auf neun Milliarden im Jahre 2003.

    Denn die zunächst angelockten Pioniere bauen inzwischen wieder ab. Denn: die einst so billig verkauften Staatsbetriebe und die garantierte Steuerfreiheit haben in den Transformationsjahren nicht genügend Geld in die Staatskassen fließen lassen. Und im Gegensatz zu Slowenien gibt es in diesen Ländern heute kaum eigene wirtschaftliche Akteure. Das macht aus ihnen Billigproduktionsländer – so genannte Werkbänke, die nun den Auszug der Multis fürchten. Ein Grund dafür, so Andras Inotai vom Weltwirtschaftsinstitut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, seien die Lohnerhöhungen. Allein in Ungarn sind die Reallöhne zwischen 1999 und 2003 um 30 Prozent gestiegen. Auch hier wurde der Faktor "Arbeit" relativ teuer, für viele "zu teuer".

    "Selbstverständlich haben wir in bestimmten Bereichen bestimmte Tätigkeiten aufgeben müssen, weil die Löhne in Ungarn schon höher sind. Teilweise sind sie höher als es notwendig wäre. Insbesondere in den Bereichen, wo Lohnerhöhungen stattgefunden hatten bei den beiden Regierungen, ohne die Produktivität messen zu können."
    Darum ist eben auch Ungarn von dieser ersten Abwanderung der Firmen am stärksten betroffen. Von dort verlagerte Philips 2003 seine Röhrenmonitor-Herstellung nach China, der Telefonhersteller Flextronics und der Küchenmaschinenproduzent Kenwood folgten. In der ungarischen Provinzstadt Szekesfehervar schloss IBM Anfang 2003 ein Werk mit 3700 Beschäftigten, und Imperial Tobacco machte 2004 seine Fabrik in Debrecen wieder zu. Die ehemals 380 Beschäftigten sind nun arbeitslos.

    Neben den Weiterverlagerungen drohen aber auch die Rückführungen der Produktionsstätten. Schon im August 2002 hatte das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung Karslruhe in seinen "Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung Nr. 26" festgestellt, dass auf drei Produktionsverlagerungen gen Osteuropa eine Rückkehr nach Deutschland fällt.

    Die wohl spektakulärste Schließung und Rückführung war die vom Autozulieferer Conti im Dezember letzten Jahres. Auf 30 Millionen Euro bezifferte Conti-Chef Manfred Wennemer gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung allein die Kosten für den Rückzug aus Russland. David Vasak, ein erfahrener Berater der PA ConsultingGroup in Frankfurt macht hierfür aber nicht nur die steigenden Lohnkosten verantwortlich. Im Laufe der letzten Jahre, so Vasak, gab es auch andere Komplikationen.

    "Ja, kulturelle Unterschiede. Die Leute denken anders, sie arbeiten anders. Das liegt daran, dass manche Probleme unterschätzt werden, dass die lokalen Begebenheiten doch komplizierter sind, als man denkt. Dass es Probleme gibt mit den Lieferanten, mit dem lokalen Management, auch Probleme mit lokalen Behörden. Es gibt auch Regionen, sicherlich die Ballungsgebiete, wo die Mitarbeiter wieder von anderen Firmen angelockt werden und verschwinden. Das kostet auch sehr viel Geld. Erfahrung geht verloren."

    Dabei sah es kurz nach Wende so aus, als würden die mittel- und osteuropäischen Arbeiter ihren westeuropäischen Kollegen die Stellen im produzierenden Gewerbe abspenstig machen. Immer wieder hörte man von Produktionsverlagerungen. Noch im April 2004 sind 2000 Arbeitsplätze der Firma Siemens aus den Werken Bocholt und Kamp-Lintfort am Niederrhein nach Ungarn verlagert worden. Und man reagierte durchaus aufgebracht:

    "Keine Arbeit zu Gulaschpreisen" stand auf den Transparenten der Demonstranten von Opel Rüsselsheim. Was sie dabei jedoch nicht deutlich genug wahrnahmen: die ausgezahlten Löhne reichten auch den osteuropäischen Arbeitern nicht voll zum Leben, weil die Konsumpreise auf dem Absatzmarkt ihrer Länder - im Gegensatz zu den Löhnen - mittlerweile westeuropäisches Niveau erreicht hatten. Hannes Hofbauer erklärt, wie es dazu kommen konnte.
    "Ja, die Preise steigen, weil es, denke ich, eine schleichende Inflation einerseits gibt, die kaum ausgewiesen ist und weil die großen Handelsfirmen wie Rewe letztlich so gut wie Monopolstellungen hergestellt haben in verschiedenen Ländern. Ich würde da wieder Ungarn allen voran nennen. Das ist ein idealtypischer Musterschüler dieser Markterweiterung geworden, das kaum eigene nationale Akteure im wirtschaftlichen Sinne aufzuweisen hat. Und wenn man so eine Monopolstellung innehat oder eine Quasi-Monopolstellung, dann kann man auch weitgehend die Preise diktieren."

    Darum steht neuerdings auch die Qualität der Arbeitsplätze im Zentrum der politischen und wirtschaftlichen Debatten in Mittel- und Osteuropa. Denn trotz 30prozentiger Lohnerhöhung innerhalb von drei Jahren trägt ein "gutverdienender" Arbeiter in den EU-Beitrittsländern umgerechnet rund 500 bis 700 Euro monatlich netto nach Hause.

    Während in den westeuropäischen Ländern eine Arbeitsstunde rund 35 Euro kostet, sind es in Ungarn 8,7 Euro und in der Ukraine 0,9 Euro. Wirtschaftswachstum allein, so rechnen Experten vor, reicht nicht mehr aus, um einen akzeptablen Mindestlebensstandard zu garantieren. Vor allem, so Michaela Moser, die Leiterin der Mittel- und Osteuropa-Sektion des European Anti-Poverty-Netzwerkes der Europäischen Kommission in Wien, wenn einerseits die Preise steigen und andererseits die Löhne reduziert werden.

    "Die Löhne sind viel geringer, aber wenn man in die Läden geht, stehen dort die ganzen ... ja unsere Produkte, sag’ ich mal jetzt, und die Preise sind durchaus vergleichbar mit den Preisen hier bei uns. Also, man kann sich eigentlich an den fünf Fingern ausrechnen, dass sich das nicht ausgehen kann, also einen Lebensstandard zu halten, er in etwa dem einer gleichen Schicht hier entsprechen würde."

    So entpuppt sich Osteuropas Reformjahrzehnt unter dem Bilanzstrich von Soll und Haben als große Umverteilungsmaschinerie, mit der heute keiner so richtig zufrieden ist. Im Westen verlieren viele Menschen ihre Stellen, während 30 Prozent der Unternehmen, die verlagert haben - laut der jüngsten Studie der PA Consulting Group in Frankfurt - einräumen, dass "ihre Ziele in punkto Kostensenkung zu optimistisch waren" und jede dritte Firma darum wieder heimwärts zieht.

    Und im Osten erkennen nicht nur die Wirtschaftexperten immer deutlicher, dass seit der sozialistischen Ära zu wenig eigene Industrie aufgebaut wurde. Abgesehen von einzelnen Firmen wie der ungarische Porzellanhersteller Herend, Pannon-Holz, oder einzelne mittelständische polnische Verpackungsfirmen. Die mittel- und osteuropäischen Industrien erwirtschaften pro Jahr höchstens vier bis fünf Prozent des BIP. Während viele frühere Unternehmen - vom ungarischen Autobushersteller Ikarus bis hin zu großen Budapester Hotelketten und polnischen Werken im Stahl- und Metallsektor - von westlichen Konkurrenzfirmen aufgekauft und dann oft geschlossen wurden.

    Die Wertschöpfung der mittelosteuropäischen Wirtschaften hat sich aber auch verringert, weil die Gewinne der im Osten angesiedelten westeuropäischen Firmen größtenteils zurück in den Westen fließen. Laut Angaben vom "Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsforschung" haben sich die Rückführungen der Gewinne zwischen 2002 und 2004 fast verdoppelt. Vor diesem Hintergrund gestaltet sich ein wirtschaftliches Aufholen der mittel- und osteuropäischen Länder als sehr schwer.

    Zudem gibt es eine Kluft zwischen den Regionen: Zwischen jenen, die von den Produktionsverlagerungen profitieren und solchen, in denen sich seit der Stilllegung großer Staatsbetriebe nichts mehr getan hat. Während Budapest und Westungarn boomen, erreicht die Arbeitslosenquote im Nordosten des Landes fast 30 Prozent. In Polen erreicht die Arbeitslosigkeit in manchen östlich von Warschau gelegenen Regionen des Landes bis zu 80 Prozent, und in der Slowakei ist es ähnlich. Kann die Politik hier mit Erfolg gegensteuern? Dazu Hannes Hofbauer:

    "Da kann man, glaube ich nicht, jetzt irgendeine Alternative erfinden, die jetzt irgendwie marxistisch links oder nationalistisch rechts wäre. In direkt-interventionistischen Fragen. Die sind heute diskreditiert. Staatsinterventionismus ist ja verboten. Die EU würde sofort klagen. Man hat das ja alles unterschrieben - also die Regierenden. Und es besteht insofern gar kein Instrumentarium mehr, so etwas zu betreiben. Aber es funktioniert solange, bis eine andere Alternative sich auftut. Und die kann sich sicher auch innerhalb dieses Systems auftun. Da muss man nicht unbedingt sagen: es muss alles zusammenbrechen."

    David Vasak glaubt dagegen, dass nun eine Zeit anbricht, in der sich alles etwas beruhigen wird. Die erste Produktionsverlagerungseuphorie ist vorbei. Viele Firmen haben in den letzten Jahren ihre Erfahrungen gemacht und festgestellt, dass Kosten nur dann wirklich gesenkt werden können, wenn das gesamte Umfeld des neuen Produktionsstandortes stimmt. Und die von ihm und der PA Consulting Group herausgegebene Studie "Königsweg ins Ausland" zeigt, dass sich neue Strategien abzeichnen. Die meisten Firmen gehen nun dazu über, Produktionen eher dort zu belassen oder dorthin zu verlagern, wo Standorte sich bewährt haben. An einen großen Auszug der Multis aus Mittel- und Osteuropa glaubt David Vasak darum nicht.

    "Ich denke, so wie wir das erhoben haben, sind die mittelosteuropäischen Länder immer noch das Ziel Nummer eins. Sie haben schon mal Produktion da. Das ist so ein Trend, der das Ganze dann verfestigt. Man ist schon dort. Man hat schon seine Erfahrungen gemacht. Da geht man gerne wieder hin. Und konzentriert zum Teil die Produktion dort. Aber es kommt auf die Produkte drauf an. Wenn es komplexe Produkte sind, die viel Know-How bedürfen, dann wird es schwieriger. Wenn es einfachere Produkte sind, dann kann man eben weiter nach Osten gehen. Das ist kein Problem."

    Personalintensive Produktion, das heißt Arbeit, die viel Know-How und Qualitätsanspruch erfordert, ist letztlich doch nicht so flexibel weiter zu verlagern. Zu diesem Schluss kam das Fraunhofer Institut schon 2002, als es in einer Studie dazu vermerkte:

    "... wie sich zeigt, verfügen nur 20 Prozent der personalintensiven Betriebe auch über ausländische Produktionsstandorte. (...) Dies legt den Schluss nahe, dass von deutschen personalintensiven Betrieben die Belegschaft nicht nur als ein Kosten- sondern vor allem auch als ein Wissensträger angesehen wird, dessen Produktions-Know-How nicht ohne weiteres ins Ausland übertragen werden kann."
    Mehr Qualität und mehr Nachhaltigkeit - auch bei der Produktion. Hier könnte der Schlüssel für die Bindung eines Werkes an einen bestimmten Ort liegen. Darum bemüht sich Ungarn zurzeit vom Billiglohnland zum Hochqualifikationsland zu werden. Die Firma Knorr-Bremse hat schon 1999 in Budapest ein erstes Forschungs- und Entwicklungsinstitut eröffnet, in dem 70 Wissenschaftler im Bereich Entwicklung elektronischer Systeme arbeiten. Und selbst der Autohersteller Audi-Ingolstadt gehört mittlerweile zu den insgesamt 30 internationalen Unternehmen, die mit ungarischen Universitäten und Forschungsinstituten zusammenarbeiten.

    Ob diese Strategie nun noch nachträglich ermöglicht, wichtige Produktionsstätten zu halten und daneben ein Potential an mittelständischen Firmen entstehen zu lassen – wird die Zukunft zeigen müssen. Eben darum haben Länder wie Polen, die Slowakei, Estland und Ungarn erst kürzlich sehr günstige Unternehmenssteuern von maximal 18 Prozent eingeführt und vereinfachte Steuersysteme entwickelt. Das soll den Verbleib der Multinationalen Konzerne, aber auch die Entstehung von klein- und mittelständischen Firmen fördern.

    Eine Zwischenbilanz zeigt jedenfalls folgende Veränderungstendenz: Die Produktionsverlagerungen werden nachlassen, denn immer mehr westeuropäische Firmen ziehen den Verlagerungen in Niedriglohnländer andere Kostensenkungsoptionen vor: Neue Lohnverhandlungen mit der Belegschaft und mit Zulieferern oder Senkung der Logistikkosten. Dadurch werden aber im Westen wie im Osten auch neue Arbeits- und Lohnverhältnisse geschaffen.