Hohe Belastung
Wie realistisch sind Streiks im Profifußball?

Manchester City-Star Rodri drohte zuletzt mit Streik - und er ist kein Einzelfall. Spieler und Trainer klagen angesichts der steigenden Anzahl von Spielen über zu hohe Belastungen. Doch können Fußballprofis eigentlich streiken? Ganz so einfach ist das nicht.

Von Julian Tilders und Simone Maurer |
    Rodri von Manchester City liegt nach einem Zusammenstoß mit Thomas Partey von Arsenal London verletzt am Boden
    Rodri vom englischen Fußball-Meister Manchester City hat eine Bänderverletung im rechten Knie erlitten. Der Spanier hatte sich erst kürzlich über die zu hohe Belastung im Fußball beschwert und sogar mit einem Streik gedroht. (picture alliance / Action Plus / David Blunsden)
    Deutlich mehr Spiele in der reformierten Champions-League, dazu die geplante Club-WM der FIFA und natürlich der Cluballtag mit Liga und Landespokal. Die Belastung von Profifußballern wächst immer weiter - was bei denen zu immer mehr Unmut führt. Zuletzt hatte Rodri von Manchester City offen das höhere Verletzungsrisiko durch die steigende Belastung krisitiert - und verletzte sich kurz darauf wie zum Beweis im Spiel gegen den FC Arsenal schwer am Knie und fällt nun für Monate aus. Erst kürzlich hatte er mit einem Streik gedroht. Eine leere Drohung oder ein hartes Druckmittel?

    Wie hoch ist die Belastung im Profifußall?

    Prominente Spitzenspieler und Trainieren monieren seit langem einen dichten Terminkalender mit zu vielen Spielen und fordern mehr Regenerationszeit. Auch die Bundesliga-Trainer Vincent Kompany, Xabi Alonso und Nuri Sahin sind sich nach dem Auftakt der Champions League einig: Die Belastung für die Spieler ist zu hoch. Doch sind tatsächlich alle Spieler davon Betroffen?
    Die Gruppe der Fußballprofis ist in Sachen Belastung durchaus divers. Nicht jeder hat einen übervollen Kalender wie Rodri. Durch das neue Format der Champions League kommen mindestens zwei Spiele für die teilnehmenden Vereine hinzu. Auch andere Wettbewerbe werden ausgeweitet. Für Spieler wie Rodri, die für einen national und international erfolgreichen Klub sowie in der Nationalmannschaft aktiv sind, könnten somit je nach Abschneiden mehr als 80 Pflichtspiele in einer Saison anstehen.
    Der spanische Europameister hat in der vergangenen Saison 64 Pflichtspiele absolviert, Testspiele vor der Saison mit Man City noch nicht einmal eingerechnet. Es folgte nach dem EM-Sieg mit Spanien ein Mini-Sommerurlaub und der erneute Start in die Vorbereitung mit Manchester City.
    Das Bild zeigt die Fußballspieler Boufal (Marokko) und Rodri (Spanien) im Zweikampf.
    Rodri (r.) wurde bei der EM 2024 zum besten Spieler des Turniers gewählt (Robert Michael / dpa / Robert Michael)
    60 bis 70 Spiele in der Saison sind nach Angaben des Sportmediziners Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule machbar. "Das Risiko für Verletzungen und auch Schädigung, die später auftreten, wird größer mit der Dichte des Spielplans. Das ist ganz klar, insbesondere wenn zu wenig Regenerationsphasen dazwischen möglich sind", sagte Bloch im Deutschlandfunk.
    Eine Studie des Internationalen Zentrums für Sportstudien, das der Weltverband FIFA 1995 mitgegründet hat, kommt zu dem Schluss: Weniger als zehn Prozent der Spieler läuft in mehr als 40 Partien auf, nur 0,31 Prozent sogar in mehr als 60 Spielen in einer Saison. Die Überbelastung trifft also vorrangig die bestbezahlte Elite unter den Fußballprofis, die mit ihren Top-Klubs an internationalen Wettbewerben teilnehmen. Viele Spieler, etwa die von durchschnittlichen Bundesliga-Klubs, haben hingegen deutlich weniger Spiele zu bestreiten.

    Wie realistisch sind Streiks im Profifußball?

    Im hochkommerziellen Fußballgeschäft gilt: Streiks anzudrohen ist das eine, sie tatsächlich durchzuziehen das andere. Ernsthafte Streiks von hoch bezahlten Profi-Fußballern sind aus mehreren Gründen nicht zu erwarten. Zum einen gibt es bisher nicht genug Spieler, die sich zusammentun, um gemeinsame Interessen zu vertreten, wenn es zu einem Streit kommt. Denn die Meinungen darüber, welche Wettbewerbe wichtig sind, gehen wohl auseinander.
    Ein weiß-bunter Profifußball wird von einem Spielerfuß in Sportschuhen festgehalten.
    Nich alle Spieler denken an Streiks (picture alliance / Maximilian Koch / Maximilian Koch)
    So wollen die großen Klubs und ihre Stars etwa in England laut "Guardian" wohl eher bei nationalen Pokalwettbewerben kürzertreten, zum Beispiel beim Carabao Cup. Zur Saison 2024/25 wurden bereits Wiederholungsspiele im FA Cup abgeschafft. Lange gab es in den ersten paar Runden keine Verlängerung oder Elfmeterschießen, wenn es nach 90 Minuten remis stand, sondern ein Entscheidungsspiel. Vor allem für unterklassige Klubs waren diese "Replays" ein zusätzliches Highlight und eine lukrative Einnahmequelle.
    Zum anderen stellt sich auch die rechtliche Frage. Rechtsanwalt Christian Solmenke hält Streiks von Fußball-Profis nicht ohne weiters für möglich. Der Jurist sagte gegenüber Sport1, dass einzelne Fußballspieler zwar theoretisch die Arbeit niederlegen könnten, wenn ihre Gesundheit akut gefährdet sei. Doch müssten sie dies begründen und medizinisch nachweisen. Ansonsten bestehe die Gefahr von Sanktionen. Flächendeckende Streiks gelten eher als unwahrscheinlich.

    Gabe es schon einmal Streiks im Profifußball?

    Ein Blick in die Geschichte des Profifußballs zeigt: In der Neuzeit des Männer-Fußballs gibt es kaum Beispiele für Spieler-Streiks. Und wenn, dann ging es bei Streiks ausschließlich um wirtschaftliche Interessen. So auch bei den Frauen, die deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Das jüngste Beispiel kommt aus Spanien.
    Dort zogen die Fußballerinnen der ersten spanischen Liga 2023 an einem Strang und kämpften für eine bessere Bezahlung. Mit Erfolg: Die Gewerkschaften der Spielerinnen und der Verband einigten sich auf höhere Gehälter. Für die Spielzeit 2023/2024 wurde ein Mindestjahresgehalt von 21.000 Euro festgesetzt. Mit Option auf mehr. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sind dies aber Peanuts. Denn im Fußball ist der „Gender Pay Gap“ immer noch sehr stark ausgeprägt. 
    Auch 2017 ging es in Argentinien nur um Geld. Dort streikten die Fußall-Profis etwa einen Monat lang, bis sich der argentinische Fußballverband und die Spielervertretung auf die Zahlung ausstehender Gehälter einigte.
    Ebenfalls um ihre wirtschaftliche Interessen kämpften 2013 Frankreichs Profi-Klubs, als am letzten Novemberwochenende kein Spiel in den oberen beiden Ligen angepfiffen wurde. Die Klubs und ihre Spieler sahen sich als Teil "eines historischen Protests", so Jean-Pierre Louvel, Präsident der Vereinigung französischer Profifußball-Klubs. Der erste Streik im französischen Fußball seit 1972 richtete sich gegen die "Reichensteuer" der sozialistischen Regierung des damaligen Präsidenten Francois Hollande. Die 75-Prozent-Steuer betraf Fußballklubs, die ihren Angestellten mehr als eine Million Euro pro Jahr zahlten. 2015 wurde die Steuer wieder aufgegeben.
    Ein anderes Beispiel ist noch länger her. Anfang der 1960er-Jahre drohte Jimmy Hill, Vorsitzender der englischen Gewerkschaft der Profifußballer (PFA), einen Streik der Spieler an, um die damals von der Liga festgelegte Lohnobergrenze für Fußballer abzuschaffen – mit Erfolg.

    Was sagen die Spielergewerkschaften?

    Die Spielergewerkschaft FIFPRO sieht Streiks von Profifußballern als letzte Möglichkeit an. Sie drängt stattdessen auf andere Lösungen. Eine Abschaffung oder Verkleinerung von Wettbewerben sei nicht unbedingt notwendig. Aber es fehlt der Gewerkschaft zufolge an Regulierung. Denkbar sei daher eine Obergrenze von Spielen pro Spieler. Drei Gewerkschaften in Italien, Frankreich und England haben die FIFA verklagt, weil sie die Kalender mitgestalten möchten.
    Der Vorsitzende der deutschen Spielergewerkschaft VDV, Ulf Baranowsky, erklärte dem Deutschlandfunk gegenüber, dass durch eine zu hohe Belastung das Risiko von Verletzungen und psychischen Erkrankungen steige. Dies könne auch dazu führen, dass Spieler ihre Karrieren frühzeitiger beenden müssen. „Im Sinne des Gesundheitsschutzes benötigen wir einen ausgewogenen Match-Kalender mit ausreichenden Regenerationsphasen. Zu beachten ist, dass Verbände und Klubs eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den Profis haben. Die Gesundheit der Spieler muss immer Vorrang vor ökonomischen Interessen haben.“
    Profifußball sei kein Gesundheitssport, sondern ein gefährlicher Beruf mit hohen Verletzungszahlen und hohen medizinischen Folgekosten. Deshalb setze sich die Gewerkschaft gegenwärtig als Arbeitnehmervertretung in einer Projektgruppe der gesetzlichen Unfallversicherung dafür ein, dass der Gesundheitsschutz für bezahlte Mannschaftssportler künftig mittels einer besonderen Vorschrift gestärkt wird.

    Welche Auswirkungen lassen sich erkennen?


    Finanzstarke Top-Klubs dürften künftig noch mehr Spieler kaufen. Der Trend wird zu größeren Kadern gehen, um die Profis zu entlasten. Der FC Chelsea macht es mit einem XXL-Kader für die Conference League vor. Beim 0:2-Saisonstart in der Premier League gegen Meister Manchester City mussten gleich mehrere Spieler auf der Tribüne Platz nehmen. Doch durch den aufgeblähten Kader kann Trainer Enzo Maresca in jedem Spiel rotieren. Kein Einzelfall.
    Einige Vereine der Premier League wechseln je nach Wettbewerb die Torhüter. Möglich ist dies auch, weil im Fußball immer mehr Geld erwirtschaftet wird und somit mehr Spieler gekauft werden können. Und für einige europäische Klubs gibt es im kommenden Jahr noch mehr. Denn die FIFA-Klub-WM 2025 in den USA spült europäischen Spitzenklubs wie Chelsea, Madrid, Manchester City, Bayern und Dortmund nochmals ordentlich Geld in die Taschen.
    (Aktualisiert am 28.9., 11.30 Uhr)