Die meisten Kommentatoren haben ihr Urteil längst gefällt. So zielstrebig und erfolgreich Cristiano Ronaldo als Fußballer ist, so zweifelhaft ist sein Umgang mit Geld. Das komplexe Firmengeflecht, mit dessen Hilfe der Fußballstar beträchtliche Teile seiner Einkünfte steuerlich günstig über die britischen Jungferninseln und Irland in die Schweiz verschoben hat, wirkt mafiös. Dabei hat bis heute kein Gericht nachgewiesen, dass Ronaldo tatsächlich Steuern hinterzogen hat. Möglicherweise verstoßen die weitläufigen Geldflüsse gar nicht gegen Gesetze. Der Fußballer versichert jedenfalls beharrlich, er und seine Berater hätten schlicht versucht, die erlaubten Spielräume zu ihren Gunsten zu nutzen. Wie jeder Unternehmer.
Unübersichtliche Finanzen
Ob Ronaldo ahnte, wie weit sich seine Mitarbeiter dabei in die Grauzone der Legalität vorwagten, ist völlig unklar. Denn die Verwaltung der Finanzen ist im mit Milliarden aufgeblähten Profifußball selbst für Durchschnittskicker kaum zu bewältigen, sagt Ulf Baranowsky, der Geschäftsführer der deutschen Spielergewerkschaft VDV: "Es ist natürlich schwer, den Überblick zu behalten, wenn man in Deutschland spielt, in den Niederlanden Immobilien besitzt, einen Werbevertrag hat mit einer Firma in den USA und Turnierprämien bekommt aus Afrika. Aber klar: Jeder ist daran interessiert, Steuerzahlungen zu optimieren."
Offenkundig ist aber auch, dass die meisten Profis lieber schick Essen gehen oder zum Schoppen nach Mailand fliegen, als sich mit der Bürokratie des Steuerwesens zu beschäftigen. Wobei das Aufspüren von Lücken im System für Fußballer natürlich erheblich lukrativer ist als für Normalverdiener. Und damit ein interessantes Geschäft. Die Football-Leaks-Enthüllungen zeigen, dass Steuervermeidungsstrategien wie jene von Ronaldo weit verbreitet sind. Besonders in Spanien. Lionel Messi vom FC Barcelona ist bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, dutzende weitere Profis aus der Primera Division sind betroffen. Wie der deutsche Nationalspieler Mesut Özil, ehemals Real Madrid. Doch warum sind bislang keine Spieler aus der Bundesliga als kreative Steuervermeider bekannt geworden?
"Es ist in Spanien sicherlich verbreiteter, neben einem Arbeitsvertrag einen Vertrag über die Einräumung von Persönlichkeitsrechten zu schließen und den dann über eine separate GmbH laufen zu lassen, was dann zumindest früher tatsächlich zu gewissen Steuerersparnissen geführt hat", sagt Joachim Rain aus der auf das Fußballgeschäft spezialisierten Kanzlei des Rechtsanwaltes Christoph Schickhardt. "Aber da hat sich die Praxis der Finanzbehörden in Spanien geändert, die derartige Einnahmen dem Spieler jetzt als Einkommen zurechnen, so er denn 100-prozentiger Inhaber der entsprechenden GmbH ist."
Unterschiede zwischen den Ligen
Rain glaubt, dass sich die Klubs in Deutschland nie darauf einlassen, Teile des Gehaltes als Zahlung für Bildrechte an irgendwelche GmbHs im Ausland zu überweisen. Doch natürlich hat der Experte für komplizierte internationale Transfers schon erlebt, dass unsaubere Zahlungsmodalitäten vorgeschlagen wurden. Nicht von den Fußballern, aber von ihren Beratern: "Dass ein Spieler bei Verhandlungen mit am Tisch sitzt, solange die Verträge noch nicht abgeschlossen sind, oder auf Klauselinhalte Einfluss nimmt, das ist nahezu ausgeschlossen in der Praxis. Das machen alles die Berater. Dass der Spieler da überfordert ist, ist ganz klar zu bejahen, aber das ist ja auch nicht seine Aufgabe."
Es sind also wieder einmal die ohnehin schlecht beleumundeten Gestalten aus der Schattenwelt der Branche, die die Hauptverantwortung tragen, wenn Steuern entweder hinterzogen oder mit komplizierten Strategien eingespart werden. Die Männer, die die entfesselte Gier des professionellen Fußballs verkörpern wie niemand sonst. "Wobei die Berater sich bei komplexeren Verträgen durch das Hinzuziehen von Steuerberatern absichern, dass da in der Hinsicht nichts passiert", glaubt der Anwalt Joachim Rein, "aber das machen nicht alle, und es gibt bestimmt welche, die rein abschlussorientiert sind, ihr Geld verdienen wollen und für andere Dinge nicht mal ein Bewusstsein haben und schon deswegen da keinen fachkundigen Rat hinzuziehen."
Kommt es zu einem Umdenken der Behörden?
Und natürlich arbeiten auch deutsche Klubs im Zweifel mit halbseidenen Figuren zusammen, wenn diese interessante Spieler betreuen. Umso erstaunlicher ist, dass jenseits der spektakulären Vorgänge um Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß während der vergangenen Jahre nichts über Steuerverfahren rund um die Bundesliga öffentlich wurde. Das könnte aber noch kommen, glaubt Andreas Schmidt, ein ehemaliger Profi von Hertha BSC, der heute als Anlageberater für Spitzensportler arbeitet: "Das ist ein Thema, das relativ frisch aufgekommen ist und da würde ich gerne erstmal abwarten, was noch alles folgt und wer da alles auftaucht. Man sieht, bis jetzt sind in erster Linie Leute betroffen, die extrem hohe Einkommen haben. Da jetzt ein Fazit zu ziehen, ist zu früh und ich bin auch gespannt, wie dieses ganze Thema ausgeht."
In Spanien haben die Football-Leaks-Daten zu einem Umdenken der Behörden geführt, in Deutschland dagegen sind die tiefen Einblicke in die Eingeweide des Geschäfts noch gar nicht richtig in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen worden. Aber womöglich lassen sich auch hier Steuerfahnder vom wachsenden Unbehagen über das Fußballgeschäft und durch die Enthüllungen von Football-Leaks und Panama-Papers animieren, mal etwas genauer hinzusehen bei den Profis aus der Bundesliga.