Diabetes im Profisport
Wie Leistungssport dennoch möglich ist

Typ 1-Diabetes ist eine chronische Erkrankung, die viel Körpergefühl und Disziplin erfordert. Eine Karriere im Leistungssport muss sie aber nicht verhindern, sagt Diabetiker und Hockey-Nationalspieler Timur Oruz im Deutschlandfunk-Sportgespräch.

Timur Oruz im Gespräch mit Astrid Rawohl | 05.11.2023
Hockey-Nationalspieler Timur Oruz in Aktion auf dem Hockeyfeld.
Hockey-Nationalspieler Timur Oruz hat seit seiner Kindheit Typ 1-Diabetes. (IMAGO / Pro Shots / IMAGO)
Leistungssport bedeutet, dem Körper die bestmögliche Leistung zu entlocken. Der Körper muss funktionieren – bei der chronischen Erkrankung Diabetes Typ 1 macht er das aber nicht: Die Bauchspeicheldrüse kann selbst kein Insulin mehr herstellen und darüber den Blutzuckerspiegel regulieren. Das Insulin muss gespritzt werden und zusammen mit der Nahrungsaufnahme und Belastung so gesteuert werden, dass der Körper weder im Unterzucker noch im Überzucker ist.
Und trotzdem kann man auch mit Diabetes Profisportler werden – das beweist Timur Oruz. Er ist deutscher Hockeynationalspieler, wurde mit seinem Team bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio dritter und 2023 Weltmeister. Mit dem Diabetes lebt er seit seiner Kindheit:

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„Es ist eine weitere Challenge, die ich zu meistern habe, aber diese Challenge bietet natürlich auch enormes Potential für Zufriedenheit und Glücksgefühle. Sobald man eine Challenge meistert, macht sich ein Gefühl von Stolz breit. Und das gleiche kann und muss man auch beim Diabetes-Management eigentlich so zelebrieren.“

Persönliche Stärke und gutes Körpergefühl dank Diabetes

In Spielen muss Ozur häufig nachsteuern, weil sein Blutzucker durch die Belastung zu tief sinkt und er die Belastungsstärke vor dem Spiel nicht einschätzen kann.
Es sei aber jedes Mal ein Erfolgserlebnis, wenn er den Blutzuckerspiegel unter Kontrolle hat und ein gutes Spiel machen kann.
„An manchen Tagen verfluche und hasse ich den Diabetes, aber es ist eine chronische Krankheit, mit der man gut leben kann“, erzählt Oruz im Sportgespräch. Er sei dem Diabetes auch dankbar, da er schon als Kind gelernt hat, sich zu disziplinieren, auf seinen Körper zu hören und die Krankheit selbst zu managen.
„Das ist auch eine Stärke und etwas Positives, was mich der Diabetes über all die Jahre gelehrt hat.“

Vorbild durch offenen Umgang mit Diabetes

Seine Mannschaftskollegen bewundern Oruz, weil er trotz der zusätzlichen Herausforderung Diabetes Spitzenleistungen zeigen kann. Meistens ist der Diabetes aber kein großes Thema im Team. Zwar wüssten alle Bescheid, aber Oruz will selbst daraus „keine große Sache“ machen.

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Offen mit seiner Krankheit umzugehen, ist ihm aber umso wichtiger. Als er als Jugendlicher mit dem Leistungssport angefangen hat, hat er viel Kritik von medizinischer Seite erfahren und kaum Vorbilder im Profisport gekannt. Jetzt will er selbst so ein Vorbild sein:
„Zu den anderen Sportlern, die sich da nicht outen, das ist wirklich für mich völlig inakzeptabel, da gibt es für mich kein einziges Argument dafür, warum man das nicht macht.“
Auch Tennisspieler Alexander Zverev hat erst sehr spät seinen Diabetes bekannt gegeben. Hockeyspieler Oruz glaubt deshalb, dass Zverev falsch beraten worden sei, denn „ich glaube, es nicht zu zeigen, ist ein Zeichen von Schwäche! Ich bin der Meinung, dass man mit dieser Rolle, egal in welcher Sportart man sie einnimmt, auch immer ein Verantwortungsgefühl, ein Pflichtbewusstsein gegenüber den Kindern und Jugendlichen eingeht. Und wenn man der Rolle nicht gerecht wird, dann hat man auch als Vorbild einiges falsch gemacht.“

Für Oruz gibt es keine Argumente, Diabetiker nicht zu fördern

Die Strukturen im Profisport für Typ 1-Diabetiker seien nicht optimal, erzählt der Hockeyspieler. Man brauche ein gut unterstützendes Umfeld, „sonst wird es noch schwerer“. Dass es auch Sponsoren gibt, die Diabetiker im Sport nicht unterstützen wollen, findet Oruz unverständlich:  
„Auch da hätte ich auch mal ein Argument gewusst, warum man damit nicht gesehen werden will!“ Denn eigentlich sei die persönliche Geschichte, wie man mit Diabetes eine Leistungssportkarriere meistert, „ein perfektes Storytelling“.

Mehr Aufklärung und Schulungen nötig

Es brauche noch mehr Aufklärung und Informationen über den Diabetes, nicht nur im Sport, sondern auch in Schulen für das Lehrpersonal und in der gesamten Bevölkerung, schlägt Oruz vor.

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„Es ist eher ein Marathon als ein Sprint und wir sind gerade bei Kilometer 10, also es liegt noch viel Arbeit vor uns.“
Aber zumindest wachse die Diabetes-Community und mit Aktionen wie zum Welt-Diabetes-Tag am 14.11.2023 können man weiter zeigen, dass Diabetes zwar eine zusätzliche Herausforderung ist, sich damit aber sehr gut leben lässt.