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Profiteure stehen bereit

Die italienische Regierung verspricht einen schnellen Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in den Erdbebengebieten in den Abruzzen. Laut Presseberichten vorrangig aus Wahlkampfgründen. Doch nicht nur Politiker interessieren sich für den Wiederaufbau - auch die Mafia möchte profitieren.

Von Karl Hoffmann |
    Nur langsam normalisiert sich die Lage in den Abruzzen. Gestern hatten zum ersten Mal nach dem Erdbeben einige Studenten Examensprüfungen. In einem Zelt, denn 80 Prozent der Uni-Gebäude von L'Aquila sind baufällig.

    "Ich wurde in klinischer Pathologie geprüft, in einem Zelt, hinten im Hof der Uni davor, ich habe sehr gut abgeschnitten. Ja das Erdbeben steckt einem halt immer noch in den Knochen."

    Nicht nur die Uni muss beinahe zur Gänze wieder neu aufgebaut werden. Auch zahlreiche öffentliche Gebäude, vom Krankenhaus bis zur Stadtverwaltung sind in sich zusammengestürzt. Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist beinahe täglich im Erdbebengebiet, zeigt sich vor den Kameras und verbreitet zunächst mal Optimismus:

    "Wenn man das Ausmaß des Erdbebens betrachtet, dann sind relativ wenige Menschen ums Leben gekommen. Man kann sagen, dass wir Glück im Unglück gehabt haben."

    Alfredo Rossini, der Oberste Staatsanwalt von L'Aquila sieht das offenbar anders. Viele Menschen sind möglicherweise deshalb von den Häusermassen begraben worden, weil mafiöse Bauunternehmen gepfuscht und viel Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Staatsanwalt Rossini hat zahlreiche Trümmerstücke aus den Ruinen beschlagnahmen lassen, um Beweismaterial zu sichern:

    "Die brauchen wir in der Zukunft. Man hat bereits merkwürdige Lastwagen umherfahren sehen - kaum anzunehmen, dass die Souvenirs laden wollten. Eher schon, muss man annehmen, dass da Beweismaterial beseitigt werden sollte."

    Regierungschef Berlusconi dagegen will sich nicht lange aufhalten mit der Suche nach möglichen Schuldigen. In den Zeiten des Europawahlkampfes verspricht er lieber einen schnellen Wiederaufbau:

    "50 Prozent der Wohnhäuser müssen repariert oder neu gebaut werden. Die Regierung, und auch ich persönlich, werden an ihrer Stelle bestimmt keine Baracken oder Zeltstädte errichten."

    Neue Häuser sollen es werden. Doch die Mafiaexperten schlagen Alarm: Zwölf Milliarden Euro wird der Wiederaufbau kosten, und einen großen Teil davon muss die öffentliche Hand finanzieren. Die Beteiligung der Mafia ist damit schon vorprogrammiert, prophezeit der Journalist Pino Maniaci:

    "So viele neue Bauaufträge machen der Mafia den Mund wässrig, und nicht nur die Cosa Nostra, sondern auch die 'Ndrangheta, die Sacra Corona Unita und die Camorra werden versuchen, sich von dem Kuchen eine Scheibe abzuschneiden. Dass die Mafia sich im Baugeschäft breitgemacht hat., ist eine Tatsache. Und wenn man nicht furchtbar aufpasst, wird das auch in den Abruzzen nicht anders werden."

    Vor 29 Jahren gab es ein schreckliches Erdbeben südlich von Neapel, bei dem 2700 Menschen starben. Für die Camorra wurde die Katastrophe zum Glücksfall. Noch heute fließen Gelder für den Wiederaufbau in die Region, der bisher an die 30 Milliarden Euro verschlungen hat. Jetzt könnte sich die Mafia dem jüngsten Katastrophengebiet um L'Aquila zuwenden, berichtet Roberto Saviano, ein Kenner der Mafiaszene und Autor des Bestellers "Gomorra". Mit dem Erdbeben brechen für die Baubranche goldene Zeiten an. Die verschiedenen Organisation besitzen in diesen Zeiten der Krise sehr viel bares Geld, das sie dringend investieren müssen und da bieten sich mehrere nationale Großprojekte an.

    Nach Meinung von Saviano wird die Camorra dunkle Kanäle finden, um beim Wideraufbau in den Abruzzen abzusahnen. Die milliardenträchtigen Bauten für die bevorstehende Expo in Mailand sind ein im Visier der kalabresischen 'Ndrangheta. Und Cosa Nostra könnte schließlich beim Bau der sechs Milliarden Euro teuren Brücke nach Sizilien mitmischen. Dort sind offenbar bereits alte Bekannte am Werk sind, berichtet der Journalist Pino Maniaci:

    "Nach jüngsten Berichten soll die Brücke ausgerechnet von jenem Unternehmen gebaut werden, das schon aufgetaucht war beim Bau des jetzt eingestürzten Krankenhauses von L'Aquila. Die Mafia hat ihre Finger überall, schon bevor es mit dem Bauen überhaupt losgeht."