+++ Newsblog zur Parlamentswahl in Frankreich +++
Prognose: Linksbündnis liegt vorn, RN nur auf Rang drei

In Frankreich ist die zweite Runde der Parlamentswahlen zu Ende gegangen. Überraschend siegte laut Prognose das Linksbündnis vor dem Lager von Präsident Macron, der Rassemblement National landet demnach auf Platz drei. Premierminister Attal kündigte seinen Rücktritt an.

07.07.2024
    Das Foto zeigt Vertreter des Linksbündnisses, die sich über ihren Sieg bei der Präsidentenwahl freuen.
    Das Linksbündnis ist Sieger der Präsidentenwahl in Frankreich. (AFP / SEBASTIEN SALOM-GOMIS)

    +++ Neue Prognose bestätigt: Linke vor Präsidentenlager und RN

    Die aktualisierte Prognose des Instituts IPSOS sagt folgende Sitzverteilung voraus:
    Neue Volksfront (links-grün): 171 – 187 Mandate
    Ensemble (Präsidentenlager): 152 – 163 Mandate
    Rassemblement National (rechtsnational): 134 – 152 Mandate
    Die französische Nationalversammlung hat 577 Sitze, das bedeutet, dass 289 Sitze für eine absolute Mehrheit notwendig sind.

    +++ Laschet: Mobilisierung gegen radikale Rechte eine Lehre für Deutschland

    Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet sieht nach der Parlamentswahl in Frankreich Chancen für eine weiter pro-europäische Mehrheit in unserem Nachbarland. Weder die Rechtsextremen um Marine Le Pen noch "die antisemitischen und antideutschen Linksradikalen" um Jean-Luc Mélenchon hätten gewonnen, sagte Laschet der Deutschen Presse-Agentur. Der frühere CDU-Chef fügte hinzu, Präsident Emmanuel Macron habe Recht gehabt: Wenn ein Drittel rechtsradikal wähle, müsse man die anderen Zweidrittel mobilisieren. Dies sei eine Lehre auch für Deutschland bei den ostdeutschen Landtagswahlen, meinte Laschet.

    +++ Nils Schmid: "Das Schlimmste ist verhindert"

    Als einer der ersten deutschen Politiker äußerte sich der SPD-Außenexperte Nils Schmid. Er meinte, in Frankreich sei das Schlimmste verhindert worden. Die Lage bleibe aber kompliziert. Präsident Macron sei geschwächt, sagte Schmid der Funke-Mediengruppe.

    +++ Auschwitz Komitee: "Brandmauer der Demokratie steht weiter"

    Das Internationale Auschwitz Komitee hat die Prognose in Frankreich als ungeheure Erleichterung und ein ermutigendes Signal für Europa bezeichnet. Die Brandmauer der Demokratie gegenüber der extremen Rechten stehe, erklärte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner in Berlin. Die Werte der französischen Republik und ihre Erinnerungen und Erfahrungen aus den dunkelsten Zeiten von Hass, Ausgrenzung und Krieg seien in den Herzen und Köpfen der Menschen weiter gegenwärtig. 

    +++ Donald Tusk: "Moskau enttäuscht, Ukraine erleichtert"

    Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat sich erfreut über den Wahlausgang in Frankreich gezeigt. Auf der Plattform X schrieb Tusk, in Paris gebe es Begeisterung, in Moskau Enttäuschung und in Kiew Erleichterung. Mit all dem sei man in Warschau glücklich.

    +++ Meinungsforschunger: Franzosen haben weiter Angst vor dem RN

    Brice Teinturier vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos hat die Prognosen und Teilergebnisse im französischen Fernsehen kommentiert. Es zeige sich, dass viele Franzosen weiter Angst vor dem Rassemblement National hätten. Die Sorge vor einer absoluten Mehrheit des RN habe die Menschen offenbar an die Urnen getrieben, meinte Teinturier unter Hinweis auf die Beteiligung, die so hoch wie seit gut 40 Jahren nicht gelegen haben könnte.

    +++ Marine Le Pen: RN-Sieg nur vertagt

    Die Rechtspopulistin Marine Le Pen sieht den Sieg ihres "Rassemblement National" nur vertagt. Heute seien die Samen für den Erfolgs von morgen gesät worden. Dies wurde als Anspielung auf eine erneute eigene Präsidentschaftskandidatur verstanden. Le Pen meinte, die Situation von Staatschef Macron sei jetzt schon unhaltbar.

    +++ Attal kündigt Rücktrittsangebot an

    Der bisherige Premierminister Attal erklärte, er werde Präsident Macron morgen seinen Rücktritt anbieten. Solange wie nötig werde er im Amt bleiben. Sein Lager, das des Präsidenten, habe keine Mehrheit mehr. Das gelte aber auch für die beiden anderen Lager, die sich alle drei unversöhnlich gegenüber stünden. So könne es in Frankreich nicht weitergehen, meinte Attal. Der scheidende Premierminister sagte voraus, das Machtzentrum des Landes werde sich ab sofort in die Nationalversammlung verlagern und dort müssten Wege der Zusammenarbeit jenseits der Extreme gefunden werden. Wörtlich betonte er, eine neue Ära werde beginnen. Im französischen Fernsehen wurde dies als ein weiteres Absetzen von Macron gedeutet.

    +++ Deutschlandfunk-Korrespondentin sagt schwierige Regierungsbildung voraus

    Deutschlandfunk-Korrespondentin Christiane Kaess sagte, das sich abzeichnende Ergebnis deute auf eine sehr komplizierte Regierungsbildung hin. Kein Lager habe eine Mehrheit. Die Linke müsse dafür auf das Präsidentenlager zugehen. Das aber werde die internen Differenzen zutage treten lassen, die man im Wahlkampf überspielt habe. Christiane Kaess meinte, für Frankreich breche nun eine neue Ära an, die - Stand heute Abend - sehr offen sei.

    +++ Édouard Philippe: "Macron hat Klarheit gewollt und das Gegenteil bekommen"

    Der frühere Premierminister Édouard Philippe hat sich weiter von Präsident Macron abgesetzt. Macron habe mit der Neuwahl des Parlaments Klarheit erreichen wollen. Das Gegenteil sei eingetreten. Eine große Mehrheit der Menschen in Frankreich sei nicht bereit, eine rechtsnationale Regierung zu akzeptieren. Es gebe aber auch keine Mehrheit für das Linksbündnis oder für das Präsidentenlager. Philippe sprach sich für eine Übergangsregierung aus, der aus seiner Sicht aber weder der RN noch die Linkspopulisten der "La France insoumise" angehören können. Mittelfristig brauche Frankreich aber andere Perspektiven, für die er bereitstehe, meinte er. Im französischen Rundfunk wurde dies als Ankündigung einer Präsidentschaftskandidatur gesehen. Philippe führt derzeit eine kleine Partei namens "Horizons", die mit Macrons Bewegung zusammenarbeitet.

    +++ Deutschlandfunk-aktuell um 21:05 Uhr

    Nach den Nachrichten um 21 Uhr hören Sie im Deutschlandfunk ein Analyse-Gespräch mit unserer Frankreich-Korrespondentin.

    +++ Macron will beobachten und abwarten

    Präsident Macron wird vorerst keine Bewertung des Wahlabends vornehmen. Ein Sprecher teilte mit, Macron werde sich sicher heute nicht äußern. Vielmehr wolle der Staatschef abwarten, bis die Mehrheitsverhältnisse im Parlament klar seien, bevor er die notwendigen Entscheidungen treffe.

    +++ Innenminister Darmanin: Niemand hat gewonnen

    Der bisherige Innenminister Gérald Darmanin hat zu einer ruhigen Prüfung des Wahlergebnisses gewonnen. Niemand habe wirklich gewonnen, meinte Darmanin, erst recht nicht der Linkspopulist Mélenchon.

    +++ Bardella sieht RN um den Sieg gebracht

    Der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National, Jordan Bardella, sieht seine Bewegung um den Sieg gebracht. Nach dem Erfolg bei den Europawahlen und in der ersten Runde vor einer Woche habe sich ein widernatürliches Bündnis gegen den RN gebildet. Ergebnis werde nun eine linksradikale Politik sein, die Frankreich schade. Seine Partei werde aber früher oder später das Land regieren, meinte Bardella.

    +++ Ex-Präsident Hollande mit Comeback als Abgeordneter

    Der frühere Präsident François Hollande ist wieder auf die politische Bühne zurückgekehrt. Der Vorgänger Macrons wurde in der Corrèze als Abgeordneter für seine Sozialisten gewählt.

    +++ Auch der Sozialistenchef Olivier Faure und die Grünen-Vorsitzende Marine Tondelier erhoben den Anspruch auf eine linke Regierung

    Faure betonte vor Anhängern, der RN habe sich nicht durchgesetzt, aber auch die Politik Macrons sei vorbei. Insbesondere die Rentenreform des Präsidenten müsse zurückgenommen werden.

    +++ Verteilung der Stimmen im linken Lager

    Im linken Lager, für das eine relative Mehrheit prognostiziert wird, dürfte die extrem linke "La France Insoumise" stärkster Partner werden mit zwischen 68 und 74 Mandaten. Kaum weniger, zwischen 63 und 69 Sitze, werden für die Sozialisten vorhergesagt. Auf 32 bis 36 Mandate kommen die Grünen in der Prognose.

    +++ Mélenchon: Präsident muss Linke mit der Regierungsbildung beauftragen.

    Jean-Luc Mélenchon, der Gründer von La France insoumise, hat für das Linksbündnis den Anspruch auf die Regierungsbildung erhoben. Zugleich warnte er seine Partner in der linken Allianz vor Kompromissen mit Macron.

    +++ Prognose in Frankreich: Linksbündnis stärkste Kraft, Rechtspopulisten nur auf Rang drei

    Nach der zweiten Runde der französischen Parlamenstwahl zeichnet sich eine relative Mehrheit für die Linksallianz "Nouveau front populaire" ab. Das Institut IPSOS sieht sie bei 172–192 Mandaten in der Nationalversammlung. Auf Platz zwei käme danach das Lager von Präsident Macron mit 150–170 Sitzen. Für den rechtsnationalen "Rassemblement National", der in der ersten Runde am stärksten abgeschnitten hatte, werden 130–152 Mandate vorhergesagt. Die konservativen Republikaner, die sich nicht mit dem umstrittenen Parteivorsitzenden Eric Ciotti dem RN angeschlossen hatten, ziehen laut Prognose mit 60 bis 65 Abgeordneten in die Nationalversammlung ein. Ciotti war im Alleingang einen Wahlpakt mit dem RN eingegangen.

    +++ Macron berät sich im engsten Kreis, will sich heute Abend aber wohl nicht äußern.

    Präsident Macron hat sich im Elysée-Palast mit seinen engsten Vertrauten zu Beratungen zurückgezogen. Ein Sprecher teilte mit, eine öffentliche Äußerung des Staatschefs am heutigen Abend sei "derzeit nicht geplant".

    +++ Medien in Belgien und in der Schweiz mit von einander abweichenden Prognosen.

    Die französischsprachigen Medien in den Nachbarländern Schweiz und Belgien sind mit ihren Prognosen auf der Basis von Nachwahlbefragungen nicht an die Sperrfrist 20 Uhr gebunden. Die verschiedenen Prognosen weichen allerdings deutlich voneinander ab. In dieser unklaren Lage verzichten wir auf eine Veröffentlichung.

    +++ Bei der Parlamentswahl haben die meisten Wahllokale um 18 Uhr geschlossen.

    In den Großstädten bleiben sie noch bis 20 Uhr geöffnet. In Paris werden offenbar Ausschreitungen befürchtet. Auf der berühmten Pariser Einkaufsmeile Champs-Elysées wurden nach Angaben des Senders franceinfo bereits mehrere Geschäfte vorsorglich verbarrikadiert.

    +++ Aus den Überseegebieten, die bereits gestern gewählt haben, liegen bereits Ergebnisse vor.

    In Guadeloupe, Martinique und Guyana ging das links-grüne Wahlbündnis als Sieger aus der Wahl hervor - was jedoch nicht als nationale Tendenz gewertet werden kann. In Neukaledonien wurde erstmals seit 1986 ein Befürworter der Unabhängigkeit gewählt.

    +++ Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Hofreiter, plädiert unabhängig vom Wahlausgang für eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich.

    Deutschland dürfe nicht den Fehler machen, Frankreich links liegen zu lassen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Das gelte auch bei einem starken Abschneiden des Rassemblement National. Zwar solle man nicht mit Rechtsradikalen zusammenarbeiten. Aber das heiße, auf kommunaler Ebene und mit dem Präsidenten noch mehr zu machen sowie mit den demokratischen Kräften, die es weiter im französischen Parlament geben werde.

    +++ Nicht nur in Frankreich steigt der Zuspruch für populistische Parteien.

    Doch wie kann man Menschen zurückgewinnen, die sich von der Politik nicht gehört oder verstanden fühlen? Das ”Ringen um die Hoheit an den Stammtischen” ist Thema im "Wortwechsel" von Deutschlandradio Kultur.

    +++ Marine Le Pen vom Rassemblement National ist verärgert über Frankreichs Fußball-Star Kylian Mbappé.

    Die Franzosen hätten es satt, belehrt und beraten zu werden, wie sie wählen sollen, sagte die frühere RN-Vorsitzende dem Fernsehsender CNN. Mbappé hatte öffentlich dazu aufgerufen, einen Wahlsieg der rechtsnationalen Partei zu verhindern. Man dürfe nicht erlauben, dass Frankreich in die Hände dieser Leute falle, sagte der 25-Jährige.

    +++ Nach ersten Zahlen aus Frankreich zeichnet sich eine hohe Wahlbeteiligung ab.

    Bis zum Mittag gaben laut offiziellen Angaben gut 26,6 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab - dies ist die höchste Beteiligung zu diesem Zeitpunkt seit 1981.

    +++ Am Mittag gab Frankreichs Präsident Macron seine Stimme ab.

    Für Macron steht viel auf dem Spiel. Sollte der Rassemblement National eine absolute Mehrheit erringen, stünde Macron unter dem politischen Zwang, erstmals einen Premierminister aus den Reihen der Partei - etwa RN-Chef Bardella - zu ernennen. Das wäre ein Einschnitt in der Geschichte des Landes und hätte auch für die europäische Politik große Auswirkungen. Damit gäbe es in Frankreich erstmals seit 1997 wieder eine sogenannte Kohabitation. Das bedeutet, dass Präsident und Premierminister unterschiedliche politische Richtungen vertreten. 

    +++ Der CDU-Außenpolitiker Röttgen sieht die Autorität von Präsident Macron als "massiv beschädigt" an.

    Röttgen sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, Macron sei bei der Bevölkerung extrem unbeliebt und habe für große Enttäuschung gesorgt. Er sei isoliert und treffe einsame Entscheidungen - so wie jene, auf einmal das Parlament aufzulösen. Das habe zu einer Stärkung der politischen Ränder geführt.

    +++ Mit einem Großaufgebot der Polizei sollen mögliche Ausschreitungen am Wahltag verhindert werden.

    Rund 30.000 Beamte sollen am Wahlabend die Sicherheit im Land gewährleisten. Die Stimmung ist angesichts der Polarisierung des Landes aufgeheizt. Innenminister Darmanin will am Abend allein in Paris und Umgebung 5.000 Polizisten einsetzen. Er wolle damit sicherstellen, dass die radikale Rechte und die radikale Linke die Situation nicht ausnutzten, um Chaos zu verursachen, sagte er.

    +++ Die meisten Wahllokale in Frankreich schließen um 18 Uhr.

    In den Großstädten dürfen die Bürgerinnen und Bürger noch bis 20 Uhr ihre Stimme abgeben. Bald danach dürfte es die ersten Hochrechungen geben. In mindestens 50 Wahlkreisen wird mit einem sehr knappen Ausgang gerechnet. Gewählt wird nach Mehrheitswahlrecht - das heißt, dass der Gewinner in einem Wahlkreis in die Nationalversammlung einzieht. Die Stimmen des Verlierers werden nicht berücksichtigt.

    +++ Mehr als 200 drittplatzierte Kandidatinnen und Kandidaten haben vor der Stichwahl ihre Bewerbung zurückgezogen.

    Ihr Ziel ist es, einen Sieg von Bewerbern des Rassemblement National zu verhindern. Ob diese Strategie aufgeht, ist offen. Ebenfalls ungewiss ist es, wie nach der Wahl eine Regierung gebildet werden kann. Denn Bündnisse etwa zwischen dem Macron-Lager und dem Linksbündnis sind kaum zu erwarten.

    +++ Die entscheidende Runde der Parlamentswahl in Frankreich hat begonnen.

    Nachdem gestern bereits in den Überseegebieten abgestimmt wurde, wird heute im Kernland über die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung entschieden. Im ersten Wahlgang haben nur in 76 Wahlkreisen Kandidaten ein Mandat erringen können. In 501 von 577 Wahlkreisen gibt es dehalb heute eine Stichwahl, die über die Zusammensetzung des Parlaments entscheidet. In Runde eins war die rechtspopulistische Partei Rassemblement National stärkste Kraft geworden. Dahinter folgten das Linksbündnis sowie das Mitte-Lager von Präsident Macron.
    Diese Nachricht wurde am 07.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.