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Programm der AfD zum Islam
"Der Geist ist sehr gefährlich"

Der Bundestags-Vizepräsident Peter Hintze hält die Parteitagsbeschlüsse der AfD zum Islam für brandgefährlich. Die Aussage, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre, hetze die Menschen gegeneinander auf. Die fünf bis sechs Millionen Muslime in Deutschland hätten das Recht, ihre Religion zu leben. Er halte den gesamten Ansatz der AfD, der Bevölkerung Angst zu machen, für gefährlich, sagte der CDU-Politiker im DLF.

Peter Hintze im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Peter Hintze, Bundestagsvizepräsident
    Bundestags-Vizepräsident Peter Hintze nennt die Aussage der AfD, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, "brandgefährlich". (dpa / Karlheinz Schindler)
    Die Antwort der Parteien auf die AfD müsse sein, objektive Probleme sachlich anzusprechen und auf dem Boden des Grundgesetzes für Lösungen zu sorgen, sagte der CDU-Politiker. Formal seien die Texte der AfD nicht angreifbar, aber der Geist sei sehr gefährlich. "Bei der AfD ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Partei ins Rechtsradikale abdriftet. Mit seinen Äußerungen "baut Gauland verbal schon vor", meinte Hintze.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Peter Hintze von der CDU, stellvertretender Bundestagspräsident. Guten Morgen, Herr Hintze.
    Peter Hintze: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Wie schlimm ist aus Ihrer Sicht dieser Satz, oder ist er gar nicht schlimm?
    Hintze: Doch, ich halte ihn für sehr problematisch. Die AfD ist eine Angstmacherpartei, deren schleichende Radikalisierung sich auf dem Parteitag gezeigt hat und auch in diesem Satz zum Ausdruck kommt. Erst ging es gegen den Euro, dann gegen die Flüchtlinge, gegen Europa, jetzt gegen den Islam. Und dieser Satz ist deswegen brandgefährlich, weil er einfach Streit und Unfrieden in die Bevölkerung bringt, weil er die Menschen aufhetzt und weil er hier Vorurteile anfängt, zu zementieren, die hier und dort da sind. Und die Antwort der Parteien, wenn ich das vielleicht auch sagen darf, der demokratischen Parteien muss sein: Wir müssen die objektiven Probleme ansprechen. Da gibt es ja eine Menge Anknüpfungspunkte, und das greift die AfD auf. Beispielsweise ...
    Heckmann: Dazu kommen wir gleich noch, Herr Hintze. Lassen Sie uns nicht direkt alles in die erste Antwort packen. Sie sagen, diese Aussage ist brandgefährlich. Ich lese Ihnen mal einen Satz vor Der lautet: "Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu Deutschland." Wissen Sie, wer das gesagt hat?
    Hintze: Nein. Es mag sein, dass das einer aus dem demokratischen Spektrum war.
    Heckmann: Ja, das war Volker Kauder, und zwar im Jahr 2012. Das ist noch gar nicht so lange her.
    Hintze: Hatte ich schon vermutet, dass er das war. Der Punkt ist nur folgender: Der wirkliche Unterschied ist doch der Kontext. Bei der AfD sind die Aussagen in einem Kontext - ich habe eben ein paar andere Themenbeispiele genannt -, die ganz klar einen anderen Politikansatz haben und die sich mit vorhandenen Problemen, über die wir gleich sprechen, die es natürlich auch im Verhältnis zum Islam gibt, rein polemisierend auseinandersetzen und nicht in einem rechtsstaatlichen Sinne sie angehen. Das ist der große Unterschied. Der gesamte Ansatz der Partei, der Bevölkerung Angst zu machen und Vorurteile zu schüren, das halte ich hier für gefährlich.
    Heckmann: Das konnte man Volker Kauder vor vier Jahren auch vorwerfen. Dieser Vorwurf ist ja auch erhoben worden. Aber kommen wir mal zu einer anderen Frage. Die AfD setzt voll auf das Thema Islam. Ärgern Sie sich eigentlich, dass Sie das Thema der AfD überlassen haben? Denn die Tendenzen zum Islamismus, hin zu muslimischen Parallelgesellschaften auch, die wurde ja offenbar jahrelang verschlafen.
    Hintze: Ich glaube, das kann man nicht so sagen. Das ist vor Jahren schon erkannt und bearbeitet worden. Ich will nur mal ein paar Beispiele bringen. Annette Schavan hat damals als Bundesbildungsministerin gesagt, wir müssen schauen, dass wir auch an den deutschen Hochschulen islamische Theologie haben, damit es zu einem Gespräch zwischen Tradition und Gegenwart kommt. Damit durch die Universitätstheologie auch die Frage, wie kann ein solcher 1400 Jahre alter Glaube auch in der heutigen Wirklichkeit sprechen und wie können die Gegenwartsfragen der Moderne mit den Glaubensfragen der Tradition verbunden werden. Das war ja schon mal ein Ansatz. Es gibt eine Menge Ansätze, was man in den Schulen hier machen kann. Das ging ursprünglich über den muttersprachlichen türkischen Unterricht, dann auch über einen Islamunterricht, wo die Kinder aufgeklärt werden und gleichzeitig lernen, was die Werte und Überzeugungen hier in Deutschland sind. Es ist schon einiges gemacht worden. Trotzdem - und da haben Sie mich eben unterbrochen, aber das war Ihr gutes Recht - gibt es natürlich objektive Probleme, die da sind. Und die Aufgabe der Politik ist es, die Fragen und Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, diese objektiven Probleme anzusprechen und dann hier aber auf dem Boden unseres Grundgesetzes für Lösungen zu sorgen.
    Heckmann: Die Probleme ernst nehmen und auch die Probleme anpacken, das sagt ja auch die AfD von sich, dass sie das tut. Sie sagt auch, dass sie die Stimmung in der Bevölkerung aufgreift, nicht schürt, sondern aufgreift. Sollten das die anderen Parteien auch machen, so wie ich muss noch mal Volker Kauder nennen in dem Zusammenhang, der dieser Tage ja gefordert hat, dass die Moscheen überwacht werden sollen?
    Hintze: Volker Kauder ist, glaube ich, einer der wichtigsten Repräsentanten der Religionsfreiheit in Deutschland und weltweit. Dafür ist er bekannt und tritt er auf. Jetzt will ich aber auf Ihre Frage einmal eingehen. Welche objektiven Probleme sind da und was macht die Menschen unruhig? Das eine ist das weltweite Phänomen des islamistischen Terrorismus, der hier und da auch kleine und kleinste Unterstützergruppen bei uns in Deutschland hat. Und das macht natürlich die Menschen nervös. Und wenn wie bei mir in Wuppertal auf einmal eine selbst ernannte Scharia-Polizei auftaucht, dann beunruhigt das die Bevölkerung. Das ist ja ganz klar und auch verständlich. Zweitens kriegt man natürlich mit, auch im Zusammenleben, dass in vielen Familien noch sehr patriarchalische Strukturen herrschen, die mit unserem Familienbild nicht so unbedingt kompatibel sind. Auch darüber müssen wir sprechen, darüber wird gesprochen. Drittens das Thema Ungleichheit der Frau oder die Frage der Gleichberechtigung der Frau spielt natürlich eine sehr große Rolle. Auch hier gibt es eine religiöse Prägung, wo wir sagen, nein, das ist unser Verständnis nicht. Und die Silvesternacht in Köln war natürlich noch mal ein Schock, weil es war ein kleiner Teil, aber doch ein sehr gewalttätiger Teil hier, der Übergriffe begangen hat, dass die Menschen einen Schock bekommen haben, sodass dann die Gefahr, das zu verallgemeinern, einfach groß ist. Aber der Unterschied zwischen der AfD und den demokratischen Parteien ist doch der: Wir verhandeln das auf der Ebene unseres Rechtsstaates, unseres Grundgesetzes, unserer Überzeugungen. Und die verhandeln das auf einer rein polemischen Ebene, machen so eine Mixtur daraus, machen den Menschen Angst, schüren Vorurteile. Und das ist doch die Riesengefahr. Man muss mal eins sagen bei dem Satz, der Islam gehört nicht zu Deutschland. Die Menschen, die hier leben, immerhin vier, fünf, sechs Millionen Muslime, die haben hier ihr Zuhause und das müssen wir gemeinsam verteidigen. Und sie haben auch das Recht, nach dem Grundgesetz ihre Religion auszuüben. Und das müssen wir verteidigen. Und wer das infrage stellt, der ist halt gefährlich.
    Heckmann: Na ja. Die AfD sagt, sie stellt gerade das nicht infrage. Die Moslems, die in Deutschland leben, sollen ihren Glauben ausüben dürfen. Das hat jetzt gerade auch noch mal Alexander Gauland bei uns im Deutschlandfunk gesagt. Und dass die AfD keine demokratische Partei ist, das würde die Partei natürlich auch zurückweisen.
    Hintze: Unterschied zwischen Text und Kontext bei der AfD
    Hintze: Nein, passen Sie auf. Dann will ich es noch mal erklären. Der Unterschied, der wirkliche Unterschied ist der: Natürlich spricht die AfD Themen an, die viele Menschen bewegen. Und das scheint ja auch zu verfangen. Aber das Gefährliche ist dieser Unterschied zwischen innerer und äußerer Wahrheit. Die äußere Wahrheit, die geäußerte Wahrheit ist immer so, dass immer aufgepasst wird, dass die Nähe zu den Rechtsextremen nicht zu groß wird, obwohl der ganze Katalog der Themen sich mit den Rechtsextremen auch bei uns im Lande total deckt, auch mit den Nichtdemokraten total deckt. Man guckt schon so, dass die Texte so bearbeitet werden, dass sie formal nicht richtig angreifbar sind. Das ist ein taktisches Verhalten. Aber der Geist, der davon ausgeht, der ist sehr gefährlich. Und auf diesen Unterschied muss man hinweisen zwischen Text und Kontext, der hier besteht.
    Heckmann: Ja, genau. Das ist ein gutes Stichwort, die Abgrenzung nach rechts oder die möglicherweise nicht erfolgende Abgrenzung nach rechts. Marcus Pretzell, der Vorsitzende der AfD in Nordrhein-Westfalen und Europaabgeordneter, der hat jetzt angekündigt, dass er sich der Fraktion im Europaparlament anschließen will, in der auch der rechtsextreme Front National sitzt. Wohin steuert die AfD aus Ihrer Sicht?
    Hintze: Ja, das ist die große Frage. Wir haben ja bisher verschiedene Radikalisierungsschritte erlebt. Das deutlichste Radikalisierungssignal war ja, dass Herr Lucke, ein Wirtschaftsliberaler, der die Partei gegründet, geschaffen hat, mit vielen seiner Freunde aus ihr ausgetreten ist. Das war der erste Schub. Dann gibt es jetzt die Auseinandersetzungen um Thüringen, um Saarland und andere. Die Frage, droht der zweite Schritt von Herrn Pretzell, zu einer rechtsradikalen Fraktion zu gehen, ist natürlich auch ein offenes Signal. Ich würde sagen, bei der AfD ist die Frage noch nicht abschließend entschieden, ob sie ganz ins Rechtsradikale abrutscht, aber die Gefahr besteht.
    Heckmann: Wobei Herr Gauland gerade eben hier im Deutschlandfunk gesagt hat, den Front National als rechtsradikal zu bezeichnen, da hätte er Probleme mit.
    Hintze: Schleichende Radikalisierung bei der AfD
    Hintze: Sehen Sie, das ist wieder so ein Beispiel. Das sind alles Vorbereitungshandlungen nach dem Motto, wenn es so kommt. Von ihm ist ja bekannt, dass er ursprünglich dagegen war, dass man mit denen was zusammenmacht. Aber er baut jetzt vor, verbal zu sagen, wenn es so kommt, na ja, ist nicht ganz so schlimm. Und das nenne ich schleichende Radikalisierung. Und da ist die Gefahr in dieser Partei und da sind schon die Demokraten gefordert, darauf hinzuweisen. Aber auf der anderen Seite auch die vielen Wählerinnen und Wähler, die keine rechtsextreme Partei wählen wollen, die sich aber Sorgen machen im Blick auf bestimmte Fragen der inneren Sicherheit, aber auch Fragen, wie gehen die Religionen untereinander, miteinander um, dass man die auch aufgreift und anspricht.
    Heckmann: Herr Hintze, Rechtsradikale haben gestern einen Auftritt von Justizminister Heiko Maas in Zwickau massiv gestört. Er musste unter Polizeischutz den Ort verlassen. Der Vorgang wurde auf dem AfD-Parteitag in Stuttgart beklatscht. Was sagt das über das Klima in Deutschland?
    Hintze: Das ist ein wirklich erschütternder Vorgang. Ich habe das gestern im Fernsehen gesehen, wie Maas da von Rechtsextremen bedrängt wurde. Viele Menschen werden das auch gesehen haben. So was zu beklatschen, da würde ich sagen, da fällt die Maske vom Gesicht und man sieht dahinter eine hässliche Fratze. Und das ist doch auch ein Warnzeichen.
    Heckmann: Der stellvertretende Bundestagspräsident Peter Hintze war das von der CDU. Herr Hintze, danke Ihnen für Ihre Zeit.
    Hintze: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.