Keine Zeit für Träumerei - der späte Erfolg des Soul-Sängers Charles Bradley
Von Andreas Dewald
Als der schwarze amerikanische Sänger Charles Bradley 2011 auf seinem Debütalbum „No Time For Dreaming“ mit furioser Soul-Music im Stil der 1960er Jahre überraschte und damit an das goldene Zeitalter von Stax und Motown anknüpfte, war er bereits 62 Jahre alt und hatte ein Leben voller Leid, Elend, Schmerz und Tragik hinter sich. 1948 in Gainesville, Florida geboren und elternlos aufgewachsen, riss Charles Bradley schon als Teenager von Zuhause aus und lebte auf den Straßen von New York. 1962, bei einem Konzert von James Brown im Apollo Theatre, verspürte er zum ersten Mal den Wunsch, Musiker werden zu wollen. Zunächst aber verdingte er sich als Koch, sang und spielte den echten, unverfälschten Soul mit seiner Band nur in seiner Freizeit, wohnte in einer Containersiedlung und vagabundierte als Küchenchef zwei Jahrzehnte lang kreuz und quer durch die USA. Er erlebte rassistische Diskriminierung, verlor seine Jobs, wurde ernsthaft krank und fand eines Morgens seinen Bruder erschossen vor dem Haus auf. Unter dem Namen Black Velvet trat er in kleinen Clubs in Brooklyn als James-Brown-Imitator auf, bis er dort vor gar nicht langer Zeit von einem Mitarbeiter des jungen Soul-Labels Daptone entdeckt wurde. Die Kraft und die Intensität, mit der Charles Bradley auf seinem Solo-Debüt von seinen Lebenserfahrungen sang, bescherten ihm überschwängliche Kritiken, Tourneen in Europa und den USA sowie ein begeistertes Publikum überall auf der Welt.