Wissenschaft im Brennpunkt
Philosophie im Hirnscan (3/4)
Worte, die Grenzen meiner Welt
Von Stefanie Schramm
(Teil 4 am 27.7.14)
Worte beeinflussen tagtäglich, wie wir denken und handeln, was wir wahrnehmen und woran wir uns erinnern. Darin sind sich Sprachforscher einig. Doch zugleich tobt unter ihnen seit Jahrzehnten ein erbitterter Streit. Er verläuft entlang von Kampflinien, die Philosophen schon vor Jahrhunderten abgesteckt haben. Die einen sind überzeugt, dass unsere Sprache sehr großen Einfluss auf unser Denken hat - und dass Menschen deshalb sogar in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich denken. Wilhelm von Humboldt und Ludwig Wittgenstein vertraten diese Auffassung. In den 30er-Jahren schließlich entwickelten Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf die nach Ihnen benannte, berühmte Hypothese: Die Sprache bestimme unser Denken vollkommen; wofür wir keine Wörter hätten, das könnten wir schlicht nicht denken. Die anderen dagegen glauben, dass das Denken von der Sprache weitgehend unabhängig ist. So ist Noam Chomsky überzeugt, dass allen Menschen ohnehin dieselben Grundregeln der Sprache angeboren sind. Und schon im 18. Jahrhundert war der englische Gelehrte Samuel Johnson der Ansicht, dass Wörter "bloß die Zeichen von Ideen" seien und Sprache nichts anderes sei als "die Kleidung der Gedanken".
Die Diskussion ist weit über die Grenzen der Linguistik hinaus von Bedeutung. Denn sie rührt an grundlegende Fragen nach dem Wesen des Menschen und seiner Wahrnehmung. Mittlerweile suchen auch Psychologen und Hirnforscher nach Antworten. Sie finden immer mehr Hinweise darauf, dass Worte unser Denken und Handeln prägen, und dass wir uns tatsächlich schon mit unserer Muttersprache bestimmte Denkmuster aneignen, die unser Leben auf überraschende Weise beeinflussen. Und weil Sprache so eng mit unserem Denken verwoben ist, verrät sie viel mehr über uns, als wir meinen.