Europäisches Handgepäck (2/7)
Nelken im Klostergarten
Portugiesische Verwerfungen
Von Mathias Greffrath
(Teil 3 am 10.5.2018)
Das Hieronymitenkloster in Lissabon kündet von einer Nation, die einst die Hälfte der neuen Welt eroberte. Dicht neben den Särgen der Könige Portugals und dem des Seefahrers Vasco da Gama liegt das Grab des Renaissancedichters Luís de Camões. Dessen Epos schlug den Bogen von der Odyssee in den großen europäischen Aufbruch - und ein paar Schritte entfernt liegt der Dichter der modernen portugiesischen Melancholie, Fernando Pessoa. Das Kloster ist der Ort, an dem 2007 der Vertrag unterzeichnet wurde, der Europa einen neuen Anschub als wachstumstreibende und effiziente Wirtschaftszone geben sollte, nur ein Jahr vor der Krise von 2008. Portugiesen haben eine lange Tradition im Umgang mit Niedergang, Diktatur und erzwungener Migration. Aber Melancholie macht auch störrisch. Findet man in Portugal, abseits der Touristenwirtschaft, die letzten Vormodernen oder die ersten Postkapitalisten?
Auf sechs Reisen sucht Mathias Greffrath nach dem, was die Europäer noch miteinander verbindet und macht eine fragmentarische Bestandsaufnahme. Gibt es ein gemeinsames kulturelles Erbe und nicht nur politisch ausbeutbare Identitäten? Wie steht es um die kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften, die Europa geformt haben, und die wir - in verwandelter Form - in die Zukunft mitnehmen müssen? In diesem Fall als Handgepäck - unauffällige Gegenstände, die man einsteckt im Vorübergehen, als Merkzeichen, als Erinnerungen, als Fetische der Zukunft.