Höckes Heimstatt - Erkundungen im ideologischen Gelände
Von Patricia Görg
Anders als andere Politiker wohnt Björn Höcke in einem 250-Seelen-Dorf. Bornhagen sei sein „Refugium, Inspirations- und Rückzugsraum“, sagt er. Ein Ort an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Lässt sich hier die Zukunft der Bundesrepublik denken?
Tatsächlich ist Bornhagen so abgelegen, stillstandshaft und idyllisch, dass es beim Blick in die Landschaft idealiter ein zentrales Phantasma von Björn Höckes AfD zu verkörpern scheint, nämlich den Plan, die Zukunft möge einer märchenhaften Vergangenheit entsprechen.
Gleichzeitig liegt das Dorf, zeithistorisch betrachtet, auf gewissermaßen „geologisch aktivem Grund“. Die Staatsgrenze zwischen BRD und DDR war nur einen Steinwurf entfernt; die romantische Burgruine Hanstein, die Bornhagen überragt, war unzugänglicher Sitz der DDR-Grenztruppen, ringsum war Sperrgebiet. Auch dies erklärt, warum sich dort noch immer Fuchs und Hase Gute Nacht sagen.
Im hessischen Nachbarort Werleshausen, der bis 1945 auch zu Thüringen gehörte, gibt es auf dem Dorfanger einen der besterhaltenen „Thingplätze“ Deutschlands. Warum ist das Eichsfeld als Gebiet nicht nur zu einer Chiffre, sondern auch zu einem beliebten Wohn- und Versammlungsort speziell für aus Westdeutschland stammende Rechtsextreme geworden und letztlich wohl auch zu einem ideologischen Gelände? So etwa war es das Eichsfeld, in das Alexander Gauland die damalige Ausländerbeauftragte Aydan Özoğuz einladen wollte, um ihr „deutsche Kultur“ zu zeigen und sie anschließend „in Anatolien zu entsorgen“. Es scheint als sei das ein Stück Land, über das sich das Wunschbild der ersehnten „Heimat“ legt. Ein Ortsbesuch ist hier dringend angesagt.
Patricia Görg, geboren 1960, lebt als Schriftstellerin und Autorin fürs Radio in Berlin und ist mit Büchern wie u.a. „Glücksspagat“ (2000), „Handbuch der Erfolglosen“ (2012) oder „Glas. Eine Kunst“ (2013) sowie Hörspielen wie „Die Gesänge der Raumfahrer. Ein Fernlehrgang“ (2019, Dlf Kultur) bekannt geworden. 2019 erhielt sie den Italo-Svevo-Preis.