„Ich habe als Philosoph gelebt.“
Eine Lange Nacht über Giacomo Casanova
Von Agnese Grieco
Regie: Giuseppe Maio
Den bis in unsere Gegenwart hallenden Ruf, der seinen Namen zu einem Gattungsbegriff werden ließ, hat Casanova sich als sagenhafter Verführer verdient. Aber er war viel mehr als nur ein Frauenverführer und das auch in einem vielfältigeren Sinne als es das schlechte Erinnerungsvermögen der Nachwelt im Gedächtnis behalten wollte. Giacomo Casanova, vor 300 Jahren, am 02. April 1725 in Venedig geboren, war schon mit sechzehn Jahren ein Doktor der Rechte, war ein Gesandter und Spion im Dienst gegeneinander intrigierender Mächte, ein Hofmann, ein Geiger aus Laune, ein Geistlicher aus Not, ein Spieler, ein Betrüger, ein Abenteurer und übersetzte die Ilias ins Venezianische. Und er war ein Libertin und ein Verführer, vor allem aber ein Schriftsteller. Casanova trägt viele Masken – mit Bravour. Hat er so vielleicht auch selbst Missverständnisse heraufbeschworen? Casanova ist neben Marco Polo sicher der berühmteste Venezianer – scheint heute aber eindeutig eine Figur von gestern. Oder täuscht das? Ist er nicht mehr salonfähig, weil er Ansprüchen an Political Correctness nicht entspricht? Wie sehen Italienerinnen und Italiener den Frauenhelden heute? Er hat zu fast allen Zeiten berühmte Schriftsteller und Regisseure zu Erzählungen und Filmen verführt und ist sicher noch häufiger als reduziertes Klischee von Autoren für anonyme erotische Literatur missbraucht worden. Zu entdecken gilt es in Giacomo Casanova einen Zeitgenossen auf der sinnlichen Höhe seiner Zeit, einen Autor und Philosophen, Gesprächspartner und politischen Beobachter, einen Europäer aus Berufung und schonungslosen Beobachter seiner selbst und seiner Mitmenschen.