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Programmierte Gefahr aus den Genen

Medizin. - Mit gleich drei Veröffentlichungen im Fachblatt "Nature Genetics" liefern Wissenschaftler aus Lübeck Hinweise auf Gene, die über Leben und Tod entscheiden können. Denn die Erbanlagen spielen bei der Entstehung von Herzinfarkten wichtige Rollen.

Von Mathias Günther |
    Mehrere Gene sind in den vergangenen Jahren in den Verdacht geraten, in Verbindung zu einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko zu stehen. In allen drei Studien haben die Wissenschaftler aber darauf verzichtet, speziell diese Gene zu untersuchen: sie haben jeweils das gesamte Genom unter die Lupe genommen, sagt Inke König vom Institut für Medizinische Biometrie und Statistik der Universität zu Lübeck:

    "Wir haben alle 23 Chromosomen-Paare des Menschen durchsucht. Wir haben verschiedene Marker gesetzt auf jedem Chromosom – insgesamt je nach Arbeit 500.000 bis eine Million solcher genetischen Marker – und uns angeguckt und immer geprüft, ob es einen Unterschied gibt zwischen den Personen, die tatsächlich eine koronare Herzerkrankung haben und gesunden Kontrollpersonen."

    Auf diese Weise untersuchten die Wissenschaftler in der ersten Studie das Genom von 1200 Herzinfarktpatienten und von ebenso vielen gesunden Menschen. Kontrolluntersuchungen an weiteren 25.000 Patienten schlossen sich an.

    "In dieser ganzen Datenflut hat sich dann herauskristallisiert, dass es bestimmte Punkte gibt, an denen es Unterschiede gibt, die sich häufen. Das heißt, da haben wir tatsächlich festgestellt, da gibt es Variationen, die bei den Patienten häufiger vorkommen als bei den gesunden Kontrollpersonen."

    Dies war auf den Chromosomen 3 und 12 der Fall. Dort sitzen das MRAS-Gen, von dem man vermutet, dass es eine wichtige Rolle in der Gefäßbiologie spielt und das HNF1A-Gen, das mit dem Cholesterinstoffwechsel zu tun hat. Die zweite Studie lokalisierte bei Herzinfarkt-Patienten auf dem Chromosom 6 Veränderungen des LPA-Gens, das den Transport von Fetten im Blut reguliert. Die dritte Studie wies auf den Chromosomen 2, 6 und 21 bisher unbekannte Herzinfarkt-Gene nach. Unterschiedliche methodische Ansätze haben hier jeweils zu anderen Erkenntnissen geführt. Das lässt bei künftigen Forschungsverfahren weitere neue Aufschlüsse erwarten, so Inke König – zumal die jetzt veröffentlichten Studien bei weitem nicht alle Variationen erfassen konnten:

    "Selbst wenn wir eine Million genetische Marker verwenden und damit wirklich das menschliche Genom systematisch zupflastern sozusagen, haben wir noch nicht alle Variationen damit abgeschöpft, sondern wir haben insgesamt drei Milliarden Basen-Paare in der menschlichen DNA, und wenn wir nur eine Million Marker haben, können wir uns vorstellen, was für Lücken noch dazwischen klaffen. Das heißt, wir brauchen letzten Endes auch dichtere Marker, wir brauchen einfach noch mehr an Informationen, um weiter voran zu kommen."

    Außerdem ist das methodische Repertoire noch längst nicht erschöpft:

    "Wir müssen uns zum Beispiel anschauen, ob es Gene gibt, die speziell in bestimmten Untergruppen von Patienten wirksam sind. Zum Beispiel könnte es sein, dass es Gene gibt, die nur bei Frauen wirksam werden und da zum Herzinfarkt führen. Oder bei Rauchern beispielsweise, nur um zwei Möglichkeiten zu nennen. Oder ob es Gene gibt, die in Wechselwirkung mit klassischen Risikofaktoren wirksam werden. Das ist eigentlich bisher noch ganz in den Anfängen, und da dürfen wir eigentlich gespannt sein, was da in Zukunft uns noch an Ergebnissen erwartet."

    Dennoch: Professor Jeanette Erdmann vom Molekulargenetischen Labor der Lübecker Uniklinik rechnet schon in wenigen Jahren mit Testverfahren, die das individuelle Herzinfarkt-Risiko eines Menschen bestimmen können:

    "Vor allem wird man das machen können bei Patienten, bei denen bekannt ist, dass in der Familie der Herzinfarkt häufiger vorkommt. Man kann bei diesen Patienten möglicherweise genetische Faktoren ja ausschließen, also eher in dem Sinne, dass man ihnen sagen kann: Du bist vielleicht doch nicht so gefährdet wie Dein Bruder oder Dein Vater, der schon einen Herzinfarkt hatte. Beziehungsweise, wenn man bei solchen Personen frühzeitig erkennt, dass das genetische Risiko in der Tat sehr hoch ist, dass man dann versuchen kann, seine anderen Risikofaktoren möglichst runter zu fahren. Also wenn zum Beispiel jemand dann übergewichtig ist oder raucht, dass man so jemandem dann natürlich sagen würde, er soll möglichst aufhören, zu rauchen."