Ins Licht geschrieben (3/3)
Dunkelkammer - Über den Fotografen Daniel Schwartz
Von Navid Kermani
Einige Bilder von Daniel Schwartz zeigen schmelzende Gletscher. In ihnen spiegelt sich das Sterben der Erde insgesamt. Navid Kermani nimmt die Fotografien zum Anlass nachzudenken: über die Vergänglichkeit und das Hell-Dunkel unserer Existenz. Über mehrere Monate hat Navid Kermani in seinem Tagebuch Notizen zum Fotografen Daniel Schwartz gemacht. Seine Werke, unter anderem Bilder aus Afghanistan, sind für den Schriftsteller Sinnbilder der Vergänglichkeit. Im dritten Essay an den Osterfeiertagen entfaltet Navid Kermani einen Assoziationsraum, in dem es um existenzielle Fragen ebenso geht wie um weltpolitische Fragen. Zum einen entfacht beispielsweise das ausbleibende Wasser der Gletscherschmelze in der Region Verteilungskämpfe. Zum anderen erscheinen dem Schriftsteller die Gletscher, bar des Schnees, entblößt wie einst der sterbende Vater im Krankenhaus. Und die riesigen, monochromen Bergpanoramen lassen Wanderer dort geradezu demütigend winzig erscheinen. Es ist vielleicht derjenige der drei Oster-Essays, der am meisten von mystischer Erfahrung kündet: Der Fotograf Daniel Schwartz erschafft mit Licht Kunst; in seiner Dunkelkammer erspürt Navid Kermani eine Aura, wie es sie in kaum einer Kirche noch gibt. So sind es bestimmte Orte, an welchen Kermani zufolge Extase, Freiheit und Ewigkeit erfahren werden können, ganz unabhängig von der Frage, ob man an Gott glaubt: Die Weite und Helligkeit der Natur kann eine regelrechte Trance erzeugen. Navid Kermani, geboren 1967 in Siegen, lebt als freier Schriftsteller in Köln. Er ist habilitierter Orientalist und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie des 1. FC Köln. Für seine Romane, Essays, Reportagen und Monografien wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kleist-Preis, dem Joseph Breitbach-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zuletzt erschien von ihm „Morgen ist da. Reden“ sowie seine Auswahl aus dem Werk von Friedrich Hölderlin, „Bald sind wir aber Gesang“, beide im Verlag C. H. Beck.