Eigentumsreligion
Von der Idee, mit Grund und Boden reich zu werden
Von Timo Rieg
Die einen erben Immobilien, die anderen zahlen exorbitante Mieten. Gerechtfertigt wird das gerne mit dem freien Markt oder mit dem Grundrecht auf Eigentum. Aber muss die Gesellschaft unbedingt so funktionieren? Wie sähe sie ohne die ‚Eigentumsreligion‘ aus?
Wer auf dem Parkplatz eines Supermarktes sein Auto abstellt ohne einzukaufen, darf abgeschleppt werden, denn der Parkplatz gehört jemandem. In Bahnhöfen und Shopping-Malls, auf Friedhöfen und Wiesen gelten Benimmregeln und Verbote, die im Wesentlichen derjenige festlegt, der sich Eigentümer nennt. Weder exorbitante Mietforderungen bei Wohnungen und Gewerberäumen noch Industriebrachen und verfallene Wohnhäuser können bisher das Dogma vom Eigentum an Grund und Boden erschüttern. Zwar haben Ökonomen, Architekten und Philosophen ganze Bibliotheken mit ihrer Kritik am Grundeigentum gefüllt, doch ist kein Ende der Landnahme in Sicht. Anstelle von Soldaten bestimmen heute vor allem Investoren, wem was gehört - und wer wem Geld für sein Dasein zu zahlen hat. Denn ob wir im Büro unsere Brötchen verdienen oder im Supermarkt die Brötchen kaufen, stets hält einer die Hand auf und fordert seine Bodenrente: der Grundbesitzer. Das geht auch anders, ohne dass die Welt dabei zusammenbricht.
Timo Rieg, Jahrgang 1970, hat Biologie und Journalistik studiert und beschäftigt sich unter anderem mit politischer Partizipation. Zuletzt erschienen von ihm die Bücher ‚Demokratie für Deutschland‘ und das Tucholsky-Remake ‚Deutschland, Deutschland über alles‘.