Musik: "Salt"
Einar Solberg: "Seit den frühen Jahren hat sich viel verändert. Und damit meine ich nicht die ersten sieben Jahre, in denen nichts passiert ist."
Einar Solberg, Sänger von Leprous:
"…sondern die frühen Tage als Profimusiker. Am Anfang wollten wir klingen wie Opeth, wie Porcupine Tree, und waren von Black Metal beeinflusst. Inzwischen höre ich fast überhaupt keinen Prog Metal mehr. Das ist einfach zu nah an dem, was ich selbst mache. Ich fange dann sofort an zu analysieren, anstatt die Musik zu genießen."
Leprous sind zu einem der Standartenträger in der jungen Prog-Metal Szene geworden, haben auf ihren vier Alben eine ähnliche Evolution erfahren wie die schwedische Band Opeth. In den frühen Tagen der Band war Solberg noch ein Teenager, und Leprous waren eine Punk-Band mit widersprüchlichen musikalischen Einflüssen.
"Ich hab mit Musik angefangen, weil meine Mutter klassische Gesangslehrerin war. Am Anfang war ich deshalb auch viel mehr von Klassik beeinflusst als jetzt. Ich benutze immer noch die Gesangstechnik, aber es klingt nicht mehr wirklich klassisch. Auch wenn man die klassische Gesangsausbildung vielleicht immer noch darin hört."
Kontrollierte Falsettstimme
Das hört man vor allem in Solbergs für einen Rocksänger ungewöhnlich kraftvoller und kontrollierter Falsettstimme, die zu einem wichtigen Teil des Leprous-Sounds geworden ist. Mit dem ersten Album "Tall Poppy Syndrome" hatte sich der Stil der Band zu Progressive Metal mit langen, komplexen Songs entwickelt, mit musikalischen Spuren von 70er-Progressive Rock und skandinavischem Symphonic-Metal.
Das hört man vor allem in Solbergs für einen Rocksänger ungewöhnlich kraftvoller und kontrollierter Falsettstimme, die zu einem wichtigen Teil des Leprous-Sounds geworden ist. Mit dem ersten Album "Tall Poppy Syndrome" hatte sich der Stil der Band zu Progressive Metal mit langen, komplexen Songs entwickelt, mit musikalischen Spuren von 70er-Progressive Rock und skandinavischem Symphonic-Metal.
Musik: "Passing"
"Das war eine ziemlich krude Mischung. Ganz am Anfang war es einfacher Symphonic Metal, das konnten wir gerade so eben spielen. Aber als wir dann an den Demos gearbeitet haben, haben wir mit verschiedenen Stilen experimentiert und Sachen gespielt, die eigentlich viel zu anspruchsvoll für uns waren. Es war überambitioniert, vielleicht ja ein bisschen charmant, aber funktioniert hat es nicht. Darum überrascht es mich immer, wenn jemand sagt, ihm gefallen diese Aufnahmen. Mir nämlich nicht."
Bei Leprous hat sich seit den frühen Tagen viel verändert - fast alles. Der Bandname allerdings ist gleich geblieben.
"Als wir 15 oder 16 waren, haben wir ins englische Wörterbuch geguckt, um einfach cool oder böse klingende Wörter zu finden. Und jetzt können wir den Namen natürlich nicht mehr ändern."
Den Black Metal-Einschlag der frühen Leprous, von dem inzwischen nichts mehr übrig ist, schreibt Solberg vor allem der Musikszene in seiner Heimat Norwegen zu.
"Ich glaube das hängt auch mit der Globalisierung zusammen. Also, die Grunge-Szene ist ein gutes Beispiel. Das war vor dem Internet, und so hatte man diese Szene, in der viele große Bands eines Genres alle aus einer Stadt kamen, aus Seattle. Sowas wäre heute nicht mehr möglich, weil jeder von tausend Bands aus der ganzen Welt beeinflusst wird. Aber beim norwegischen Black Metal in den 90er Jahren war es auch so. Das war etwas Neues und für viele Musiker wurde es zum Haupteinfluss - weil die Szene halt viel lokaler war. Es war viel isolierter."
Inspiriert durch die 70er
Musik ist in den letzten 30 Jahren globaler geworden, und seit ihrem Debütalbum haben sich Solberg und Gitarrist Tor Oddmund Suhrke, das andere verbliebene Gründungsmitglied, immer mehr von den Norwegischen Metal-Wurzeln wegbewegt. Anders als viele ihrer Prog-Kollegen versuchen Leprous dabei nicht, den Sound der 70er zu emulieren. Eine Inspiration ist das Jahrzehnt trotzdem.
"Ich glaube, es gab mehr Innovation als jetzt, es war revolutionärer. Heute sind die echten Juwelen etwas dünner gesät. Aber es gibt auch wirklich, wirklich gute Bands, auch welche die mir noch besser gefallen als einige der Bands von damals. In den 70ern hatte man einfach noch nicht so viel ausprobiert, und deshalb hat auch nicht jeder andere Bands kopiert. Heute ist es so viel schwerer, nicht von Anderen beeinflusst zu werden seinen eigenen Sound zu entwickeln. Es gibt einfach viel mehr, und daher ist es natürlich auch schwerer, in der Masse aufzufallen.
Auch "Bilateral", das zweite Album, hat noch vereinzelte Symphonic Metal Elemente. Für einige Fans ist es nicht nur die wahre Geburtsstunde des Leprous-Sounds, sondern auch seitdem unübertroffen.
"'Bilateral' ist sehr beliebt bei den Fans, die schon lange dabei sind, den harten Kern. Für neuere Fans ist es nicht unbedingt ein Favorit, allein schon weil es so anders klingt als das, was wir jetzt machen. Jedes Album ist sehr unterschiedlich, aber ich glaube, die Fans haben endlich angefangen, das zu mögen. Bilateral war das Album, auf dem wir selbstbewusster geworden sind, wir wollten alles zeigen, was wir können. Und das hört man auch, wir haben auf dem Album wirklich alles aufgefahren. Vielleicht ist es ja das, was viele Fans so anspricht. Es ist stilistisch sehr abwechslungsreich, während es auf unsere neueren Alben viel mehr um Atmosphäre und Sound geht. Definitiv ein Album für die Prog Fans."
Musik: "Acquired Taste"
Die Songs auf "Bilateral" sind insgesamt dichter geworden, weniger ausufernd als auf "Tall Poppy Syndrome". In der Tracklist finden sich genügend epische Prog-Titel wie "Acquired Taste", aber dazwischen versteckt sich zum Beispiel auch der knackige, dreieinhalb- minütige Ohrwurm "Restless", mit Anklängen an Muse.
Musik: "Restless"
"Mich sprechen die alten Sachen einfach nicht mehr an. Das heißt nicht, dass sie schlecht sind, nur anders. Und wenn ich sie spiele, fühle ich mich dabei unehrlich. Als ob ich das nur spiele, weil es erwartet wird. Das ist das Problem, wenn man seinen Stil immer wieder verändert."
Komplexe Grooves, Stakkato-Riffs
Weg vom Metal, zu einem ganz eigenen Stil. Viele der Klangelemente sind nach wie vor da, komplexe Grooves, Stakkato-Riffs und vor allem Solbergs dramatischer Gesang mit seinem präzisen Falsett. Obwohl er stimmlich in den letzten Jahren zahmer geworden ist - ironischerweise.
"Lustig ist, ich habe für das letzte Album endlich eine Technik für die Screams gelernt, die meine Stimme schont. Dann hab ich es auf genau einem Album gemacht und jetzt auf dem neuen sind überhaupt keine Screams."
Musik: "From the Flame"
Mit einer zusammengewachsenen, globalen Musikszene hat sich auch eine größere Kameradschaft der Musiker untereinander entwickelt. Integriert in die Musiker-Community.
"Im Lauf der Jahre habe ich bei Festivals immer mehr Kontakte geknüpft. Als Musiker hat man sich mit anderen Musikern viel zu sagen, fühlt sich gewissermaßen zuhause. Das ist sehr angenehm. Und so lernt man auch schnell neue Freunde kennen, die das gleiche tun wie man selbst."
Gastsänger bei Haken
Während Leprous mit anderen Bands zusammengewachsen sind - Solberg ist auch als Gastsänger auf dem letzten Haken-Album zu hören - hat sich innerhalb der Band einiges bewegt. Zum Teil deshalb, weil Solberg heute einen anderen Geschmack hat als noch vor ein paar Jahren. Die musikalischen Veränderungen sind aber auch eng mit den persönlichen verzahnt.
"Unser Bassist Simon kommt überhaupt nicht aus dem Metal, er hat eher einen Pop/Rock-Background. Und davon profitiert die Musik, er spielt nicht den klassischen Metal-Bass, sondern ist einfach ein richtig guter Bassist. Und dann gibt es da noch Baard Kolstad, der mit seinem virtuosen Schlagzeugspiel enorm viel zu unserem Sound beiträgt. Er ist ein unglaublicher Schlagzeuger. Und er den Gitarristen haben wir gerade gewechselt. Der letzte war sehr lange in der Band, aber er konnte einfach nicht mehr weitermachen, wegen familiärer Verpflichtungen und so. Oystein hat viele von den Soli gespielt, die ganz hohen Gitarrenparts. Es tragen also alle etwas bei, auch wenn ich in letzter Zeit den größten Teil der Musik schreibe. Es ist immer noch eine Demokratie, jeder darf etwas beitragen. Aber es hat sich einfach so ergeben, dass der größte Teil der Musik von mir stammt."
Spitze Steine
Der Weg zum Erfolg ist steinig, besagt das Klischee. Im Fall von Leprous waren allerdings ein paar dieser Steine besonders spitz, sagt Einar Solbarg.
"Schlechte Momente gab es mehr als genug. Wir haben mal in Rostock gespielt, ohne anständigen Promoter, sondern hatten einfach den Saal gemietet. Niemand wusste was von der Show, das war am Ende der Tour zu unserem dritten Album Coal. Also gar nicht mal am Anfang unserer Karriere. Und dann gingen wir auf die Bühne, die kleinste Bühne die ich je gesehen habe. Es wäre besser gewesen, auf dem Boden zu stehen - aber mit sowas kommen wir klar. Das Problem war, dass im Publikum nur elf Leute standen. Und nur einer von ihnen war wegen uns da, die anderen waren einfach Metal-Fans aus der Stadt, die sich nicht für uns oder für die Show interessiert haben. Das war so ein Punkt, wo ich dachte, was mach ich hier eigentlich? Die ganze Nacht mit dem Tourbus fahren, um dann vor einem Fan zu spielen?"
Musik
"Aber auch das geht vorüber, wir machen weiter, und es läuft immer besser. Solche Momente haben wir nicht mehr. Und es ist ja auch unterm Strich eine gute Erfahrung, weil man mit sowas lernt klar zu kommen. Mich überrascht inzwischen gar nichts mehr, es ist einfach so viel passiert. Also, Tourbusse die einfach nicht mehr weiterfahren, Autounfälle, oder dass der Motor aufgibt, während wir bei 30 Grad unter Null durchs norwegische Gebirge fahren. Etcetera, etcetera... sowas halt. Inzwischen sind wir auf alles vorbereitet."
Musik
"Dafür war es eine tolle Erfahrung, das neue Album aufzunehmen, einer der besten Momente unserer Karriere. Es war harte Arbeit, die sich aber wirklich gelohnt hat. Wir sind extrem glücklich mit dem Ergebnis. Es klingt wieder ganz anders als "The Congregation", viel atmosphärischer und emotionaler. Teilweise klingt es nicht mal unbedingt nach Rock-Musik, aber trotzdem komplett wie Leprous. Und einige Passagen sind auch wieder ziemlich heftig, klingen aber trotzdem nicht nach Metal."
Der Erfolg lässt auf sich warten
Auch wenn ihr Bandname nach finsterem Death-Metal der Marke Elternschreck klingt, inzwischen erinnert die Musik von Leprous vor allem an Tool, Pink Floyd und den Isländern Agent Fresco, mit denen die Band demnächst auf Deutschlandtour ist. Innerhalb der jungen Prog Szene mit Bands wie Haken, Gazpacho und Karnivool haben sich Leprous ihre eigene Nische geschaffen, verbinden die Dramatik von Radiohead oder Muse mit virtuosen, ungeraden Grooves. Nur der ganz große Erfolg: Der lässt noch auf sich warten.
"Finanziell wird es zwar von Jahr zu Jahr besser, aber wir sind noch immer nicht an dem Punkt angekommen, an dem wir von der Musik leben können. Deshalb arbeiten wir alle; ich mache aber nichts was mit Musik zu tun hat, das laugt mich aus. Ich hab mal versucht zu unterrichten, das war überhaupt nichts für mich. Deshalb arbeite ich jetzt in einem Zentrum für autistische Menschen, mache manchmal die Nachtschicht. Und der Job gefällt mir. Er hat nichts mit meiner Musik zu tun und das ist gut so. Trotzdem lässt sich das gut kombinieren. Viele Leprous-Songs sind während dieser Nachtschichten entstanden. In der Nacht passiert meistens nicht viel - da hat man also viel Zeit."