Musik: "Covenant"
Ende der 90er- und Anfang der 2000er-Jahre war Martin Lopez als Schlagzeuger von Opeth ein Metal-Star. Nach den Aufnahmen für Ghost Reveries allerdings - für viele Fans Opeth' bestes Album - verließ er 2005 die Band - und verschwand jahrelang vom Radar der Musikwelt.
Martin Lopez: "Als ich Opeth verließ, hatte ich einfach keine Lust mehr auf Musik. Ich war enttäuscht... vom Leben. Schon als Kind hab ich davon geträumt, Musiker zu sein, in einer Rockband zu spielen. Und plötzlich hab ich diesen Traum gelebt - und hab es gehasst. Das ständige Touren, all die Verpflichtungen. Für mich hat das die Magie der Musik zerstört, und dann war der Traum plötzlich zuende. Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich wollte nie etwas anderes als Musiker sein, dafür hatte ich mein ganzes Leben gekämpft. So war ich plötzlich alleine und hatte keine Ahnung, was ich als nächstes tun würde. Ich bin also nach Uruguay gezogen, wo meine Eltern herkommen, und hab versucht, dort ein Leben weit weg von der Musikbranche zu führen. Aber ich hab schnell gemerkt, dass das einfach nicht ich war. Ich brauchte die Musik. Daher bin ich nach Schweden zurückgekehrt, hab ein Mädchen getroffen, hab mich verliebt, hatte ein paar Kinder... und dann hab ich gemerkt, dass ich wieder spielen wollte. Also hab ich Soen gegründet."
Sound von Tool
Zusammen mit Sänger Joel Ekelöf, dem aktuellen Bassisten von Testament Steve Digiorgio und Gitarrist Joakim Platbarzdis - der außerdem auch produzierte- nahm die Band 2012 ihr Debütalbum "Cognitive" auf. Zehn kompakte, eingängige Tracks ohne viel Schnörkel. Selbst die Titel bestehen fast alle aus nur einem Wort. Das groovige, synkopierte Zusammenspiel von Bass und Drums erinnert sehr an Tool. Und das ist kein Zufall.
"Wir wollten wie Tool klingen. Das ist die Band, die wir alle gemeinsam hatten. Joel kommt aus einer anderen Welt, Steve auch... Es gibt aber ein paar Bands, die mehrere von uns mögen. Und die einzige auf die wir uns alle einigen konnten, war eben Tool. Also haben wir uns komplett auf diesen Sound eingeschossen."
Musik: "Delenda"
Bis zum Debütalbum "Cognitive" haben sich Soen eher als einmaliges Studioprojekt verstanden, nicht als echte Band. Eine liebevolle Hommage an den Sound von Tool, und vor allem eine Möglichkeit, mal wieder Musik zu machen, ohne Druck und ohne Erwartungen. Keiner der vier Musiker nahm die gemeinsame Arbeit übermäßig ernst - oder die Wahl des Bandnamens.
"Das Wort gibt es nicht. Wir sind erstmal alle möglichen Namen durchgegangen und hatten immer das Gefühl, das sich die Musik mit der Bedeutung des entsprechenden Objekts oder was auch immer gemischt hat. Wir wollten aber einen Laut, den man wirklich nur mit unserer Band verbindet."
Begonnen als Spaß-Projekt
Soen hat als Spaß-Projekt begonnen, aber das erste Album kam dann viel besser an, als irgendjemand erwartet hatte. So gut, dass die Musiker sich mit neuem Bassisten zwei Jahre später wieder im Studio trafen, um den Nachfolger "Tellurian" einzuspielen. Diesmal klang die Musik selbstbewusster, Melodie-orientierter, aber hatte das gleiche verspielte und trotzdem grundsolide Grovve-Fundament.
Musik: "Tabula Rasa"
Lopez, der heute 40 ist, ist in den späten 70ern und 80ern als Sohn uruguayischer Einwanderer in Schweden aufgewachsen. Beide Eltern mussten viel arbeiten und waren wenig zuhause; daher hat Lopez als Kleinkind viel Zeit bei einem Freund der Eltern verbracht, einem Schlagzeuger.
"Ich hab also stundenlang da gesessen und ihm beim Spielen zugesehen, und mich in das Schlagzeug verliebt, nicht nur den Sound, sondern auch das ganze Ding. Und als ich zwei Jahre alt wurde, hat er mir eine Snare geschenkt. Ab da hab ich Musik geliebt, und mit vier hab ich dann Pink Floyd gehört und Alice Cooper. Es ist einfach passiert. Man muss natürlich Interesse haben, aber das war früher auch einfacher. Es gab ja kein Internet. Anstatt also wie heute dem Kind ein iPad in die Hand zu drücken, hat mein Vater einfach eine Platte angemacht und mir Kopfhörer aufgesetzt. Und ich war schockiert, wie fett dieser Sound war und hab sehr lange still gesessen. Dann hab ich mir die Hüllen der Schallplatten angeguckt, und die hatten eine fast hypnotische Wirkung auf mich. So sind Kinder. Aber - wenn sie es sich aussuchen können, ob Schallplatte oder iPad - ich hab selber Kinder, ich weiß wie das ist - dann macht das iPad erst mal mehr Spaß, und vor allem auf Anhieb. Deshalb ist es schwer vorstellbar, dass wir zu so einer Zeit nochmal zurückkehren können."
Inspiriert vom Seventies-Rock
Gerade das aktuelle Album "Lotus" ist an vielen Stellen von Seventies-Rock-inspiriert, mehr als jedes andere von Lopez' Alben. Mindestens genauso großen Einfluss hatte aber auch die Volksmusik Uruguays, die er durch seine Eltern kennenlernte, vor allem deren Rhythmen.
Musik: "Komenco"
"Das ist die Musik, die ich zuerst gespielt habe. Ich hab zwar Rock gehört, hab aber vor allem uruguayische Percussion gespielt, und uruguayische Lieder. Meine Eltern waren in ihrer Heimat sehr aktiv im Karneval, wo viel getrommelt wird, vor allem Afro-und Südamerikanische Percussion. Damit bin ich aufgewachsen, ich liebe diese Musik, ich spiele sie bis heute und sie inspiriert mich. Und viel davon kann man auch in der Musik von Soen hören."
Musik: "Last Light"
Das Latin-inspirierte Schlagzeug war schon zu Opeth-Zeiten ein sehr wiedererkennbares Element von Lopez' Sound. Bei Soen ist es ein absoluter Grundbaustein der Musik, der - so ähnlich wie bei der brasilianischen Extreme-Metal Band Sepultura - nicht wegzudenken ist. Lopez ist außerdem bekennender Fan von Weltmusik, die ihn inspiriert und auch immer mal wieder den Weg in seine Musik findet. Zusammen mit zunehmend eingängigen, melodischen Refrains klingt die Musik von Soen auf "Lotus" noch einmal deutlich geschliffener als auf den Vorgängern.
"Für mich ist das richtige Wort "besser". Die Refrains, die Songs sind eingängiger, weil ihre Bestandteile besser sind. Und das ist auch unser Ziel, besser zu schreiben, die Stärken der Band zu ergründen, zu sehen, was für uns am besten funktioniert. Ich hab das Gefühl, auf dem neuen Album hört man das. Das Drama der Musik ist immer noch da, genau wie die Traurigkeit und die Energie, aber es macht mehr Spaß zu hören. Und das macht für mich bessere Musik aus."
Musik: "Martyrs"
Auch die Soli des aktuellen Gitarristen Cody Ford setzen sich von denen der Vorgängeralben ab, klingen weniger nach Metal als nach Pink Floyd. Allerdings verhält es sich mit Gitarristen bei Soen ein bisschen wie mit den Schlagzeugern von Spinal Tap, die gerne mal auf der Bühne explodieren. Gestorben ist zwar bisher noch keiner, aber trotzdem greift auf jedem der letzten drei Alben ein anderer in die Saiten.
Schweden hat Rock-Tradition
"Ich glaub, wir haben es etwas schwer mit Gitarristen. Vielleicht auch, weil ich die ganzen Gitarrenparts schreibe. Wenn man als Gitarrist also immer erklärt kriegen muss, wie man etwas zu spielen hat, wird der Job damit etwas weniger interessant. Unser erster Gitarrist Kim war sehr wichtig für den Sound, er war eins der Gründungsmitglieder und ein sehr kreativer Kopf. Aber er musste die Band verlassen, und sein Nachfolger Marcus hatte einfach andere Vorstellungen als der Rest der Band. Eigentlich kann man sowieso nur über die Soli streiten, ich spiele selbst viele von den Rhythmusparts auf den Alben und schreibe fast alle. Daher hat sich auch gar nicht so viel verändert, außer eben den Lead-Parts. Und der neue Gitarrist Cody hat es einfach drauf. Sein Feeling ist perfekt, er hat die Songs gehört und sofort verstanden, was wir brauchen. Wir sind deshalb extrem glücklich mit ihm. Wir haben Probleme damit, Gitarristen zu behalten, aber ich hoffe, Cody bleibt für immer in der Band."
Musik: "Lascivious"
Auch wenn Martin Lopez vor zehn Jahren nicht nur wegen der Musik nach Schweden zurückgekommen ist, hat das Land doch viel mit seiner musikalischen Inspiration zu tun. Überhaupt hat kaum ein Land in Europa eine derart blühende Pop, Metal und Progressive Rock-Szene.
"Das muss das Wetter sein. Es ist immer so lange kalt, man muss also drinnen bleiben. Und vielleicht hat Schweden auch deshalb einen so hohen kulturellen Standard, und eine so gute Wirtschaft. Und dadurch wiederum können sich die Menschen wiederum Instrumente kaufen und haben Zeit zu spielen, anstatt zwei Jobs gleichzweitig haben zu müssen. Ich glaube das ist sicher einer der Gründe, warum es hier so viele Bands gibt. Und natürlich hat Schweden einfach viel Tradition - vor allem Rock-Tradition."
Musik: "Lunacy"
Martin Lopez' letztes Album mit Opeth wird dieses Jahr 14 Jahre alt. Der Schlagzeuger hat seitdem erstmal jahrelang ohne Musik gelebt, dann eine neue Band gegründet, vier Alben aufgenommen. Aber auch nach all der Zeit konnte er dem Schatten seiner alten Band noch immer nicht ganz entkommen.
"Es kommt drauf an. In ein paar Regionen sind wir noch immer "Die neue Band des Ex-Schlagzeugers von Opeth". Aber wir können uns nicht beschweren, das hat uns auch geholfen und es war der Grund, warum viele Leute in unsere Musik reingehört haben. Außerdem finde ich Opeth immer noch super, wir sind ja auch musikalisch gar nicht so weit von ihnen entfernt. Wir haben also kein Problem damit. Aber andererseits, nach vier Alben wäre es vielleicht ganz gut, wenn wir langsam etwas mehr Abstand von unseren ehemaligen Bands gewinnen könnten."
Gesicht der Band
Inzwischen ist Martin Lopez auch mit Soen erfolgreich und verbringt viel Zeit auf Tour. Oft drohen die Verpflichtungen, die Musik zu überschatten, zumal Lopez viel mehr als nur der Schlagzeuger der Band ist - er ist der hauptsächliche Songwriter, er bestimmt die Richtung der Band und ist ihr Gesicht. Mit "Lotus" haben Soen ihr bisher stärkstes künstlerisches Statement abgeliefert, verspielter und gleichzeitig runder und emotionaler als auf früheren Alben. Die Verbindung zu Opeth wird noch immer gerne zitiert, aber die musikalischen Stützräder sind endgültig ab, und auch Tool ist nur noch ein Einfluss von vielen. Aber ist die Magie, die ihm bei Opeth abhandengekommen ist, diesmal erhalten geblieben?
"Definitiv. Weil wir selbst die Zügel in der Hand haben, die der Band und die unseres Lebens. Ich glaub das ist das wichtigste. Wir entscheiden, wann wir touren wollen, wann wir ein Album aufnehmen willen, und genau so wird es gemacht. Darum geht es: Wenn man etwas so sehr liebt, wie wir Musik lieben, dann muss man es mit allen Kräften beschützen. Wenn ich jetzt also pausenlos touren würde, um Soen größer zu machen, oder um etwas mehr Geld zu verdienen, dann wäre zwangsläufig die Magie irgendwann weg. Und dann? Wenn ich das hier nicht mehr habe, was mache ich dann? Was bleibt dann übrig? Vor allem deshalb muss ich extrem vorsichtig sein."
Musik: "Sectarian"