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Projekt für Flüchtlingskinder
Trommeln gegen das Trauma

Eigentlich war "Do it" nur auf drei Monate angelegt: ein Theater- und Tanzprojekt der Hamburger Symphoniker und des Thalia-Theaters für Flüchtlingskinder. Doch die  Initiatoren machen weiter - und hoffen, so den Kindern eine neue Perspektive zu geben.

Von Axel Schröder |
    Flüchtlingskinder in einem Hamburger Kindergarten
    Dass Ziel: Flüchtlingskinder sollen auch mal ihre Unterkunft verlassen (picture alliance/dpa/Christian Charisius)
    Pünktlich um zehn Uhr stürmen 30 Kinder in die Aula der Elbinselschule in Hamburg-Wilhelmsburg. Johanna Franz, Mitglied der Hamburger Symphoniker, wird sofort umringt, andere Kinder steigen schon die vier Stufen auf die Bühne zum aufgeklappten Konzertflügel. Nach fünf Minuten hat die Musikerin das Chaos im Griff, die Jungen und Mädchen sitzen im Halbrund auf ihren Stühlen:
    "Guten Morgen! Wie geht's?"
    "Guten Morgen! Gut!"
    "Mir geht es auch gut!"
    Neben Johanna Franz, auf der Bühnenkante, sitzen zwei ihrer Kollegen: die Pianistin Claudia Chabowski und der Hornist Richard Rieves. Und ihr Bruder, der diesmal mitgekommen ist:
    "Und Nikolaus spielt - wie heißt das? Das Große hier? Nicht Cello, nicht Geige? Wie heißt das? Edison? Nein, Gitarre nicht. Ein Kontrabass ist das, genau. Wir werden heute drei Instrumente vorstellen: Kontrabass, genau."
    Kurz darauf steht eine Gruppe von Kindern am Flügel, die anderen belagern Nikolaus und seinen Kontrabass, wieder andere den Hornisten. Jeder darf mal mit dem Bogen über die gespannten Saiten streichen, auf dem Flügel herumklimpern und versuchen, das Horn zum Klingen zu bringen.
    Hervorgegangen sind die monatlichen Besuche in der Elbinselschule aus dem Projekt "Do it" der Hamburger Symphoniker, ein dreimonatiges Theater- und Tanzprojekt für Flüchtlingskinder in Zusammenarbeit mit dem Thalia-Theater. Im Dezember lief das Projekt aus. Aber für Initiatorin Johanna Franz war klar, dass sie mit den Kindern weiterarbeiten möchte. Also kommt sie nun ein bis zwei Mal im Monat in die Elbinsel-Schule und bringt ihre Kollegen mit. Stellt deren Instrumente vor. Die eine Hälfte der Kinder stammt aus einer Internationalen Vorbereitungsklasse der Schule, die anderen wohnen mit ihren Eltern in der ZEA, der Zentralen Erstaufnahmeunterkunft in der Hamburger Dratelnstraße.
    Einfach, aber erfolgreich
    "Das ist eines unserer Ziele: Dass die Kinder auch wirklich mal aus dieser ZEA rauskommen und mal was Schönes sehen und auch mal bei uns in der Laeiszhalle sind. Und es geht jetzt eigentlich weniger darum, dass man die Kinder dafür begeistert, dass die dann irgendwann selber in die Konzerte gehen. Darum geht es uns gar nicht. Sondern jedem Kind die Möglichkeit geben, so ein Instrument mal kennenzulernen, darauf zu spielen und eigene Erfahrungen dazu zu entwickeln."
    Gerade erst durften die Kinder eine Probe der Hamburger Symphoniker besuchen, das Orchester in Aktion erleben. Zweien von ihnen gibt Johanna Franz in ihrer Freizeit Geigenunterricht.
    Das pädagogische Konzept der Musikerin ist einfach, aber erfolgreich. Es brauche manchmal gar nicht viel, um den oft auch traumatisierten Kindern eine neue Perspektive zu bieten, sagt sie. Zu Beginn bekam Johanna Franz Unterstützung von einer Psychotherapeutin, aber das war schnell nicht mehr nötig.
    Am Ende der Doppelstunde hat jedes Kind einmal am Klavier gesessen, ins Horn geblasen oder tiefe Töne aus dem Kontrabass gezaubert. Und natürlich bekommen die Kinder auch zu hören, wie es klingt, wenn man die Instrumente beherrscht.
    "Besser geht immer"
    Aufgeschlossen sind die Kinder und neugierig. Und auch Johanna Franz, Claudia Chabowski und Richard Rieves ist anzusehen, dass ihnen das Projekt Spaß macht.
    "Besser geht immer, im Sinne von: Wir machen noch mehr. Aber im Prinzip ist das, was wir inhaltlich machen, schon so, dass es uns wirklich gut gefällt."
    Zum Schluss gibt es noch Kekse für die Kinder, die wieder im Halbrund vor Johanna Franz und ihren Kollegen sitzen. Und ein Verabschiedungs-Ritual vor dem nach Hause gehen, oder bevor es zurück geht in die Erstaufnahmeeinrichtung:
    "Schulter, Hand, Schulter, Hand, Schulter, Hand - Tschüs!"