Jeder zweite sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen findet nach wie vor im familiären Umfeld statt. Und auch die Übergriffe, die in Internet-Chats vorbereitet werden, gehen hierzulande in die Tausende. Die Schule kann nicht alle gesellschaftlichen Fehlentwicklungen auffangen. Dennoch sollen Lehrer, Schüler und Eltern insbesondere mit Weiterbildungsveranstaltungen an den Schulen für das Problem sensibilisiert werden.
Nach Nordrhein-Westfalen ist Hessen nun das zweite Bundesland, das aktiv am Projekt "Schule gegen sexuelle Gewalt" mitwirkt. Weitere Bundesländer kommen in Kürze hinzu, so Johannes-Wilhelm Rörig, der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung:
"Wir haben jetzt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet und wir werden einmal im Jahr über die Erfahrungen und Weiterentwicklungen mit der Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt beraten und wir haben auch eine interne Intranet-Plattform jetzt eingerichtet, sodass die Länder voneinander sehr, sehr gut lernen können."
Lehrerkräfte sollen qualifiziert werden
Das hessische Kultusministerium zählt bereits mehrere hundert schulische Ansprechpersonen im Land, die sich an dem Projekt beteiligen wollen. Die ersten mehrtägigen Qualifizierungsreihen für Lehrer zum Thema sind im mittelhessischen Weilburg und in Kassel durchgeführt worden, so der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU):
"Zunächst einmal stellen wir eben Material zur Verfügung, mit dem Schulen und mit dem Lehrkräfte auch arbeiten können, mit dem sie sich auf den Fall der Fälle vorbereiten können. Und natürlich werden wir auch unsere Qualifizierungsbemühungen an dieser Stelle erheblich verstärken. Für die Schulleitungen, aber eben auch für die einzelnen Lehrkräfte, damit wir dann am Ende überall auch Ansprechpersonen für diese Fragen in den Schulen haben."
Wie viel Geld das hessische Kultusministerium für diese zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen zum Thema "sexueller Missbrauch bereitstellen wird, vermochte Minister Alexander Lorz heute nicht zu sagen. Die Frage nach der finanziellen Ausstattung des Projektes stellte in Wiesbaden insbesondere Christine Rauch. Sie ist Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der zwölf feministischen hessischen Einrichtungen gegen sexuelle Gewalt, die teilweise seit 30 Jahren zum Thema arbeiten und bisher vom Sozialministerium gefördert werden:
"Und es ist natürlich auch die Frage, wer macht denn diese Fortbildungen, wenn es nicht die tun, die seit 30 Jahren diese Arbeit machen? Wir sind eigenständige Vereine und kooperieren sehr gut seit vielen Jahren mit dem Sozialministerium, weil wir Menschen ausbilden, die in Heimen stationär und teilstationär arbeiten. Da hat das Sozialministerium viel Geld in die Hand genommen und das hätte mich schon interessiert, wie viel Geld denn hier vorgesehen ist, um diese Maßnahmen zu ermöglichen."
Eltern und Schüler sollen eingebunden werden
Die Frage blieb offen. Aber immerhin: Das Kultusministerium versicherte, bei den bereits durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen in Weilburg und Kassel sei mit den örtlichen Fachberatungsstellen zum Thema sexuelle Gewalt kooperiert worden. Für Johannes-Wilhelm Rörig, den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, ist es auch wichtig, dass Eltern und Schüler flächendeckend in die Initiative eingebunden werden. Die Sorge, dass das Thema auch zu Verunsicherung an der Schule beitragen könne, hat er nicht:
"Nein, es ist ganz wichtig, dass Eltern wissen, dass die Schule sich für den Kinderschutz einsetzt. Das der Bildungsauftrag mit dem Kinderschutz kombiniert wird. Und es ist wichtig, dass ein falsches Gerede von Anfang an verhindert wird und Eltern nicht denken, die Schule sei besonders gefährlich, die gerade das macht, nämlich die Prävention und den Schutz der Kinder zu verbessern.
Deswegen sollen sich bis 2018 möglichst alle 40.000 Schulen in Deutschland an dem Projekt beteiligen, so der Wunsch des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Das nächste Bundesland, das einsteigen will, wird in Kürze Schleswig-Holstein sein.