Es ist alles so schön einfach – so suggerierte es einst ein TV-Werbespot von Prokon. Auf dem Bildschirm ist das sich drehende schwarz-gelbe Warnsymbol für Radioaktivität zu sehen, im Hintergrund klickert leise ein Geigerzähler.
Werbespot Prokon:
" ... das geht einfacher als man denkt. Schon ab 100 Euro können Sie bei Prokon in erneuerbare Energien investieren."
Langsam verwandelt sich das Atomkraftlogo in ein rotierendes Windrad.
Werbespot:
"Prokon – Ihre Kapitalanlage für eine lebenswerte Zukunft. Jetzt informieren unter Prokon.net."
Unter dieser Web-Adresse stehen inzwischen allerdings Informationen über den Stand des Insolvenzverfahrens im Vordergrund – von Prokon als verlockender Geldanlage ist längst nicht mehr die Rede. In dem Itzehoer Unternehmen hat es erhebliche Veränderungen gegeben – morgen entscheidet eine Gläubigerversammlung über die weiteren Schritte. Das Sagen hat jetzt ein Rechtsanwalt aus Hamburg, der sich im Januar auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in recht ungewöhnlichem Rahmen nicht nur den Medienvertretern vorstellte.
"Neben Ihnen, liebe Vertreter der Presse und der Medien, haben wir auch zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Prokon, die ich ebenso herzlich heute begrüßen möchte – zu einem schwierigen Anlass. Mein Name ist Dietmar Penzlin, ich bin der vom Amtsgericht Itzehoe bestellte vorläufige Insolvenzverwalter."
Eine Pressekonferenz inmitten seiner Mitarbeiter in einer Werkhalle des Unternehmens – irgendwie typisch für den Prokon-Gründer Carsten Rodbertus. Seit 1998 hat er eine treue Anhängerschar um sich versammelt – Mitarbeiter, Anleger, viele hat er davon überzeugt, dass "Prokonianer" anders sind, verantwortungsvoller, umweltbewusster – irgendwie einfach bessere Menschen. Die besondere Verbindung zwischen Rodbertus und seiner Anhängerschar war sogar auf dieser Pressekonferenz zur Insolvenzeröffnung noch zu spüren, als der Prokon-Gründer zum Abschluss seiner Ausführungen fast schon euphorischen Applaus erntete.
"Ja ... nochmals vielen Dank an unsere Mitarbeiter und insbesondere an unsere Anleger, die nach wie vor hohe Bereitschaft haben, uns zuzuhören. Schönen Dank!"
Inzwischen hat sich das mit dem "Zuhören" allerdings weitestgehend erledigt – das laufende Insolvenzverfahren hat bisher schon zu viele fragwürdige Details der Geschäftspolitik von Carsten Rodbertus ans Tageslicht gefördert. Es stellt sich die Frage: Warum hat überhaupt jemals irgendjemand diesem Mann zugehört, meint der Finanzwissenschaftler Ulrich Schmidt von der Uni Kiel. Als Erklärung hat der Fachmann für psychologische Aspekte der Wirtschaft eine ganze Reihe von Faktoren ausgemacht.
"Zum einen ist der Herr Rodbertus natürlich ein sehr charismatischer Mann. Dazu kommt dann natürlich noch die Idee – also zum einen Windenergie, grüner Strom, das begeistert natürlich viele Menschen. Und dann noch diese Idee, das unabhängig von den Banken zu machen – und das gerade nach der Finanzkrise, wo ja viele Banken gerettet werden mussten, dass man da was ohne Banken macht, das kommt dann noch zu dem Ganzen hinzu. Und so ergab es ein Gesamtpaket, sage ich mal, wo viele nicht widerstehen konnten."
Sauberer Strom und fette Renditen bis zu 8 Prozent - wahrscheinlich ging es den meisten Anlegern gar nicht in erster Linie ums Geld bei ihrer Entscheidung für Prokon, vermutet Ulrich Schmidt. Idealismus – keine völlig unbekannte, aber in dieser Ausprägung doch eher untypische Triebfeder für ein Engagement am Kapitalmarkt.
"Ich glaube nicht, dass das so ein rationales Kalkül war: Wo habe ich die beste Rendite, die hohe Sicherheit, sondern es war dieser Idealismus, der dahinter steckte, der die Leute angetrieben hat und der sie dann vielleicht ... ja, in eine weniger rationale Entscheidungsebene getrieben hat. Für den Kapitalmarkt ist das eigentlich schon ein relativ einmaliger Fall."
Riskante Geldanlageform 'grüngewaschen'
Es war einfach zu schön, um wahr zu sein ... darauf läuft das Ganze für Michael Herte von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein hinaus. Greenwashing – so nennt er die sogenannten "Genussrechte" von Prokon.
"Greenwashing meint, dass wir eine letztlich sehr riskante und vielleicht auch nicht besonders attraktive Geldanlageform verkleiden, ihr halt ein grünes und ökologisch sinnvolles Deckmäntelchen anziehen, um damit den Eindruck zu erzeugen, dass Prokon eine ganz tolle Sache ist."
Das habe jahrelang funktioniert – auch wenn immer wieder mal Verbraucherschützer oder einzelne Medien Kritik an dem System übten. Unter dem Strich konnte Prokon so immerhin 1,4 Milliarden Euro an Kapital einsammeln – so ganz genau hat eben niemand hingeschaut, kritisiert Michael Herte.
"Kein Mensch hat sich mehr darum gekümmert, dass Prokon letztendlich langfristige Investitionen mit kurzfristigen Geldern finanziert. Kein Mensch hat sich darum gekümmert, dass die Ausschüttungen von Prokon so hoch sind, dass man kaum glauben konnte, dass sie allein durch Windenergie erwirtschaftet werden konnten. All diese Dinge konnten letztlich getarnt werden."
Bis die Blase schließlich platzte, weil immer mehr Anleger ihre Genussrechte kündigten und ihr Geld zurück wollten. Vor aller Welt musste Carsten Rodbertus im Januar seinen Systemfehler eingestehen – allerdings tat er das nur recht zögerlich:
"Ja das ist aus heutiger Sicht ein Fehler – ich weise aber trotzdem darauf hin, dass es ganz viele Objekte anderer Art gibt, die dieses Grundproblem auch haben."
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Insolvenzverschleppung
Ein etwas bockiges "Ja ... aber!!" – das will natürlich in einem so spektakulären Fall wie der Prokon-Insolvenz niemand von einem der Hauptverantwortlichen hören. Der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin jedenfalls ließ sich nicht lange lumpen. Kurz nach Eröffnung des Verfahrens jagte er Carsten Rodbertus buchstäblich vom Hof – fristlose Kündigung, weil der Prokon-Gründer unter anderem öffentlich über die Neugründung einer Genossenschaft unter gleichem Namen fabuliert hatte und auch sonst offenbar eher gegen den Insolvenzverwalter als mit ihm zusammengearbeitet hatte.
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen Carsten Rodbertus wegen Insolvenzverschleppung und schweren Betrugs – und der Insolvenzverwalter will noch in diesem Jahr auf Schadenersatz klagen. Dabei geht es um die Vergabe von Krediten in Millionenhöhe an ein Partnerunternehmen und um fehlerhafte Jahresabschlüsse aus 2012 und 2013.
All das ficht den Ex-Prokon-Chef Rodbertus nicht wirklich an. Er hat inzwischen die "Arbeitsgemeinschaft für eine lebenswerte Zukunft von Prokon" gegründet und wirbt eifrig um die Stimmrechte möglichst vieler Anleger für die bevorstehende Gläubigerversammlung. Sein Angebot: Vollständiger Erhalt von Prokon, Auszahlung von 90 bis 100 Prozent der Einlagen innerhalb von 3 bis 5 Jahren, plus zwei bis drei Prozent Zinsen.
Da lebt offenbar jemand in seiner ganz eigenen Welt, meint dazu Wolfgang Siegel vom Verein "Freunde von Prokon". Dieser Verein vertritt rund 8.600 Gläubiger – ursprünglich als Initiative auch zur Unterstützung von Carsten Rodbertus gedacht, hat er sich inzwischen von dem Ex-Prokon-Chef distanziert. Der hantiere mit Fantasiezahlen, betont Wolfgang Siegel.
"Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Werte nicht in der Höhe, wie er behauptet. Er sagt, es seien im kommenden Jahr liquide Mittel in Höhe von 158 Millionen Euro zu erreichen – die Prüfungen ergeben, dass nur liquide Mittel von 67 Millionen vorhanden sein werden. Er macht sich ein Wunschkonzert und ist weiter in dem Denken drin, als würde er das Unternehmen fortführen können, dass weitere Millionen und Abermillionen Genussrechte weiter reinfließen, um seine Vorstellungen zu finanzieren."
Rodbertus verweist auf seiner Internetseite ausdrücklich auf das Insolvenzrecht, das ihm erlaube, der Gläubigerversammlung einen eigenen Insolvenzplan vorzulegen. Geschehen soll das durch einen gewissen Alfons Sattler – wohnhaft im gleichen Ort wie Carsten Rodbertus selbst. Ihn solle doch bitte jeder Genussrechtsinhaber mit der Vertretung seiner Interessen auf der Gläubigerversammlung beauftragen – die Vollmacht dafür wird gleich zum Download mitangeboten.
Herr Sattler werde den Plänen des Insolvenzverwalters Penzlin, der das Unternehmen angeblich zerschlagen und verramschen wolle, ein alternatives Sanierungskonzept entgegensetzen, verspricht Rodbertus auf seiner Website. Persönlich wollte er zu den Plänen keine Stellung beziehen. Da will sich offenbar der Bock zum Gärtner machen, meint dazu der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende der Schutzvereinigung Deutscher Wertpapierbesitz, Dirk Unrau.
"Also – das ist wirklich hanebüchen, dass nun tatsächlich Herr Rodbertus meint, er könnte das Unternehmen wieder auf Kurs bringen, beziehungsweise der Insolvenzverwalter würde hier etwas zerschlagen, was gar nicht zerschlagungswürdig ist. Der Insolvenzverwalter hat festgestellt, wie viele Verbindlichkeiten bestehen, was tatsächlich an Assests im Unternehmen ist, und das ist viel weniger als Herr Rodbertus seinen Anlegern immer wieder erzählt hat."
Realistisch sei dagegen das Konzept von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin. Das sieht unter anderem den Verkauf von Unternehmensteilen vor, die nicht zum Kerngeschäft von Prokon gehören. Der Verkaufserlös soll an Gläubiger ausgeschüttet werden – die das Geld aber auch als Eigenkapital in das Unternehmen stecken könnten.
Außerdem sollen die Genussrechtsinhaber die Wahl bekommen, ob sie ihre Papiere in Eigenkapital umwandeln und so "echte" Gesellschafter von Prokon werden wollen, oder ob ihre Genussrechte in handelbare Anleihen umgewandelt werden, die windkraft-müden Anlegern den Ausstieg ermöglichen würden. Erhalten bleiben soll ein Windenergieunternehmen mit rund 300 Arbeitsplätzen, die Anleger würden dabei bis zu 70 Prozent ihrer Einlagen verlieren.
Dietmar Penzlin mit seinem Vorschlag oder Carsten Rodbertus beziehungsweise ein von ihm favorisierter Kandidat, von vielen als "Strohmann" bezeichnet, mit seinen eigenen Plänen – das letzte Wort in diesem Machtkampf hat morgen die Gläubigerversammlung, Ausgang ungewiss.
Das Konzept des Insolvenzverwalters unterstützt auch Klaus Nieding. Der Anlegerschutzanwalt ist Mitglied des Gläubigerausschusses von Prokon. Das Unternehmen müsse auf jeden Fall erhalten werden, sagt er, damit die Anleger überhaupt die Chance hätten, einen Teil ihres Kapitals zurückzuerhalten. Aber er schlägt einen etwas anderen Ansatz als der Insolvenzverwalter vor: Dietmar Penzlin möchte ja die Genussrechte der Anleger in eine Anleihe umwandeln:
"Hier habe ich gegebenenfalls das Problem der fehlenden Liquidität. Das heißt wenn der Markt nicht die Handelbarkeit hergibt, wird es schwierig. Und die Zinsen, die ausgereicht werden müssen, müssen natürlich auch entsprechend niedrig sein, um der Gesellschaft Luft zum Atmen zu geben, damit sie sich auch wieder berappeln und wieder fangen kann."
Geringe Handelbarkeit – damit könnte es für die Anleger schwierig sein, sich von ihren Anteilen zu trennen. Deshalb plädieren Nieding und die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapiere - DSW - für eine andere Lösung:
"Die Ansätze des Insolvenzverwalters und der jetzt von uns gemeinsam mit der DSW und meiner Kanzlei erarbeitete Lösungsansatz unterscheiden sich im Grunde genommen nur darin, dass wir letztlich in dem Konzept die Möglichkeit offenhalten wollen, dass man über einen Börsengang auch wieder rauskommt aus der Gesellschaft als Anleger, dass ich eine erhöhte Handelbarkeit durch Aktienbegebung eben habe im Rahmen eines Börsenganges."
Am Ende könnten dann die jetzigen Genussrechtsinhaber Aktien an Prokon halten. Das hätte Vorteile. Denn anders als ein Genussrechtsinhaber hat ein Aktionär einige Rechte, erklärt Franz-Josef Leven, Direktor des Deutschen Aktieninstituts:
"Bei Aktien hat der Anleger, wenn es um börsennotierte Aktien geht, natürlich eine Eigentümerstellung, das heißt er kann mitbestimmen, was im Unternehmen passiert, er hat eine über das Aktiengesetz sehr genau definierte Ausgestaltung seiner Rechte und auch seiner Pflichten als Aktionär. Das Aktienrecht stellt quasi eine Art Standardisierung dar, während halt Genussrechte sehr individuell sind und jeder einzeln geprüft werden muss."
Wer Genussrechte einer Firma kauft, muss nämlich sehr genau hinschauen, was er da erwirbt, erklärt Leven:
"Das Genussrecht von Firma A und das Genussrecht von Firma B können sehr, sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Allen Genussrechten gemein ist mehr oder weniger, dass sie eine Anlage darstellen, deren Rendite von dem Erfolg des Unternehmens abhängt, das heißt man bekommt keine feste Rendite, sondern eine erfolgsabhängige Rendite."
Ein Totalausfall ist möglich
Viele Anleger investieren in Genussrechte, weil diese recht attraktive Renditen versprechen. Da wird häufig eine Grundverzinsung von 6 bis 7,5 Prozent geboten. Aber auf die kann man nicht bauen. Ein Totalausfall ist möglich, sagt Dorothea Mohn, Leiterin des Finanz-Teams bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Und vor allem warnt sie: Eine hohe Rendite sei eben immer mit einem höheren Risiko verbunden.
"Dieser Zusammenhang hohe Renditen - hohe Risiken lässt sich nicht ausschalten. Nach meinem Dafürhalten hat Prokon das aber zumindest in seinen Verkaufsveranstaltungen suggeriert. Die offiziellen Dokumente waren wahrscheinlich in Ordnung in puncto Risikoaufklärung, aber nach allem, was ich von diesen Verkaufsveranstaltungen gehört habe, wurde suggeriert, dass es sich um verhältnismäßig sichere Produkte handelt. Und das ist falsch."
Im Bereich von Projekten zur Finanzierung Erneuerbarer Energien aber seien höhere Renditen nicht ungewöhnlich, sagt Bernd Haberkern. Der Ingenieur hat vor einigen Jahren Genussrechte an Prokon gekauft – ganz bewusst und nach sorgfältiger Prüfung:
"Die sechs bis acht Prozent waren jetzt per se kein ungewöhnliches Angebot. Was ungewöhnlich war bei Prokon - und das war aber auch ein Grund, mich da zu engagieren - war, dass er eben nicht wie sonst Beteiligungsgesellschaften mit etwa 80 Prozent Fremdkapital gearbeitet hat von Banken, sondern dass er eigentlich versucht hat, ganz ohne Banken auszukommen. Und das war natürlich ein neues Modell, was so auch in der Form nicht klar war, ob er diese Rendite auch erzielen kann. Insofern war das für mich auch ein besonders interessanter Ansatz, aber auch ein besonderes Risiko."
Dass Prokon-Gründer Rodbertus seine langfristigen Investitionen kurzfristig finanzierte, das störte den Ingenieur weniger:
"Es ist ja auch eine ganz gängige Praxis, langfristige Investitionen durch kurzfristige Investments zu finanzieren. Was in dem Fall gefehlt hat und ihm auch zum Verhängnis geworden ist, ist sicherlich, dass er keine Absicherung eingebaut hat, um die langfristigen Investitionen zu schützen, indem er eben Klauseln eingebaut hätte, dass nur soviel Geld zurückbezahlt werden kann, wie eben neues dem Unternehmen zufließt."
Genau das macht eine solche Art der Finanzierung im langfristigen Bereich aber problematisch, meint Anlegeranwalt Klaus Nieding:
"Der Betrieb und die Errichtung von Windparks ist ein sehr langfristiges Geschäft, nämlich auf 20 bis 25 Jahre ausgerichtet, und die Finanzierung mit einer kurzfristigen Geschichte wie den Genussrechten, die also innerhalb von wenigen Jahren bis zu fünf Jahren kündbar sind, ist dann natürlich schlecht, wenn negative Nachrichten über das Unternehmen die Runde machen. Dann sind die Leute in der Lage zu kündigen und rauszukommen."
Werbung für Finanzprodukte im öffentlichen Raum soll untersagt werden
Auch aus Reaktion auf den Fall Prokon will die Bundesregierung den Anlegerschutz verbessern, und das eben auch auf dem sogenannten "Grauen Kapitalmarkt", der bisher nur wenig reguliert ist. Denn dort ist die Gefahr groß, sein eingesetztes Kapital ganz oder teilweise zu verlieren. Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband mahnt:
"Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, wenn Verbraucher permanent ihr Geld verbrennen, was sie eigentlich zukünftig für ihre Altersvorsorge brauchen. Deswegen ist es mir wichtig, dass ein Schutz dafür aufgebaut wird, Kleinanleger nicht unangemessen in diese Produkte zu drängen, und damit halte ich gewisse Schutzvorschriften für absolut adäquat. Wir gehen nicht soweit, diese Produkte gänzlich verbieten zu wollen, aber der Finger muss auf den Vertrieb drauf, weil dort haben wir die Probleme."
So soll die Werbung für Finanzprodukte im öffentlichen Raum untersagt werden, dafür soll künftig nur noch in wirtschaftsnahen Medien geworben werden dürfen. Außerdem soll die Bafin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, bei sehr komplexen Produkten den Vertrieb beschränken dürfen. Und schließlich ist geplant, dass Anbieter zu noch mehr Anlageprodukten als bisher Prospekte erstellen müssen. Die Anleger sollen also weitergehende Informationen erhalten.
Der große Wurf sei das aber nicht, kritisiert Anlegeranwalt Klaus Nieding:
"Der Graue Kapitalmarkt gehört schon seit Jahren umfassend reguliert, er gehört seit Jahren einer Aufsicht, einer staatlichen Aufsicht unterstellt, die ihren Namen auch verdient. Sie müssen sich auf der Zunge zergehen lassen, wir hatten ja die Situation, dass Prokon auch über weite Strecken hinweg der Aufsicht durch Gewerbeaufsichtsämter unterlag. Und ich will da niemandem zu nahetreten: Aber jemand, der normalerweise Reisegewerbekarten für Weihnachtsmärkte ausstellt, der ist nur schwer in der Lage, komplizierte Finanzprodukte zu durchdringen und auch die entsprechende Aufsicht auszuüben. Es sind da strenge Maßstäbe erforderlich."
Noch fehlen die. Aber es mangelt auch vielen Bürgern an genügender Kenntnis der Materie. Und solange das so ist, nutzen auch immer mehr Informationen nichts, sagt Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut:
"Die größte Lücke ist das Verständnis der Anleger über wirtschaftliche Zusammenhänge, das Unterscheiden können zwischen Genussrechten, Aktien, Anleihen und anderen Anlageformen und das selbständige Beurteilen der Risiken. Hier haben wir kein Informationsdefizit oder demnächst ein kleineres Informationsdefizit, sondern wir haben ein Defizit an der Möglichkeit, diese Information auch zu verarbeiten, zu verstehen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und das geht nur über mehr ökonomische Bildung."
Ob das den Zusammenbruch von Prokon verhindert hätte? Im Aufbau des Windparkbetreibers steckten sehr viele Emotionen, die Hoffnung vieler Anleger, ihr Geld sinnvoll anzulegen. Diese alternative Finanzierungsform hat sich als nicht tauglich erwiesen. Aber vielleicht lässt solch schmerzliche Erfahrung die alternativen Branchen und ihre Investoren reifen.