37 Medaillen haben deutsche Athleten in Tokio gewonnen. Für eine deutsche Mannschaft war es das schlechteste Abschneiden seit der Wiedervereinigung. Angesichts dieser Ausbeute hat Clemens Prokop, von 2001 bis 2017 Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes, Reformen für den deutschen Sport gefordert: "Wir verlieren von Veranstaltung zu Veranstaltung international Anschluss", sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Vor allem an zwei Stellen sieht Prokop Reformbedarf im deutschen Leistungssport. Zum einen müssten die zentralistischen Strukturen, die teilweise noch herrschten, überdacht werden. In Leichtathletik haben wir früh begonnen, und das war auch immer mein Credo, dezentral zu denken. Zu versuchen, dort, wo die Athleten sich wohlfühlen, wo sie ihren beruflichen Mittelpunkt haben, ihnen optimale Bedingungen zu geben."
"Ich glaube, dass und viele Talente verloren gehen"
Zudem müssten sich die Verbände überlegen, wie sie überhaupt an Talente kommen. Hier liegt das Problem, dass wir bei den Talentsichtungsmaßnahmen noch viel Luft nach oben haben. Ich glaube, dass uns viele Talente momentan entgehen."
Es reiche aber nicht, mehr Geld in das System zu pumpen: "Ich denke, das muss tiefer gehen. Ich glaube, dass wir in Zukunft an den zwei genannten Ebenen arbeiten müssen, wenn wir den genannten Anspruch, in Zukunft auch zu den Top fünf zu gehören, realisieren wollen."
In seinen Augen ist es bezeichnend, dass einige deutsche Top-Leichtathletinnen nicht mehr in Deutschland trainieren. Die Ausdauerläuferin Konstanze Klosterhalfen trainiert zum Beispiel schon seit ein paar Jahren im den USA, auch Sprinterin Gina Lückenkemper ist immer wieder zum Training in den Staaten.
Klare Erwartungen an die neue DOSB-Spitze
Zuletzt hat auch die Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo angekündigt, in die USA zu wechseln: "Man muss diese Entwicklungen sehr sorgfältig studieren. Bieten wir unseren Athleten die optimalen Entwicklungsbedingungen, oder müssen wir hier national und auch international bestimmte Bedingungen verbessern?"
Ob er selbst die nötigen Reformen angehen möchte und sich zur Wahl als neuer DOSB-Präsident Ende des Jahres bewirbt, hat Prokop allerdings verneint: "Ich dränge mich nicht nach Ämtern, war 17 Jahre Chef des DLV, das ist ein Zeitraum, das reicht normalerweise für ein Leben."
An die kommende DOSB-Spitze hat er aber klare Erwartungen: "Es kommt darauf an, dass sich der DOSB neu aufstellt, dass der DOSB das Verhältnis zu Athleten neu definiert. Und dass der DOSB die Führungsrolle übernimmt, was zukünftige Leistungssportstruktur betrifft."
"Meilenstein" in der Doping-Bekämpfung
Als positives Beispiel für Reformen sieht Prokop die Änderungen im Anti-Doping-System in der internationalen Leichtathletik. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass der britische Sprinter Chijindu Ujah positiv auf verbotene Substanzen getestet wurde. Der Verstoß wurde von der Athletics Integrity Unit des Leichtathletik-Weltverbandes aufgedeckt, einer 2017 gegründeten unabhängigen Organisation innerhalb des Weltverbandes. Ein richtiger Schritt, sagt Clemens Prokop: "Die Einführung der Integrity Unit war ein Meilenstein auf dem Weg zu einem sauberen Sport, weil hier zum ersten Mal in der Geschichte der Leichtathletik eine unabhängige Organisation ermittelt, selbst Dopingkontrollen durchführt und darauf wacht, dass die besten Athleten der Welt unter das Dopingkontrollnetz genommen werden. Und die Erfolge zeigen sich."
Aber dass mit Ujah schon jetzt ein positiver Dopingfall aufgetaucht ist, überrascht Prokop: "Es ist immer wieder erstaunlich, dass Athleten im Wissen, dass sie intensiv im Umfeld der Olympischen Spiele kontrolliert werden, trotzdem scheinbar Mittel einnehmen." Im Kampf gegen Doping helfe daher nur eines: "Man muss national und international ein enges Anti-Doping-Netz knüpfen."