Es ist die letzte Sitzungswoche des Schleswig-Holsteinischen Landtags in diesem Jahr. Und zum letzten Mal in diesem für seine Partei so schlechten Jahr 2017 hat Ralf Stegner die Journalisten in sein Büro eingeladen.
Wie immer zeigt sich der SPD-Fraktionschef angriffslustig. Doch vor der anstehenden Haushaltsdebatte hat er auch Lob für die Jamaika-Regierung. Dafür, "dass sie das, was wir gemacht haben in der Küstenkoalition – obwohl sie es damals kritisiert hat – fortsetzen. Mit mehr Geld. Aber im Prinzip fortsetzen."
Die Küstenkoalition, jenes Bündnis aus SPD, Grünen und SSW - der Partei der dänischen und friesischen Minderheit - ist bekanntlich seit dem Mai dieses Jahres Geschichte. Doch dann kommt Politprofi Stegner mit einem Vorstoß um die Ecke. Fakt sei nämlich:
"Wir haben in Norddeutschland deutlich weniger Feiertage als im Süden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind da benachteiligt. Da gab’s unterschiedliche Vorschläge, was man da machen könnte …"
Die SPD will, dass auch in Schleswig-Holstein der Reformationstag zum Feiertag erhoben wird. Also her mit der Gesetzesinitiative! Stegner ist überzeugt, dass sich dafür eine breite Mehrheit im Landtag finden wird.
Der frühere Koalitionspartner SSW sei beim Gespräch am nächsten Tag schon mal dabei. Auch die Grünen wollten kommen, erzählt Stegner. Glaubt er womöglich, dass die alte Verbindung zwischen den drei Parteien wieder auflebt – jetzt da die prominentesten Köpfe der nordischen Jamaika-Koalition sich zu verabschieden scheinen?
Kubicki verlässt den Kieler Landtag
Denn nach mehr als einem Viertel Jahrhundert verlässt die prägende Gestalt der FDP Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, an diesem Donnerstag den Kieler Landtag und geht nach Berlin, wo er inzwischen zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt wurde. Wolfgang Kubicki:
"Die FDP-Fraktion, die ist ja nicht Kubicki-Fraktion, sondern FDP-Fraktion und das wird sie bleiben. Und ich kann Ihnen sagen, ich hätte mich anders entschieden, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass die Freie Demokratische Partei als Landesverband und die Fraktion nicht auch ohne mich zurechtkommen würde. Die Fraktionsarbeit, da können Sie ganz ruhig sein, wird ganz hervorragend funktionieren. Vielleicht habe ich in der Vergangenheit auch etwas überdeckt, was Sie jetzt erkennen werden, nämlich Talente, die eine Anlage haben deutlich besser zu werden als ich es jemals war."
"Als ich in der Grundschule war, das war Anfang der 90er Jahre, war der Name Kubicki mir schon ein Begriff", sagt Christopher Vogt. "Ich komme aus 'ner sehr politischen Familie, wo man sich immer über Politik unterhalten hat. Das heißt, der Name war mir schon ein Begriff, als ich mit Politik selbst noch nichts zu tun hatte …"
Verantwortung auf mehrere Personen verteilt
Christopher Vogt ist seit diesem Donnerstagmittag neuer FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein und er ist ziemlich genau das Gegenteil von Vorgänger Kubicki. In sämtlicher Hinsicht: groß, blond und mit 33 Jahren fast halb so alt wie der bisherige FDP-Fraktionschef. Aufbrausend ist Vogt bisher kaum aufgetreten. Seit knapp neun Jahren gehört er dem Kieler Landtag an.
"Das stört mich überhaupt nicht, Wolfgang Kubicki als Vorgänger zu haben. Also, das ist schon eine absolut herausragende Persönlichkeit, seit Jahrzehnten in der Politik, deswegen vergleiche ich mich nicht mit Wolfgang Kubicki. Und werde auch nicht so tun, als wäre ich derjenige, der ihn 1:1 ersetzt. Das wäre vermessen."
Die Sorge, dass seine Partei und die Jamaika-Koalition in Kiel durch Kubickis Abgang geschwächt wird, sieht Vogt nicht:
"Wir haben sehr starke Persönlichkeiten in der Landespartei. Wir haben starke Minister mit Heiner Garg und Bernd Buchholz. Es wird sich jetzt auf mehrere Schultern verteilen, die Verantwortung, als in einigen früheren Jahren."
Ähnlich sieht es auch Eka von Kalben, die Fraktionschefin der Grünen im Kieler Landtag. Sie sagt mit Blick auf Kubicki:
"Ich glaube, er macht ganz viel aus dem Bauch heraus. Und das ist manchmal belebend, weil das nicht so ein typischer Politiksprech ist. Manchmal ist es aber auch – hatte ich den Eindruck, jedenfalls in den Landtagsdebatten - ein bisschen an der Sache vorbei. Insbesondere wenn er vielleicht nicht die ganze Debatte da war oder so. Das finde ich dann manchmal ärgerlich."
Auch Grünen-Umweltminister Habeck liebäugelt mit Berlin
Doch auch die Grünen-Fraktionschefin muss nun mit einem prominenten Abgang umgehen. Zumindest einem, der gut möglich ist: Robert Habeck, seit bald sechs Jahren Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, zieht es nach Berlin.
Er will dort Bundesvorsitzender werden und in einem Jahr sein Ministeramt in Kiel aufgeben – sofern ihm die Grünen dies erlauben. Ja, Habeck sei ein sehr wichtiges Gesicht der Jamaika-Landesregierung, sagt Eka von Kalben. Andererseits…
"Ich glaube, jeder Politiker ist an jeder Stelle irgendwo ersetzbar. Wenn man sich für unersetzlich hält, dann hat man glaube ich ein Eigenwahrnehmungsproblem. Aber natürlich ist es ganz schwierig, in Roberts Fußstapfen zu treten, egal, wer das nachher machen würde."
Bei der CDU spekuliert man jetzt sogar, dass Habeck und Kubicki in Berlin der Jamaika-Sache noch einmal Leben einhauchen könnten. Tobias Koch, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion:
"Also, viel mehr können wir für Jamaika auf Bundesebene nicht beitragen, als dass wir quasi unsere besten Köpfe nach Berlin schicken. Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt."
Doch zunächst einmal ist jetzt auf Bundesebene die SPD am Zug. Ralf Stegner dürfte als frisch wiedergewählter Bundesvize seiner Partei weiter ständig nach Berlin pendeln.
Ungeklärt ist derweil der Ausgang von Stegners Gesetzesinitiative für einen Reformationsfeiertag. Die Grünen wollten dann doch nicht zum Gespräch kommen. Und der SSW hat inzwischen verlautbaren lassen: Ein Feiertag müsse her. Aber nicht, um der Reformation zu huldigen. Denn das Thema spalte die Menschen mehr, als dass es sie eine.