"Megafon: Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Sie haben die Fahrbahn sofort freizumachen, damit die Fahrzeuge ungehindert passieren können." - "Die Gewalt, die die Rüstung ausübt, ist so ungeheuerlich, dass diese Formen des zivilen Widerstands, die wir jetzt hier erproben, in jedem Fall gerechtfertigt sind." - "We walk hand in hand, we walk hand in hand…" - "Es hat mich sehr bewegt. Ich hab dahinten gestanden und hab ein bisschen die Lieder mitgesungen. Ich find es einfach schön, und die Sonne geht ja auch langsam auf." - "We shall overcome some day."
Auch der bekannte Pastor Heinrich Albertz läuft mit, als sich am 1. September 1983 um Punkt 5 Uhr 45 einige Hundert Atomwaffen-Gegner im schwäbischen Mutlangen auf den Weg von ihrem Friedenscamp zum drei Kilometer entfernten US-Waffendepot machen. Stunde und Tag sind nicht zufällig gewählt. Genau 44 Jahre zuvor hatte Hitler Polen angreifen lassen und damit den Zweiten Weltkrieg entfacht.
"Ja, ich hab an den Tag gedacht, um den es sich handelt. Hab ich ja schon als erwachsener Mann erlebt in Breslau. So um drei, halb vier fingen die Stukas an, über und wegzufliegen. Und da hab ich zu meiner Frau gesagt: Na, nu isses wohl so weit. Und da war's auch so weit."
Schon seit Mitte der sechziger Jahre lagern Atomraketen in Mutlangen, ohne dass die Öffentlichkeit großen Anstoß daran nahm. Das änderte sich schlagartig mit dem NATO-Doppelbeschluss von 1979. Der sah vor, US-amerikanische Pershing-II-Raketen in Westeuropa zu stationieren, falls die Sowjetunion nicht abrüstet. 26 dieser Raketen sollen dann nach Mutlangen kommen. Dagegen will man nun mit einer dreitägigen Blockade demonstrieren.
"Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unser Widerstand nicht …"
In der Morgendämmerung erreicht der Protestzug das Haupttor des amerikanischen Militärgeländes. Hier ist es bereits taghell - grell erleuchtet von den Scheinwerfern zahlreicher Fernseh-Teams. Aus aller Welt sind Journalisten nach Mutlangen angereist. Denn außer Heinrich Albertz beteiligen sich noch viele andere Prominente, 150 insgesamt, an der Blockade. Dabei sind die SPD-Politiker Oskar Lafontaine und Erhard Eppler, die Grünen-Gründerin Petra Kelly, der Liedermacher Wolf Biermann, der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der Theologe Helmut Gollwitzer oder der Schriftsteller Günter Grass. Das größte Medien-Interesse aber gilt dem Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll. Er ist gekommen …
"… weil ich es zu einfach finde, nur vom Schreibtisch aus oder gelegentlich in einem Interview oder anlässlich einer Veranstaltung eine so erste Sache zu vertreten. Es ist auch der Wunsch, mit all diesen Menschen, die so viel opfern, mich zu solidarisieren. Und so schlimm ist die Strapaze für mich nicht."
Sechs Stunden dauert je eine Blockadeschicht. Die Demonstranten sitzen dann singend und diskutierend in kleinen Grüppchen auf der Straße und der angrenzenden Wiese, dezent beobachtet von berittenen Polizisten. Ihren Pferden haben die Aktivisten kleine Blumensträuße ins Zaumzeug gesteckt. Niemand wird weggetragen. Man will auf jeden Fall das Bild eines von Krankheit gezeichneten Heinrich Böll vermeiden, der von Polizisten abgeführt wird. Einige Blockierer enttäuscht das. Schließlich mussten sie in den vier Wochen vor der Blockade in einem Sommercamp gewaltfreien Widerstand trainieren und hätten diese Qualifikation nun auch gerne unter Beweis gestellt.
"Irgendwie ist eigentlich der Sinn einer gewaltfreien Aktion auch der, dass man einen Konflikt ins Bewusstsein hebt und offen austrägt. Und das ist die Frage, ob das jetzt hier so erreicht worden ist."
Wie geplant geht die Blockade nach drei Tagen zu Ende. Die Veranstalter geben sich zufrieden, schließlich habe die Beteiligung all der Prominenten die breite Akzeptanz der Friedensbewegung demonstriert.
Am 22. November 1983 gibt der Bundestag grünes Licht für die Stationierung von Pershing-II-Raketen. Nur einige Tage später treffen die Ersten in Mutlangen ein. Die Zufahrt zum Depot wird nun regelmäßig blockiert - und von der Polizei ebenso regelmäßig wieder geräumt. Gut 3000 Blockierer werden in den nächsten Jahren wegen Nötigung angeklagt, bis die Raketen 1990 wieder aus Mutlangen abgezogen und verschrottet werden.
Auch der bekannte Pastor Heinrich Albertz läuft mit, als sich am 1. September 1983 um Punkt 5 Uhr 45 einige Hundert Atomwaffen-Gegner im schwäbischen Mutlangen auf den Weg von ihrem Friedenscamp zum drei Kilometer entfernten US-Waffendepot machen. Stunde und Tag sind nicht zufällig gewählt. Genau 44 Jahre zuvor hatte Hitler Polen angreifen lassen und damit den Zweiten Weltkrieg entfacht.
"Ja, ich hab an den Tag gedacht, um den es sich handelt. Hab ich ja schon als erwachsener Mann erlebt in Breslau. So um drei, halb vier fingen die Stukas an, über und wegzufliegen. Und da hab ich zu meiner Frau gesagt: Na, nu isses wohl so weit. Und da war's auch so weit."
Schon seit Mitte der sechziger Jahre lagern Atomraketen in Mutlangen, ohne dass die Öffentlichkeit großen Anstoß daran nahm. Das änderte sich schlagartig mit dem NATO-Doppelbeschluss von 1979. Der sah vor, US-amerikanische Pershing-II-Raketen in Westeuropa zu stationieren, falls die Sowjetunion nicht abrüstet. 26 dieser Raketen sollen dann nach Mutlangen kommen. Dagegen will man nun mit einer dreitägigen Blockade demonstrieren.
"Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unser Widerstand nicht …"
In der Morgendämmerung erreicht der Protestzug das Haupttor des amerikanischen Militärgeländes. Hier ist es bereits taghell - grell erleuchtet von den Scheinwerfern zahlreicher Fernseh-Teams. Aus aller Welt sind Journalisten nach Mutlangen angereist. Denn außer Heinrich Albertz beteiligen sich noch viele andere Prominente, 150 insgesamt, an der Blockade. Dabei sind die SPD-Politiker Oskar Lafontaine und Erhard Eppler, die Grünen-Gründerin Petra Kelly, der Liedermacher Wolf Biermann, der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der Theologe Helmut Gollwitzer oder der Schriftsteller Günter Grass. Das größte Medien-Interesse aber gilt dem Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll. Er ist gekommen …
"… weil ich es zu einfach finde, nur vom Schreibtisch aus oder gelegentlich in einem Interview oder anlässlich einer Veranstaltung eine so erste Sache zu vertreten. Es ist auch der Wunsch, mit all diesen Menschen, die so viel opfern, mich zu solidarisieren. Und so schlimm ist die Strapaze für mich nicht."
Sechs Stunden dauert je eine Blockadeschicht. Die Demonstranten sitzen dann singend und diskutierend in kleinen Grüppchen auf der Straße und der angrenzenden Wiese, dezent beobachtet von berittenen Polizisten. Ihren Pferden haben die Aktivisten kleine Blumensträuße ins Zaumzeug gesteckt. Niemand wird weggetragen. Man will auf jeden Fall das Bild eines von Krankheit gezeichneten Heinrich Böll vermeiden, der von Polizisten abgeführt wird. Einige Blockierer enttäuscht das. Schließlich mussten sie in den vier Wochen vor der Blockade in einem Sommercamp gewaltfreien Widerstand trainieren und hätten diese Qualifikation nun auch gerne unter Beweis gestellt.
"Irgendwie ist eigentlich der Sinn einer gewaltfreien Aktion auch der, dass man einen Konflikt ins Bewusstsein hebt und offen austrägt. Und das ist die Frage, ob das jetzt hier so erreicht worden ist."
Wie geplant geht die Blockade nach drei Tagen zu Ende. Die Veranstalter geben sich zufrieden, schließlich habe die Beteiligung all der Prominenten die breite Akzeptanz der Friedensbewegung demonstriert.
Am 22. November 1983 gibt der Bundestag grünes Licht für die Stationierung von Pershing-II-Raketen. Nur einige Tage später treffen die Ersten in Mutlangen ein. Die Zufahrt zum Depot wird nun regelmäßig blockiert - und von der Polizei ebenso regelmäßig wieder geräumt. Gut 3000 Blockierer werden in den nächsten Jahren wegen Nötigung angeklagt, bis die Raketen 1990 wieder aus Mutlangen abgezogen und verschrottet werden.